W er wissen will, was die Afri- kanische Schweinepest mit den Getreidepreisen in Amerika zu tun hat, muss den Blick nach China richten. Dort sind Schweinebauern eifrig damit beschäftigt, ihre Viehbestände auf jenes Niveau zu hieven, auf dem sie sich befanden, ehe die Schweinepest im Sommer 2018 zuschlug. Schweine brauchen Futter. Dieses importieren chinesische Züchter in großem Stil aus den USA, um ihre rasant wachsenden Herden satt und fett zu bekommen. In der Folge gehen die Preise für Mais und Sojabohnen seit einigen Monaten durch die Decke; auch der Weizenpreis hat kräftig angezogen.

Die Notierungen von Agrarrohstoffen befinden sich auf dem höchsten Stand seit acht Jahren. Darin spiegelt sich nicht nur die hohe Nachfrage aus China wider, sondern auch tatsächliche oder sich anbahnende Ernteausfälle in einigen Anbauregionen. Im Windschatten der Rohstoffpreise haben die Aktienkurse von Unternehmen aus dem Landwirtschaftssektor in den vergangenen Wochen massiv zugelegt. Jahrelang hatten sich Agraraktien schlechter entwickelt als der breite Markt. Nun hat der Trend gedreht. Ob Landmaschinenhersteller, Saatgut- oder Düngemittelspezialist: An der Börse geht es aufwärts.

Der Grund: Landwirte haben dank der gestiegenen Abnahmepreise für ihre Ernten mehr Geld im Portemonnaie. Das nutzen sie dazu, ihre Fuhrparks auf Vordermann zu bringen und ihre Anbauflächen zu erweitern. "Das Alter von Landmaschinen in den USA ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Jetzt sehen wir eine Wende", sagt Jörg Dehning, Fondsmanager bei DJE Kapital.

Ein solcher Investitionszyklus dauert üblicherweise zwei bis drei Jahre. Obwohl die Kurse von Agrarunternehmen bereits deutlich gestiegen sind, ist es also noch nicht zu spät zum Einstieg.

Nachholbedarf bei Technik

Insbesondere bei Landmaschinenherstellern sehen Marktbeobachter weiteres Kurspotenzial. Das Geschäft mit Mähdreschern und Traktoren ist weniger zyklisch als das mit Saatgut und Düngemitteln. Außerdem gibt es in diesem Bereich den größeren Nachholbedarf.

"Der durchschnittliche Traktor in den USA ist um die 15 Jahre alt", sagt Fondsmanager Stephan Werner von der DWS. Investitionen sind dringend nötig, auch weil die Technik beachtliche Sprünge gemacht hat. "Man darf nicht unterschätzen, wie stark der technologische Fortschritt die Branche verändert", sagt Werner. Rund 80 Prozent der Ertragssteigerungen in den vergangenen Jahren seien einer effizienteren Bewirtschaftung zu verdanken gewesen.

Auch langfristig ist noch Luft nach oben. Denn die Landmaschinenbranche ruht sich nicht auf den bisherigen Neuerungen aus. "Wir müssen jedes Jahr 80 Millionen Menschen mehr ernähren. Die Anbauflächen sind begrenzt, das heißt: Die Effizienz der Landwirtschaft muss weiter steigen", erklärt DJE-Manager Dehning. Er ist überzeugt: "Wir werden in Zukunft deutliche Effizienzfortschritte sehen."

Wie die Zukunft der Landwirtschaft aussehen könnte, lässt sich etwa bei Deere & Co. beobachten. Der US-Landtechnikriese ist vor allem für seine Marke John Deere bekannt. Im Jahr 2017 übernahm das Traditionsunternehmen für 305 Millionen US-Dollar das kalifornische Start-up Blue Valley Technology, das autonom fahrende, lernende Landmaschinen entwickelt. Mittlerweile gibt es von John Deere unter anderem einen autonomen Elektrotraktor und eine Drohne, die Unkrautvernichtungsmittel versprüht und die der Konzern in Kooperation mit der Bruchsaler Firma Volocopter entwickelt hat.

Auch Konkurrent AGCO, zu dem unter anderem die Marke Fendt gehört, hat einen E-Traktor auf den Markt gebracht und forscht im Bereich der Agrarrobotik. Experten sehen bei smarten, autonom arbeitenden Landmaschinen und E-Mobilität großes Potenzial. Denn die Agrarbranche muss nicht nur effizienter, sondern auch sauberer werden.

