Seit 65 Jahren das gleiche Ritual: Procter & Gamble erhöht die Dividende. Seit 1956 ist die Zahlung von einem Cent je Aktie auf 3,03 Dollar gestiegen. Allein im vergangenen Jahr zahlte Procter & Gamble insgesamt 7,8 Milliarden Dollar an seine Aktionäre aus.
Nirgendwo auf der Welt hat die Dividende einen so hohen Stellenwert wie in Nordamerika: 549 Milliarden Dollar haben Unternehmen dort im vergangenen Jahr unter ihren Aktionären verteilt, mehr als dreimal so viel wie die Konkurrenz in Europa. Acht der zehn größten Dividendenzahler sitzen in den USA, darunter die Riesen Microsoft, Exxon, Apple und JP Morgan. Das zeigen Statistiken der Vermögensverwaltung Janus Henderson.
Amerikanische Unternehmen zahlen nicht nur hohe Summen, sie sind auch zuverlässiger als der Rest der Welt. Das hat sich in der Corona-Krise eindrucksvoll bestätigt: Laut Janus Henderson hat weltweit jedes dritte Unternehmen in der Pandemie seine Ausschüttung gekürzt oder gestrichen, in Europa sogar jedes zweite. In Nordamerika mussten Anleger lediglich bei jedem siebten Unternehmen Abschläge hinnehmen.
Ein großer Vorteil der Amerikaner: Die Topkonzerne dort verdienen extrem viel Geld und können ihre Aktionäre darum großzügig beteiligen. Die 30 Unternehmen des Dow Jones Industrial werden laut Daten des Finanzdiensts Bloomberg in diesem Jahr netto mehr als viermal so viel Geld verdienen wie die 30 im DAX notierten deutschen Börsenriesen.
Genauso wichtig wie die Finanzkraft ist der Wille des Managements: "Unsere erste Verwendung für frei verfügbare Barmittel sind Dividendenzahlungen", gelobt Procter & Gamble in seinem Geschäftsbericht. Einschnitte bei der Auszahlung werden hart bestraft: Als der Telekomkonzern AT & T im Mai seine Dividendenrichtlinien änderte und damit wohl indirekt eine Kürzung ankündigte, stürzte die Aktie um zehn Prozent ab. Als "unverzeihliche Sünde" geißelte die Investmentfirma Bahnsen Group die Entscheidung von AT & T. Schließlich würden sich viele Rentner auf die regelmäßigen Zahlungen verlassen.
Etwas enttäuschend ist die Höhe der Dividendenrenditen in den USA. Während der DAX in dieser Kategorie aktuell auf rund 2,9 Prozent kommt, schafft der amerikanische Dow Jones lediglich 1,9 Prozent. Auch hier gibt es kulturelle Unterschiede: In den USA wird neben der Dividende häufiger ein zweites Instrument eingesetzt - Aktienrückkäufe. Die Unternehmen kaufen dabei eigene Aktien vom Markt und stampfen diese Papiere ein. Dadurch werden künftige Gewinne auf weniger Aktien verteilt. Es steigt also der Gewinn je Aktie und damit der Wert der verbleibenden Aktien. Zugleich muss das Unternehmen bei der nächsten Dividendenzahlung weniger Papiere bedienen und hat darum größeren Spielraum für eine Erhöhung.
Trotzdem kommt man auch mit amerikanischen Aktien auf beachtliche Dividendenrenditen, man muss allerdings Geduld aufbringen. Wer beispielsweise zur Jahrtausendwende die Aktie von Procter & Gamble ins Depot nahm, kommt gemessen am Einstandskurs heute auf eine knapp zweistellige Dividendenrendite. Und ganz nebenbei ist auch der Aktienkurs gestiegen.
Procter & Gamble gehört zum Kreis der sogenannten Aristokraten. Unter Börsianern sind das Unternehmen, die ihre Dividende seit mindestens 25 Jahren durchgehend gesteigert haben. Sie haben also auch während der großen Finanzkrise und Corona aufgestockt. 65 Unternehmen aus dem S & P 500 können eine solche Serie vorweisen.
