Nach drei Jahren Baisse gibt es Anzeichen für ein Comeback der Wachstumsaktien. BÖRSE ONLINE stellt die 30 besten vor.

Erst Corona, dann Krieg, Inflation und Rezession: Die Börse kommt nicht zur Ruhe. Das zeigt sich deutlich in der Rangliste „Deutschlands wahre Wachstumswerte“, die BÖRSE ONLINE seit 2004 jedes Jahr erstellt. Nur 16 der 30 Unternehmen konnten ihren Platz behaupten. 14 Aktiengesellschaften mussten wegen gesunkener Gewinne oder Analystenschätzungen ausgetauscht werden.

Aber nicht nur Enttäuschungen, sondern auch etliche aufgehende Sterne am deutschen Wachstumshimmel sind dafür verantwortlich, dass die 20. Auflage unserer Rangliste komplett anders aussieht als die 19. Der höchste Neueinsteiger PVA Tepla stürmt von null auf Platz 2. Der Spezialist für Kristallzuchtanlagen, die in der Solar- und Halbleiterindustrie benötigt werden, steigerte den Gewinn je Aktie zwischen 2016 und 2023 von 0,13 auf 1,12 Euro. Laut Analystenschätzungen wird es in diesem und im nächsten Jahr in dem Stil weitergehen. Für 2025 erwarten die Experten ein Ergebnis von 1,43 Euro je Anteilschein. Das entspricht einer Verelffachung im von der Redaktion untersuchten Zehnjahreszeitraum und somit einem Gewinnwachstum von 36 Prozent p. a.

Zurzeit leidet das Unternehmen, das auch Vakuum- und Messtechnik anbietet, unter Streitereien mit Stimmrechtsberatern über die Besetzung des Aufsichtsrats, weshalb die eigentlich für den 26. Juni geplante Hauptversammlung verschoben werden musste. Die daraus resultierende Kursschwäche könnte eine gute Einstiegsgelegenheit sein — immer unter der Voraussetzung, dass das operative Geschäft nicht unter den Nebengeräuschen leidet und die Schätzungen der Analysten eingehalten werden können.

Noch schneller als Neuling PVA Tepla wächst nur 2G Energy mit einer jährlichen Gewinnsteigerungsrate von 43 Prozent. Der Spezialist für umweltfreundliche Heiztechnik (unter anderem mit Wärmepumpen) hatte schon im vergangenen Jahr den Sprung in unsere Rangliste geschafft, damals auf Platz 5. Mit starken Auftragseingängen und Zahlen, die zum Teil deutlich über den Erwartungen lagen, erobert 2G diesmal die Poleposition.

Während sich in vielen anderen Branchen das Wachstum konjunkturbedingt abschwächt, heizt das Unternehmen mit Sitz im nordrhein-westfälischen Heek der Konkurrenz so richtig ein. 2G ist nicht nur Spitzenreiter der 2024er-Tabelle, sondern auch das fünfte Unternehmen, dem es voraussichtlich gelingt, den Gewinn in unserem Betrachtungszeitraum von 2016 bis 2025 Jahr für Jahr zu steigern — ohne einen einzigen Ausrutscher. Das gelang bisher nur Wachstumsklassikern wie Atoss Software, Bechtle, Mensch und Maschine sowie Nexus, die bereits seit vielen Jahren in unserer Top-30-Tabelle vertreten sind.

Sie alle müssen sich diesmal mit Mittelfeldplätzen begnügen, während der Halbleiterspezialist Elmos Semiconductor und die beliebte Heimwerkermarke Einhell gegenüber dem Vorjahr Boden gutmachen konnten. Bemerkenswerterweise hält sich auch der Sportartikelhersteller Puma in den Top 5 — trotz eines verpatzten Auftaktquartals. Analysten trauen den Franken trotz der aktuellen Schwächephase im nächsten Jahr ein neues Rekordergeb- nis von mehr als 16 Euro je Aktie zu.


