Aus Furcht vor weiteren drastischen Zinserhöhungen und einem wirtschaftlichen Abschwung ziehen sich Anleger aus Europas Börsen zurück. Dax und EuroStoxx50 fielen am Freitag um jeweils mehr als 1,5 Prozent auf 12.707 beziehungsweise 3484 Punkte und der Euro büßte 0,5 Prozent auf 0,9953 Dollar ein.
Staatsanleihen flogen ebenfalls aus den Depots. Dies trieb die Rendite der zehnjährigen Bundestitel auf ein Drei-Monats-Hoch von 1,817 Prozent. Die zweijährigen Papiere rentierten mit 1,594 Prozent so hoch wie zuletzt vor elf Jahren.
Geschürt wurden die Sorgen der Investoren von den jüngsten Rezessionswarnungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank. Nicht einmal ermutigende Konjunkturdaten aus China könnten derzeit die Stimmung nachhaltig aufhellen, sagte Anlagestratege Michael Hewson vom Brokerhaus CMC Markets. Die Einzelhandelsumsätze der Volksrepublik stiegen im August überraschend deutlich um 5,4 Prozent im Jahresvergleich. Der Anstieg der Industrieproduktion fiel mit 4,2 Prozent ebenfalls höher aus als erwartet.
Die britischen Einzelhandelsumsätze fielen dagegen überraschend stark um 1,6 Prozent. "Das deutet ganz klar auf eines hin: Eine nahende Rezession", sagte Naeem Aslam, Chef-Marktanalyst des Brokerhauses AvaTrade.
FEDEX-AUSBLICK SCHÜRT REZESSIONSÄNGSTE
Bestätigt sahen sich die Konjunkturpessimisten außerdem von den Zahlen des US-Paketdienstes FedEx. Dieser kassierte unter Hinweis auf die Abkühlung der Konjunktur seinen Ausblick. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir in den kommenden Tagen ähnliche Aussagen von anderen Unternehmen hören werden", warnte AvaTrade-Experte Aslam. FedEx-Aktien brachen im vorbörslichen US-Geschäft um fast 20 Prozent ein, so stark wie seit mindestens 41 Jahren nicht mehr. Der Rivale UPSUPS.N büßte sieben Prozent ein. Diesem Sog konnten sich europäische Konkurrenten nicht entziehen. So fielen die Titel der Deutschen PostDPWGn.DE um bis zu 7,6 Prozent auf ein Zwei-Jahres-Tief von 33,05 Euro. Diejenigen der Österreichischen Post gaben 2,7 Prozent nach.
Logistik-Konzerne wie Kühne+Nagel oder die Reedereien Hapag-Lloyd und Moeller Maersk gerieten ebenfalls unter Druck und büßten bis zu acht Prozent ein. Die Zahlen von FedEx ließen sich auf diese Firmen zwar nicht eins zu eins übertragen, sagte Analyst Ole Hansen von der Saxo Bank. Sie bestätigten aber einen Abschwung der Weltwirtschaft und drohende Rezessionen in Amerika und Europa.
ROHSTOFFPREISE GEBEN NACH - GERINGERE NACHFRAGE ERWARTET
An den Rohstoffmärkten war das Thema Rezession ebenfalls präsent. Neben den Zinserhöhungen setzten die anhaltenden Coronavirus-Beschränkungen in China ein Fragezeichen hinter die Nachfrage-Aussichten, sagte Analyst Edward Moya vom Brokerhaus Oanda. Daher verbilligte sich Kupfer um 1,5 Prozent auf 7615 Dollar je Tonne.
Parallel dazu gab der europäische Erdgas-Future1 7,6 Prozent auf 196 Euro je Megawattstunde nach. Hier nutzten Anleger die jüngste Rally zu Gewinnmitnahmen. In den vergangenen Tagen hatte der Terminkontrakt zeitweise 28 Prozent zugelegt.
Die Rohöl-Sorte Brent aus der Nordsee verteuerte sich dagegen um 0,3 Prozent auf 91,13 Dollar je Barrel (159 Liter). Dies sei aber nur eine Reaktion auf vorangegangene Kursverluste, sagte ein Börsianer. Wegen der trüben Konjunkturaussichten müsse mit weiteren Rückgängen gerechnet werden.
Von Reuters