Gigantisch: zehn Quadratkilometer Fläche, rund 200 Anlagen, mehr als 100 Produktionsbetriebe, knapp 300 Kilometer Rohrleitungen, 100 Kilometer Straßen- und 230 Kilometer Schienennetz. 35.000 Menschen arbeiten auf dem Gelände im Kleinstadtformat. Eigenen Kraftwerke liefern den Strom. Das BASF-Werk in Ludwigshafen ist das größte Chemieareal der Welt.

Die enge Vernetzung von Produktion und Logistik hat der weltgrößte Chemiekonzern zu einem Vorteil im Wettbewerb entwickelt. Die effiziente Nutzung von Energie und Rohstoffen sowie die optimierten Logistik an den bisher sechs globalen Verbundstandorten sparen nach Angaben des Konzerns jährlich eine Milliarde Euro Kosten. Ein eigenes 5G-Mobilfunknetz soll Ludwigshafen noch effizienter machen.

In Zhanjiang, der wichtigen Hafenstadt in der chinesischen Provinz, baut der DAX-Konzern währenddessen Verbundstandort Nummer 7. Erstmals wird BASF einen Produktionsstandort im Reich der Mitte in Eigenregie betreiben. Mit zehn Milliarden Dollar an Investitionen ist das im November 2019 gestartete Projekt das größte in der Firmengeschichte.

China-Faktor wird stärker

Die Chemiebranche mit ihrer Vielfalt an Produkten, von petrochemischen Grundstoffen, Ölen und Fetten bis zu Spezialkunststoffen und Klebern, ist ein volkswirtschaftlicher Schlüsselfaktor. Primus BASF stellt sich mit seinem Produktionsnetzwerk deshalb darauf ein, dass China mit seinem enormen Bedarf 2030 die Hälfte der Nachfrage in der globalen Chemiebranche beanspruchen wird. Den aktuellen Anteil schätzt BASF auf 40 Prozent.

Vor Ort will der Weltmarktführer deshalb rechtzeitig groß genug sein. Von konjunkturellen Abschwüngen oder dem Handelsstreit Chinas mit den USA mag sich Konzernlenker Martin Brudermüller bei diesem Projekt nicht beirren lassen. Wenige Monate nach dem ersten Spatenstich in Zhanjiang hatte die weltweite Ausbreitung der Pandemie jedoch zum Abschwung in der konjunktursensiblen Branche geführt. BASF zahlte trotz des schwierigen Geschäftsverlaufs 2020 den Aktionären eine Dividende auf Vorjahresniveau und meisterte das problematische Jahr besser als erwartet. Die vorläufigen Zahlen belegen das.

Währenddessen stärkt Chinas robuste Konjunktur die Hoffnung von Börsianern auf eine weltweite zyklische Erholung. Als Lieferant für viele Industrien würde die Chemiebranche früh profitieren.

Branchenbarometer wie der Bloomberg World Chemical Index und der Stoxx Europe Chemicals zogen bereits stark an: Mit mehr als 20 und 13 Prozent während der vergangenen zwölf Monate performten sie deutlich besser als der DAX und der breite US-Index S & P 500 mit zwei Prozent und sechs Prozent Plus. Zu den zehn Werten mit den höchsten, prozentual dreistelligen Wertsteigerungen im globalen Chemie-Index gehören einige chinesische Konzerne. Auch in der Weltliga der Chemieriesen nach Umsatz ist das Reich der Mitte stark vertreten.

Gebremste Zuversicht in Europa

Eine Entwicklung, die im neuen Jahr anhält. Bei europäischen Konzernen erwarten Analysten positive Überraschungen für das vierte Quartal und das Gesamtjahr, jedoch vorsichtige Prognosen für 2021. Lockdowns und die Knappheit an Impfstoffen bremsen vorübergehend die Kursfantasie des Sektors. Der Branchenverband VCI erwartet, dass sich die Nachfrage bei Chemikalien hierzulande nur langsam erholen wird. Erst Ende nächsten Jahres werde das Niveau von 2019 erreicht.

In diesem Umfeld mit Abnehmerbranchen, die von der Pandemie unterschiedlich stark betroffen sind, zählt der weltweit größte unabhängige Chemikalienhändler Brenntag zu den Favoriten der Börsianer. Christian Kohlpainter, seit Anfang vergangenen Jahres Chef des Konzerns aus Essen, will nach einer detaillierten Analyse der Strukturen im Unternehmen die Rendite nun deutlich steigern. Potenzial für höhere Marge bieten Chemikalien, deren Zusammensetzung und Liefermenge Brenntag den Anforderungen des jeweiligen Industriekunden anpasst.

