Analysten bezeichneten das elektrische Pendant zum Mercedes-Topmodell S-Klasse als echten "Tesla-Fighter", Daimler-Chef Ola Källenius erwähnte den absatzstärksten E-Autobauer aus Kalifornien zur Weltpremiere des neuen Daimler-Luxuswagens am Donnerstag nicht. Der EQS markiere den Beginn einer neuen Ära bei Mercedes-Benz, erklärte er. Trotz vieler Neuerungen im Design sei der fünf Meter lange EQS ein Mercedes durch und durch: "Es ist eine der Überraschungen, dass es keine Überraschung gibt." Das Interesse der Kunden an dem Auto sei sehr groß.

Die Analysten internationaler Banken ließ Daimler bereits hinter das Steuer des neuen Mercedes-Spitzenmodells. Viele zeigten sich danach überzeugt, dass den Schwaben mit dem EQS ein Coup gelingt. Das 2019 eingeführte erste neue Mercedes-Stromauto, das SUV EQC, blieb dagegen abgeschlagen gegenüber der Konkurrenz. "Daimler ist der Platzhirsch für Luxuslimousinen, was Fahrverhalten, Komfort und Opulenz in der Innenausstattung betrifft. Das werden sie auf Elektroautos übertragen können", sagte Jürgen Pieper, Autoanalyst vom Bankhaus Metzler.

Das Pendant zu dem im Herbst neu aufgelegten Flaggschiff-Modell S-Klasse mit Verbrennungsmotor ist im Reigen der neuen E-Autos von Mercedes-Benz das wichtigste Modell. Elektroautos werfen zunächst kaum oder keinen Gewinn ab, weil die Herstellungskosten hoch und die Stückzahlen vorerst viel geringer sind als die von Verbrenner-Pkw. Doch der EQS werde "aus dem Stand vernünftige Renditen" einfahren, sagte Källenius unlängst der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".

Gelingen soll das durch Kostensenkungen. Nach Einschätzung von Pieper wird es aber vor allem ein hoher Preis sein, der das Geld in die Kasse spült. Der Wagen werde sicher noch mehr kosten als die S-Klasse. Pieper tippt auf mindestens 150.000 Euro. Der Preis wird erst kurz vor dem Verkaufsstart im August in Europa und den USA bekannt. Dass der EQS nur wenig später als die S-Klasse startet, birgt für ihn auch Risiken, denn es geht um die gleiche betuchte Kundenschicht. "Es wird sicher einen Kannibalisierungseffekt des EQS gegenüber der S-Klasse geben", sagte Pieper.

EQS EIN "TESLA-FIGHTER"


Mit einer Reichweite von 770 Kilometern und der Schnelllademöglichkeit werde Daimlers EQS der wichtigste Herausforderer von Tesla, erklärte Kai Alexander Müller, Autoanalyst von Barclays. Die für dieses Jahr angekündigte zweite Generation von Teslas Konkurrenzmodell Model S kommt 660 Kilometer weit, ohne Strom nachladen zu müssen. Die Deutsche Bank nannte das Luxusauto denn auch "Tesla Fighter" und "Game Changer", nicht nur für Mercedes, sondern für die gesamte deutsche Autoindustrie. "Das Auto setzt Maßstäbe mit Technik, Design und Qualität", schriebe Autoanalyst Tim Rokossa. Der EQS demonstriere, dass die traditionellen Hersteller die Umstellung auf Elektromobilität schafften.

Drei weitere Investmentbanken - HSBC, RBC und UBS - erhöhten am Premierentag ihre Kursziele für die Daimler-Aktie auf bis zu 90 Euro. Barclays setzte die Latte noch höher auf 100 Euro. Derzeit rangiert das im Dax notierte Daimler-Papier bei knapp 76 Euro. In den vergangenen Monaten waren Aktien der deutschen Autobauer schon stark im Auftrieb, nachdem sie lange unter dem VW-Dieselskandal und Zweifeln an ihrer Wandlungsfähigkeit zu emissionsfreien Fahrzeugen gelitten hatten. Denn Marktführer Volkswagen untermauerte seine Entschlossenheit zum Umsteuern mit dem Plan, sechs Giga-Batteriefabriken in Europa zu bauen. Auch BMW macht Tempo.

Die Landesbank Baden-Württemberg prognostizierte, dass der Absatzanteil von E-Autos von zuletzt gut zehn Prozent in Europa bis zum Ende der Dekade auf 60 Prozent steigt. Auch Mercedes halte einen schnelleren Hochlauf für möglich als bisher gedacht, bekräftigte Vertriebschefin Britta Seeger.

rtr