Das weltweite Ringen um mehr Umwelt- und Klimaschutz ist kein Argument gegen ein Investment in Agraraktien. Im Gegenteil: Es gibt ernsthafte Bestrebungen, die Landwirtschaft von einem Teil des Problems - einem der größten CO2-Produzenten - zu einem Teil der Lösung zu machen. Man weiß, dass regenerativ bewirtschaftete Böden ein wichtiger Kohlendioxidspeicher sind.

Mehrere Länder arbeiten daher daran, Emissionszertifikate an Landwirte auszugeben. Entsprechende Program- me kämen nicht nur dem Klimaschutz zugute, sondern auch Agraranlegern: "Bauern hätten damit eine konstante Einnahmequelle und würden weniger zyklisch investieren", sagt DJE-Manager Dehning. Die Auftragsbücher von Landtechnikherstellern würden sich also stetiger füllen als bisher.

Abwärtsrisiko Peking

Die Nachfrage nach neuem, modernem Gerät übertrifft die Erwartungen. "Die Landtechnikbranche schafft es kaum, die gestiegene Nachfrage zu bewältigen. Manche Orders dürften erst 2022 abgearbeitet werden", weiß Deh- ning. Auch die anziehende Inflation treibt die Kurse. Steigt sie weiter, werden Anleger wohl vermehrt in Sachwer- te flüchten - auch in Agrarrohstoffe. "Das würde die Kurse von Agrarunternehmen wohl weiter in die Höhe treiben, denn die Korrelation zwischen den Rohstoffpreisen und den Aktienkursen ist hoch", so DWS-Fondsprofi Werner.

Abwärtsrisiken gibt es ebenfalls, darunter ein gewichtiges: "Brechen die chinesischen Getreideimporte ein, gäbe es wohl eine deutliche Korrektur bei den Getreidepreisen", sagt Werner. "Ein solches Szenario ist zwar unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen." Niemand kann mit Gewissheit sagen, dass Peking nicht demnächst erklärt, nun genug Schweinefutter gebunkert zu haben - und die Importe einstellt. Werners Rat: Damit Anleger von den Schwankungen des Rohstoffmarkts nicht kalt erwischt werden, sollten sie breit gestreut investieren.
 


INVESTOR-INFO

Deere & Co.

Der Platzhirsch

Der Landmaschinenhersteller meldete starke Zahlen für das erste Quartal 2021 und hat dank voller Auftragsbücher seinen Ausblick für 2021 angehoben. Deere glänzt durch zahlreiche Innovationen und Kooperationen mit Technologiefirmen und ist auch bei autonomen Maschinen gut aufgestellt. Die Aktie ist recht teuer, bietet aber wegen des hohen operativen Gewinnwachstums Potenzial.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 380,00 Euro
Stoppkurs: 275,00 Euro

Nutrien

Der Düngerspezialist

Das Bergbauunternehmen ist weltgrößter Produzent von Kali- und zweitgrößter Hersteller von Stickstoffdünger. Die Kanadier profitieren massiv von der gestiegenen Düngernachfrage und haben ihre Umsatzprognose für das Gesamtjahr angehoben. 2020 schrieb Nutrien noch Verlust, im laufenden Jahr wird ein stattlicher Gewinn erwartet. Der Bedarf an Düngemitteln dürfte auf lange Sicht weiter steigen. Die Aktie ist deshalb vor allem für Langfristanleger interessant.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 60,00 Euro
Stoppkurs: 43,00 Euro

Barings Global Agriculture

Langfristige Rendite

Im Agrarsektor gibt es Aktien, um die man nicht herumkommt: In praktisch allen Branchenfonds findet man die Papiere von Deere & Co., dem Rivalen AGCO oder Nutrien. Die drei Manager des Agraraktienfonds von Barings haben es geschafft, die Branche durch weitere Akzente zu übertreffen. Seit Auflage 2009 schlugen sie den Sektorschnitt um fast zehn Prozentpunkte. Zu den Top-Positionen gehören der US-Konzern Archer Daniels Midland und die Saatgut- und Agrarchemiefirma Corteva. Achtung, hohes US-Exposure.