Seit Jahresbeginn hat das Unternehmen das Geschäft mit zwei Bereichen neu aufgestellt: die Abteilung Essentials für das Massengeschäft sowie Specialities, die rund ein Drittel von geschätzten 11,8 Milliarden Erlös für das Jahr 2020 bringt. Die bisherige Organisation nach den vier Regionen Euro- pa, Nordamerika, Lateinamerika und Asien/Pazifik förderte die Kompetenzen des Händlers bisher offensichtlich nicht stark genug.

Auch Ilham Kadri, seit März 2019 Chefin des Spezialkonzerns Solvay, baut das belgische Familienunternehmen im großen Stil um. Zur Disposition stehen Bereiche, die rund acht Prozent des Umsatzes liefern. An der Börse kommen die Pläne gut an. Seit Ende Oktober legte die noch immer günstige Aktie deutlich zu.

Für ihr erstes Werk, das im Jahr 1863 in Charleroi in der Nähe von Brüssel den Betrieb aufnahm, hatten Alfred und Ernest Solvay ein eigenes Verfahren für Kaliumcarbonat entwickelt. Der Rohstoff wird bis heute zur Glasherstellung benötigt. Bei dem auch als Pottasche bekannten Grundstoff sind die Belgier bis heute Weltmarktführer.

Die Industrie erfindet sich neu

Solvays Kaliumcarbonat-Geschäft ist mit operativen Margen von mehr als 20 Prozent überdurchschnittlich profitabel und liefert hohe Mittelzuflüsse. Die Investitionen in die wichtigste Sparte Composite Materials wurden von 40 auf 60 Prozent des Gesamtbudgets erhöht. Das Ziel sind mehr innovative Produkte, etwa Membrane aus ionenleitenden Polymeren, die bei der Herstellung von Wasserstoff eingesetzt werden. Polymere der Belgier werden auch für Batterien in Elektro- und Hybridfahrzeugen benötigt. Sechs Kilogramm Spezialstoffe von Solvay werden in einem Auto mit herkömmlichem Motor verbaut, bei Stromern sind es acht, bei Autos mit Hybridantrieb sogar zwölf Kilogramm. Der Wandel in der Autobranche bietet Solvay viel Potenzial. Auch bei Flugzeugen werden Kunststoffe der Belgier im Leichtbau eingesetzt.

Für Chefin Kadri, die den Elan von Umweltaktivistin Greta Thunberg sehr schätzt, ist klar, dass sich die Chemieindustrie "neu erfinden muss". Als einer der großen Emittenten des Treibhausgases Kohlendioxid sei die Branche ein wesentlicher Teil des Problems Klimawandel. Weil die Chemiebranche jedoch auch die "Mutter aller Industrien" sei, müsse sie bei nachhaltigen Lösungen zur Entschärfung des Klimawandels eine "große Rolle" spielen, meint Kadri. Mit ihrer Neuaufstellung von Solvay will sie wirtschaftlichen Erfolg mit Umweltschutz und der Schonung von Ressourcen vereinen.
 


INVESTOR-INFO

Solvay

Mut zur Sparsamkeit

Mit geschätzt knapp zehn Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2020 zählt das belgische Familienunternehmen zu den Branchengrößen in Europa. Chefin Ilham Kadri, gebürtige Marokkanerin, ist der Überzeugung, dass man es sich nicht leisten könne, Ressourcen zu verschwenden. Nach diesem Motto richtet Kadri Solvay mit ehrgeizigen Wachstumszielen neu aus. Bei Analysten kommt das gut an. Die Aktie ist bei attraktiver Dividendenrendite vergleichsweise günstig.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 120,00 Euro
Stoppkurs: 73,00 Euro

BASF

Wachsende Dynamik

Im Schlussquartal fiel das Wachstum bei Umsatz und Gewinn beachtlich aus. Das Volumen stieg um acht Prozent auf 15,9 Milliarden Euro, das operative Ergebnis um 30 Prozent auf 1,11 Milliarden Euro - das übertraf die Erwartungen. Am 26. Februar gibt es den vollständigen Bericht sowie den Ausblick. Die Dividende für 2020 wird auf das Vorjahresniveau von 3,30 Euro taxiert, nach dem schwierigen Jahr eine starke Leistung. Kaufen.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 78,00 Euro
Stoppkurs: 52,00 Euro

Brenntag

Neue Struktur

Das Geschäft des weltweit größten konzernunabhängigen Chemikalienhändlers ist seit Jahresbeginn in die zwei Sparten Essentials und Specialties aufgeteilt. Essentials liefert zwei Drittel des Umsatzes. Für 2021 erwarten Analysten fünf Prozent Wachstum auf 12,4 Milliarden Umsatz sowie mit 502 Millionen Euro rund sieben Prozent mehr Gewinn. Aussichtsreich.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 85,00 Euro
Stoppkurs: 39,00 Euro