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Überraschend schafften es zwei Unternehmen, die bisher kaum jemand auf der Rechnung hatte, in die Top Ten: Der Lkw-Zulieferer SAF-Holland und M1 Kliniken, eine vornehmlich auf Schönheitsoperationen fokussierte Krankenhauskette. Nicht weniger erstaunlich ist der Neueinstieg der Porsche Holding auf Platz 12. Das Unternehmen, dessen Vermögen vornehmlich aus VW-Stammaktien besteht, steigerte den Gewinn etwas stärker als die Schwesterfirma aus Wolfsburg, die es nur denkbar knapp nicht in die Rangliste schaffte, weil die Gewinnsituation wegen der von der EU beschlossenen Strafzölle für chinesische E-Autos unklar ist.

Auffällig ist die Häufung der Versicherungswerte: Talanx zählte bereits vor Jahresfrist zu den wachstumsstärksten deutschen Unternehmen, mit Munich Re, Hannover Rück und MLP gesellen sich nun drei weitere Branchenvertreter hinzu. Und während die Chemieindustrie in den vergangenen Jahren mit schrumpfenden Gewinnen zu kämpfen hatte, mauserten sich mit Alzchem und Brenntag zwei hochspezialisierte Unternehmen aus der Branche zu heimlichen Wachstumsstars.

Für das Wikifolio-Zertifikat mit der WKN LS9GJP, das die 30 am schnellsten wachsenden deutschen Unternehmen investierbar macht, bedeuten die zahlreichen Wechsel in der Rangliste wie schon in den Vorjahren erhebliche Umschichtungen. Die prominentesten Absteiger sind mit Sicherheit SAP und Infineon. Die zwei DAX-Klassiker werden in diesem Jahr voraussichtlich weniger verdienen als 2023. Da die Redaktion nur Unternehmen in die Liste aufnimmt, die im Zehnjahreszeitraum von 2016 bis 2025 maximal zwei Gewinnrückgänge verkraften müssen, haben die beiden Tech-Granden ausgespielt.

Ebenfalls nicht mehr in den Top 30 — und damit auch nicht mehr im Wikifolio — sind die DAX-Konzerne MTU Aero Engines und Deutsche Börse. MTU hat im Jahr 2023 einen Verlust von 1,90 Euro je Aktie ausgewiesen und wird daher vor 2033 keine Chance mehr auf eine Rückkehr in unsere Wachstumsrangliste haben. Denn Profitabilität ist oberstes Gebot. Nur Unternehmen, die im untersuchten Zehnjahreszeitraum nie Verluste gemacht haben, erfüllen die strengen Kriterien für eine Aufnahme. 

Dass SAP nicht nur die Rangliste, sondern auch das zugehörige Wikifolio verlassen muss, schmerzt ein wenig, denn die Aktie hat gerade einen Lauf. Als Trost bleibt ein Gewinn von rund 47 Prozent hängen. Leider entwickelten sich nicht alle Absteiger so positiv. Cliq Digital, im Vorjahr noch Spitzenreiter unserer Auswertung, hat auf ganzer Linie enttäuscht und musste nach desaströsen Zahlen mit mehr als 60 Prozent Verlust das Wikifolio vorzeitig verlassen. Offenbar waren hier sowohl das Management als auch die Analysten um Längen zu optimistisch.

Da Wachstumsaktien schwerpunktmäßig in der zweiten und dritten Börsenliga zu Hause sind, geriet das Jahr für das Wikifolio einmal mehr zur Nullrunde. Gewinne und Verluste halten sich in etwa die Waage, ähnlich wie beim Referenzindex MDAX, der auf lange Sicht noch etwas schwächer abschnitt als die von BÖRSE ONLINE ermittelten Wachstumsstars. Immerhin mehren sich inzwischen die Anzeichen, dass sich die Baisse im Nebenwertesegment dem Ende zuneigt, entsprechende Fonds verzeichnen wieder Mittelzuflüsse. Wie steil es in normalen Märkten mit den wachstumsstärksten deutschen Aktien nach oben gehen kann, zeigte sich im Jahr 2021, als das Wikifolio um mehr als 30 Prozent zulegte.

Dieser Artikel erschien zuerst in BÖRSE ONLINE 28/2024. Hier erhalten Sie einen Einblick ins Heft

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