Die Furcht vor den wirtschaftlichen Folgen weiterer drastischer Zinserhöhungen und das durchwachsene Debüt des Sportwagenbauers Porsche schickt Europas Börsen auf Talfahrt. Dax und EuroStoxx50 fielen am Donnerstag um jeweils etwa 1,5 Prozent auf 12.006 beziehungsweise 3288 Punkte.

"Selten habe ich eine derart schlechte Stimmung beobachtet", sagte Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com. Die gute Nachricht sei, dass dies ein nahendes Ende des Ausverkaufs signalisiere. Die schlechte Nachricht dagegen sei, dass der Zeitpunkt der Trendwende ebenso unklar sei wie das Ausmaß der Blessuren in den Depots der Anleger.

Nervös machten Investoren die einlaufenden Inflationsdaten der Bundesländer. So erreichte die Teuerung in Nordrhein-Westfalen mit 10,1 Prozent den höchsten Stand seit Anfang der 1950er Jahre. Am frühen Nachmittag werden die Zahlen für Gesamtdeutschland vorgelegt. Experten erwarten für September eine Rate von 9,4 Prozent zum Vorjahresmonat. "Die Preisspirale hat noch nicht an Dynamik verloren, zumal die Erzeugerpreise weiter explodieren und eine weiter steigende Inflation vermuten lassen", sagte Analyst Christian Henke vom Brokerhaus IG.

ERNEUTER AUSVERKAUF BEI ANLEIHEN - EURO SCHWÄCHELT EBENFALLS

Vor diesem Hintergrund prognostizieren die führenden Forschungsinstitute ein deutlich höheres Zinserhöhungstempo der Europäischen Zentralbank (EZB) als bislang gedacht. Außerdem sei eine Rezession in Deutschland unausweichlich. Investoren rechnen für die EZB-Sitzung Ende Oktober mehrheitlich mit einer Anhebung um 0,75 Prozentpunkte. Die Wahrscheinlichkeit eines Schritts um einen vollen Prozentpunkt taxieren sie auf etwa 40 Prozent.

Daher flogen bereits gehandelte, niedriger verzinste Staatsanleihen aus den Depots. Dies trieb die Rendite der zehnjährigen Bundestitel wieder in Richtung ihres jüngsten Elf-Jahres-Hochs von 2,352 Prozent.

Der Euro konnte von den Zinserhöhungsspekulationen nicht profitieren und verlor 0,8 Prozent auf 0,9659 Dollar. Er leide unter der Energiekrise und der Verunsicherung im Zusammenhang mit der mutmaßlichen Sabotage an Erdgas-Pipelines in der Ostsee, sagte Commerzbank-Analystin Esther Reichelt. Außerdem bezweifelten Börsianer, dass die EZB angesichts der drohenden Rezession ihre Geldpolitik ähnlich deutlich straffen werde wie die US-Notenbank Fed.

An den Rohstoffmärkten waren die Konjunkturpessimisten ebenfalls in der Überzahl. Dadurch verbilligten sich die Rohöl-Sorte Brent aus der Nordsee, der europäische Erdgas-Future und Kupfer um bis zu 2,5 Prozent auf 87,92 Dollar je Barrel (159 Liter), 195,50 Euro je Megawattstunde beziehungsweise 7353 Dollar je Tonne.

PORSCHE KOMMT BEIM BÖRSENDEBÜT NUR LANGSAM IN SCHWUNG

Am Aktienmarkt drehte sich unterdessen alles um den Börsengang der Porsche AG: Die Titel des Sportwagenbauers erschienen mit 84,00 Euro erstmals auf der Kurstafel, fielen dann aber binnen Minuten auf den Ausgabepreis von 82,50 Euro zurück. Im Verlauf des Vormittags arbeiteten sie sich auf 84,98 Euro vor. "Das ist heute nicht gerade ein Traum-Umfeld für einen Börsengang", sagte Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Vermögensberater QC Partners. "Das macht es schwierig, Zeichnungsgewinne zu erzielen." Dies brockte den Porsche AG-Großaktionären Volkswagen und Porsche SE Kursverluste von knapp fünf beziehungsweise gut acht Prozent ein.

Die Papiere von Rational steuerten dagegen mit einem Plus von fast 14 Prozent auf den größten Tagesgewinn seit 21 Jahren zu. Dank einer Entspannung bei der Versorgung mit Zuliefer-Teilen hob der Großküchen-Ausrüster seine Gesamtjahresziele an. "Das ist eine riesige Überraschung", sagte ein Börsianer. Besonders positiv sei die angehobene Margenprognosen. Außerdem seien die vorläufigen Zahlen für das dritte Quartal besser ausgefallen als erwartet.

Von Reuters