Die harte Haltung der US-Notenbank in ihrem Kampf gegen die Inflation schlägt Europa-Anlegern auf den Magen. Dax und EuroStoxx50 fielen am Donnerstag zunächst um jeweils knapp zwei Prozent, konnten ihre Verluste dann aber eingrenzen.
Am späten Vormittag notierten sie noch 0,3 Prozent im Minus bei 12.732 beziehungsweise 3480 Punkten. Der Euro geriet ebenfalls unter Druck und war mit 0,9807 Dollar zeitweise so billig wie zuletzt vor 20 Jahren.
Kopfschmerzen bereite Investoren nicht die dritte Anhebung des Leitzinses um 0,75 Prozentpunkte in Folge, sagte Analyst Christian Henke vom Brokerhaus IG. "Vielmehr hat die Angst vor einer harten Landung der US-Wirtschaft die Marktteilnehmer verschreckt." Denn die ungewöhnlich aggressiven Zinserhöhungen der Fed machten eine Rezession unausweichlich. "Wir müssen die Inflation hinter uns bringen", hatte Fed-Chef Jerome Powell am Mittwoch unter anderem gesagt. "Ich wünschte es gebe einen schmerzlosen Weg, dies zu tun. Den gibt es nicht.
SNB HEBT LEITZINS EBENFALLS AN - WARTEN AUF BOE
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) folgte dem Vorbild von Fed und Europäischer Zentralbank (EZB) und hob den Leitzins ebenfalls um 0,75 Prozentpunkte an. "Die SNB verfährt nach dem Motto: 'Wehret den Anfängen'", sagte Volkswirt Brian Mandt von der Luzerner Kantonalbank. Schließlich sei die Inflation bei den Eidgenossen im internationalen Vergleich moderat. Der Schweizer Währung gab die im Rahmen der Erwatungen ausgefallene Zinsentscheidung keinen Schub. Stattdessen verteuerten sich Dollar und Euro auf 0,9727 beziehungsweise 0,9609 Franken.
Daneben richteten sich die Augen auf die Bank von England (BoE), die ebenfalls über ihre Geldpolitik beriet. Experten erwarten einen ähnlich großen Zinsschritt wie bei Fed und SNB. "Im Vergleich zur hartnäckig hohen Inflation ist eine Rezession das kleinere Übel", sagte Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com. Dennoch fiel das Pfund Sterling um bis zu 0,5 Prozent auf ein 37-1/2-Jahres-Tief von 1,1210 Dollar. Besserung sei auch nach einer Zinserhöhung nicht Sicht, sagte Commerzbank-Analystin Esther Reichelt. "Der trübe Wachstumsausblick, steigende Staatsschulden und das hohe Leistungsbilanzdefizit sprechen dafür, dass der Abwertungsdruck erst einmal anhält."
Die Bank von Japan (BoJ) wich dagegen nicht von ihrer Niedrigzinspolitik ab. Um die Talfahrt der Landeswährung zu stoppen, intervenierte sie allerdings der japanischen Regierung zufolge erstmals seit 1998 wieder am Devisenmarkt. Daraufhin fiel der Dollar auf 142,08 Yen, nachdem er zuvor auf ein 24-Jahres-Hoch von 145,89 Yen gestiegen war.
ZINSERHÖHUNGSSPEKULATIONEN SETZEN TECHNOLOGIEWERTEN ZU
Wegen der Zinserhöhungsspekulationen gerieten vor allem Technologie- und Internetfirmen unter die Räder. Höhere Zinsen entwerten Experten zufolge zukünftige Gewinne dieser wachstumsstarken Firmen. Dies brockte dem Online-Modehändler Zalando, dem Kochbox-Versender HelloFresh oder dem Essenslieferanten Delivery Hero Kursverluste von bis zu 4,5 Prozent ein. Der europäische Branchen-Index büßte zeitweise 2,6 Prozent ein.
Noch härter traf es Suse: Die Aktien des Linux-Spezialisten fielen trotz eines Gewinnanstiegs um bis zu 34 Prozent auf ein Rekordtief von zwölf Euro. Das ist der größte Kurssturz seit dem Börsengang vor rund eineinhalb Jahren. Der operative Gewinn habe die Erwartungen zwar übertroffen, kommentierte Analyst Charles Brennan von der Investmentbank Jefferies. Allerdings seien die Auftragsprognosen zurückgegangen, vor allem im Kerngeschäft.
Von Reuters