Nicht nur an der Tankstelle, sondern auch im Supermarkt und beim Bäcker werden Verbraucher wegen Putins Angriffskrieg bald deutlich mehr bezahlen müssen. Denn die Ukraine gilt als Kornkammer Europas und ist einer der wichtigsten Exporteure für Weizen.

Die Lieferungen aus dem Land drohen nun weitgehend auszufallen. Zusätzlich auch noch die aus Russland, dem größten Weizenexporteur der Erde. Zusammen verantworten die beiden Staaten ein Drittel der globalen Weizenausfuhren. Wegen der russischen Aggression steuert die Ukraine auf eine Missernte zu - und russischen Häfen droht ein Boykott.

Hierzulande schmälert das zwar den Geldbeutel, da der Preis von Brot und anderen Backwaren steigt. Der Konsum wird aber kaum zurückgehen. "Hier und da wird es in der EU Engpässe geben, aber Europa ist insgesamt wohlhabend genug, sodass es nicht zu einer Versorgungskrise kommt", sagt Sebastian Lakner, Agrarökonom an der Universität Rostock. Ganz anders sieht es in Entwicklungsländern aus. Die galoppierenden Preise für Grundnahrungsmittel werden dort vor allem für ärmere Menschen zum Problem. So bezieht der Libanon 80 Prozent seines Weizens aus der Schwarzmeer-Region und Ägypten 70 Prozent. Auch andere afrikanische Staaten sind stark betroffen. Die Situation kann sich noch verschärfen. Im Sommer und Herbst werden die größten Mengen aus der Schwarzmeer-Region geerntet und exportiert. "Sollten diese Mengen im laufenden Jahr komplett ausfallen, könnte die Zahl der hungernden Menschen kurzfristig um bis zu 100 Millionen ansteigen", befürchtet Matin Qaim, Professor für Agrarökonomie an der Universität Bonn.

Preisschub schon vor dem Krieg

Der Krieg kommt zum ungünstigsten Zeitpunkt. Schon vor dessen Ausbruch haben Getreidepreise wie der von Weizen angezogen. Missernten wegen des Klimawandels, Lieferunterbrechungen bedingt durch die Pandemie, teure Düngemittel und hohe Energie- und Transportkosten waren dafür ursächlich.

Der drohende Ausfall der Kornkammer Europas hat den Weizenpreis seit Kriegsbeginn noch einmal um rund 20 Prozent auf gut 1.100 US-Cent je Scheffel nach oben gehievt. Zwischenzeitlich wurden sogar 1.300 US-Cent erreicht. Die Korrektur kam auch dadurch zustande, dass bedeutende Weizenproduzenten wie Australien und Argentinien Topernten eingefahren haben. Die können einen Rückgang der russischen und ukrainischen Lieferungen zum Teil auffangen. Auch Indiens Ernte war gut. Jedoch ist der Weizen aus dem Subkontinent meist von schlechter Qualität und wird daher nur ungern importiert. In der drohenden Mangelsituation könnten die indischen Bauern ihre Ausfuhren nun kräftig steigern, da die Qualitätsansprüche sinken.

Euphorie ist fehl am Platz. Obwohl Australien eine Rekordernte einfuhr, kann es die Ausfälle aus der Schwarzmeer-Region nur in Maßen kompensieren. "Die Idee klingt auf dem Papier gut, aber wir haben nicht die Exportinfrastruktur dazu", sagte Ed Colless, Vertreter eines lokalen Bauernverbands, dem katarischen Fernsehsender Al Jazeera.

Keine Entlastung kommt dagegen aus den USA, von wo die Ausfuhren laut den neuesten Daten des US-Landwirtschaftsministeriums sogar leicht zurückgehen dürften. Auch China rechnet laut Landwirtschaftsminister Tang Renjian "mit einer der schlechtesten Winterweizenernten der Geschichte".

"Auch die Idee, durch intensivere Landwirtschaft mehr aus den bewirtschafteten Flächen herauszuholen, stößt wegen aktuell hoher Düngerpreise und Düngermangel an ihre Grenzen", sagt Qaim. "Und stillgelegte Flächen, auf denen neu Weizen angepflanzt werden könnte, sind global rar gesät", ergänzt der Agrarökonom. Aussichtsreicher erscheint es ihm dagegen, weniger Getreide zur Produktion von Bioenergie zu verwenden, was vor allem in Europa und den USA gemacht werde.

Exportstopp belastet Preis

Auch durch den Abbau von Lägern wäre es möglich, mehr Weizen bereitzustellen. In Europa sind diese jedoch nicht gut gefüllt - im Gegensatz zu China und Indien. Würden diese beiden Staaten einen großen Teil ihres Weizenvorrats auf den Markt werfen, hätte dies einen spürbaren Effekt auf das globale Angebot und den Weizenpreis. Da China und Indien jedoch eine große Bevölkerung haben, betrachten sie ihre Läger als Sicherheitsreserve und werden diese wohl kaum antasten. Kleinere Länder wie Serbien und Ungarn machen das bereits vor. Obwohl sie einen Weizenüberschuss haben, verhängten die Regierungen einen Exportstopp für Europa, um die Versorgung der eigenen Bewohner zu garantieren. Weitere Länder dürften diesem Beispiel folgen. Das verknappt das Angebot auf dem Weltmarkt zusätzlich und dürfte Weizen noch mehr verteuern.

Auch wenn der Krieg in der Ukraine rasch endet, dürfte das kaum Entlastung für den Weizenpreis bringen. Ist doch die Infrastruktur des Landes zerstört, weshalb der Transport großer Mengen des Getreides schwierig ist. Kurzfristig sollte der Weltmarkt für Weizen also angespannt bleiben und der Preis weiter anziehen. Mittelfristig dürfte aber Entspannung eintreten, da es für Bauern in wichtigen Anbaugebieten wegen der hohen Preise lukrativer wird, Weizen zu pflanzen als andere Agrarprodukte.
 


INVESTOR-INFO

Weizen-ETC

Knappes Gut

Der jüngste Exportstopp Russlands bis zum 30. Juni für Weizen und andere Getreidesorten an die Länder der eurasischen Wirtschaftsunion, zu der neben Russland die benachbarten ehemaligen Sowjetrepubliken zählen, hat den Weizenpreis nach einer leichten Korrektur wieder angetrieben. Da diese Staaten sich fehlenden Weizen nun anderswo beschaffen müssen, wird die Pflanze noch gefragter am Weltmarkt. Mit einem ETC von WisdomTree können Anleger an weiter steigenden Preisen partizipieren.

Archer Daniels Midland

Profiteur der Agrar-Rally

Als einer der größten Agrarkonzerne weltweit profitiert die US-Firma Archer Daniels Midland, wenn die Ukraine und Russland weniger Weizen in den Westen liefern. Zudem dürfte der Aufschwung an den Agrarmärkten wegen steigender Nachfrage einer wachsenden Weltbevölkerung unabhängig von den Entwicklungen in der Ukraine nachhaltig sein. Der Konzern ist ein zuverlässiger Dividendenzahler. Er hat Anfang März die 361. Quartalsdividende in Folge ausgeschüttet.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 90,00 Euro
Stoppkurs: 59,00 Euro