Die richtige Bewertung
Weil Dividenden bei langfristig orientierten Anlegern beliebt sind, stehen die entsprechenden Aktien hoch im Kurs. Laut Bloomberg-Datenbank waren die Aristokraten in den Jahren 2013 bis 2019 auf Basis des Kurs-Gewinn-Verhältnisses stets teurer als der breite amerikanische Aktienmarkt. In der Spitze lag der Aufschlag zum S & P 500 bei mehr als 15 Prozent. Seit dem Corona-Crash allerdings haben sich die Verhältnisse verschoben: Viele Technologiewerte sind teuer geworden und haben das Bewertungsniveau des breiten Markts nach oben gezogen. Die Aristokraten - viele stammen aus eher defensiven Bran- chen - haben diese Dynamik dagegen nicht voll mitgenommen. Darum gab es diese Aktien zuletzt mit einem Abschlag von rund zehn Prozent zum Gesamtmarkt. Die Aristokraten sind demnach also ungewöhnlich günstig bewertet.
Regelmäßig Bares
Noch einen weiteren Vorzug haben Dividenden aus Übersee: Während bei deutschen Unternehmen die Dividende meist auf einen Schlag im Frühjahr ausgeschüttet wird, verteilen amerikanische die Zahlung meist über vier Termine. Solche Quartalsdividenden geben den Unternehmen mehr Flexibilität bei der Finanzierung, was in der Corona- Krise wertvoll war. Auch Anlegern dürfte der Quartalsrhythmus entgegenkommen, wenn sie mit der Dividende einen Teil ihres Lebensunterhalts finanzieren wollen. Bei nur einer großen Zahlung ist die Verlockung dagegen groß, das Geld sofort auszugeben.
Zu den Hochprozentern unter den US-Aristokraten gehören die Ölkonzerne Exxon und Chevron. Wie die gesamte Branche müssen sich auch die beiden US-Riesen gegen die wachsende Konkurrenz durch alternative Energiequellen behaupten. Analysten erwarten dennoch bei beiden Konzerne leicht steigende Ausschüttungen. Chevron mit einer Dividendenrendite von derzeit mehr als fünf Prozent ist dabei bilanziell besser aufgestellt und kündigte bereits wieder Aktienrückkäufe an. Im Corona-Jahr hatte der Konzern die Dividende zum 33. Mal in Serie angehoben.
Mehr als vier Prozent Dividendenrendite gibt es bei Abbvie. Der Pharmakonzern, der im Jahr 2013 aus dem Dividenden-Aristokraten Abbott Laboratories ausgegliedert wurde und seine Dividende seitdem weiter gesteigert hat, verdient Geld vor allem mit dem Arthritismedikament Humira. Wegen des auslaufenden Patentschutzes werden die Einnahmen aus diesem Produkt ab dem Jahr 2023 jedoch deutlich zurückgehen. Bis dahin müssen neue Medikamente die Lücke füllen.
Vergleichsweise gering ist mit knapp zweieinhalb Prozent die Dividendenrendite bei Procter & Gamble, dafür aber weniger riskant. Im Paket kommen die drei Aktien auf Basis der für das kommende Jahr erwarteten Zahlungen auf eine Dividendenrendite von etwas mehr als vier Prozent.
INVESTOR-INFO
U.S. Dividend Aristocrats
Jahr für Jahr mehr
Eine lange Dividendenhistorie und mög- lichst hohe Dividendenrendite. Der ETF U.S. Dividend Aristocrats investiert in mehr als 100 US-Unternehmen, die ihre Dividende in 20 aufeinanderfolgenden Jahren gesteigert haben. Der Index ist also eine breitere Interpretation der klassischen Aristokraten. Auch dank niedriger Gebühren hat der ETF die meisten aktiv gemanagten US-Dividendenfonds geschlagen. Die Ausschüttungsrendite lag zuletzt bei 2,2 Prozent.
Siem. Qualität & Dividende USA
Starke Substanz
Aktiv in US-Dividendenwerte investiert der von der Vermögensverwaltung des Siemens- Konzerns gemanagte Siemens Qualität & Dividende USA. Zu den größten Positionen zählten zuletzt neben dem Einzelhändler Target und dem Traktorhersteller Deere auch der Pharmakonzern Abbvie. Kontinuität der Dividendenzahlung ist bei der Aktienwahl ein wichtiges Kriterium. Die Gebühren sind für einen aktiven Aktienfonds niedrig.
Drei Favoriten
Öl, Pharma, Konsum
Als Faustregel gilt: Je höher die Dividendenrendite einer Aktie, desto größer ist das Risiko. Vor allem bei Prozentzahlen größer als fünf Prozent sollten Anleger genauer hinsehen. Die Redaktion hat drei Einzeltitel aus den USA ausgewählt: den Ölkonzern Chevron, den Pharmakonzern Abbvie und den Konsumgüterhersteller Procter & Gamble.