Der Hoffnungsträger Compleo stellt einen Insolvenzantrag. Daraufhin stürzt die Aktie ab. Was das bedeutet und was der Compleo CEO dazu sagt. Von Tobias Schorr
Um mehr als 80 Prozent sackt der Aktienkurs von Compleo ab: Der Dortmunder Hersteller von Ladestationen stellt einen Antrag zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung. Hohe Kosten drückten den Konzern in den vergangenen Monaten immer tiefer ins Minus. Zur Bekanntgabe der Zahlen zum dritten Quartal vor gerade mal etwas mehr als einem Monat, am 16. November, machte der Vorstand noch Hoffnung, dass sich vieles zum Besseren wendet. Damals sagte er: "Mit unserer umfassenden Strategie Compleo 3.0 sind wir zuversichtlich, dass wir uns zukünftig deutlich effizienter, kundenzentrierter und auch wettbewerbsfähiger aufstellen werden. Wir werden konsequent auf Liquidität, Profitabilität und Kosten schauen. Dies ist essentiell für unseren zukünftigen wirtschaftlichen Erfolg. Neben der Vielzahl an operativen Einsparpotentialen, die wir identifiziert haben, ist auch eine zusätzliche Außenfinanzierung zur Unterstützung der operativen Geschäftsabläufe eine Option, die wir uns näher anschauen." Nach den besser als erwarteten Zahlen und der Präsentation der neuen Strategie verdoppelte sich der Aktienkurs auf mehr als zehn Euro.
Wie Anleger reagieren sollten
Für viele kommt der Insolvenzantrag überraschend, weil die Bilanz nach neun Monaten nicht nach einer Insolvenz ausgesehen hat. So lag etwa die Eigenkapitalquote noch bei mehr als 50 Prozent. Von Unternehmensseite heißt es, dass potenzielle Investoren und Stakeholder nicht mit der entsprechenden Wahrscheinlichkeit kurzfristig zusätzliche Finanzierungsmittel zur Verfügung stellen würden und deswegen Zahlungsunfähigkeit drohe. Vor etwas mehr als zwei Jahren war Compleo an die Börse gegangen, schnell verdoppelte sich der Ausgabepreis von 49 Euro. In der Spitze zog der Titel bis auf rund 110 Euro an. Mit dem Antrag auf Insolvenz verkommt die Aktie für Anleger zum Spielball von Zockern. An der Börse wird künftig voraussichtlich lediglich noch eine leere Börsenhülle gehandelt. Deswegen sollten sie die Finger davon lassen.
Exklusiv-Interview mit Compleo-CEO Lohr
BÖRSE ONLINE: Herr Lohr, auf den ersten Blick sieht die Bilanz von Compleo gesund aus. Die Eigenkapitalquote liegt aktuell bei mehr als 50 Prozent. Warum mussten Sie dennoch Insolvenz anmelden?
Jörg Lohr: Sie haben Recht, der Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung ist nicht primär bilanziell getrieben. Jedoch haben wir ein Cash Problem. Jeden Monat verlieren wir ungefähr drei Millionen Euro. Entsprechend hätten wir ohne frisches Kapital nicht mehr lange durchgehalten. Rechtlich ließ sich die Antragstellung nicht mehr vermeiden.
Ist der Antrag mittlerweile bei Gericht?
Ja, wir haben den Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung eingereicht. Wir gehen davon aus, dass diesem stattgegeben und uns dann ein Sachwalter zur Seite gestellt wird.
Diesen auszuarbeiten braucht Zeit. Dann wussten Sie schon etwas länger, dass Sie Insolvenz anmelden müssen?
Parallel zu den Gesprächen mit möglichen Investoren haben wir den Antrag in den vergangenen Tagen ausgearbeitet. Als dann der letzte potenzielle Kapitalgeber die Zusage verweigerte, mussten wir tätig werden. Allerdings sind wir optimistisch, dass der Betrieb weitergeführt werden kann.
Für Aktionäre ist dies nur ein schwacher Trost. Übrig bleibt wohl eine leere Börsenhülle. Für Anleger bedeutet dies nahezu Totalverlust.
In der Tat ist der hohe Verlust für Aktionäre schlimm. Der neuen Geschäftsleitung blieb seit der Übernahme Anfang November wenig Zeit, um substanziell einzugreifen. Wir haben zwar Lagerbestände und Forderungen abgebaut. Leider hat die Zeit nicht ausgereicht gereicht, eine für alle beteiligten Partien sinnvolle Finanzierungsalternative vor Jahresende auszuhandeln. Allerdings sind wir guter Dinge, dass nicht nur eine leere Hülle übrig bleibt, sondern wir diese im Rahmen der Restrukturierung der nächsten Monate wieder mit Leben füllen können.