Der Chef des Essenslieferdienstes Delivery Hero, Niklas Östberg, will trotz der steigenden Inflation und der geopolitischen Unsicherheiten weiterhin im kommenden Jahr in die schwarzen Zahlen kommen. "Wir sind sehr gut unterwegs bei unserem Weg in die Profitabilität", sagte Östberg am vergangenen Donnerstag auf der virtuellen Hauptversammlung des Berliner Unternehmens. Um einen Betriebsgewinn auf Konzernebene zu erzielen, muss Delivery Hero jedoch noch einige Steine aus dem Weg räumen: 2021 stand ein Verlust von knapp 1,1 Milliarden Euro in der Bilanz.
"Umsatzwachstum alleine reicht uns schon länger nicht mehr, es müssen endlich Gewinne eingefahren werden", forderte Nachhaltigkeitsspezialistin Cornelia Zimmermann vom Delivery Hero-Investor Deka Investment. Es sei an verschiedenen Stellschrauben gedreht worden, um dieses Ziel zu erreichen, sagte Finanzchef Emmanuel Thomassin. Dazu gehörten Mindestbestellmengen und dynamische Liefergebühren abhängig von Wetter und Nachfrage sowie eine bessere Auslastung der Lieferflotte.
Weiterhin keine Dividende
Nach einer drastischen Aktien-Talfahrt musste Delivery Hero den deutschen Leitindex DAX nach weniger als zwei Jahren wieder verlassen. Durch den DAX-Abstieg ändere sich nichts am Geschäftsmodell, zitiert Reuters Thomassin. Dies beinhaltet auch den Verzicht auf eine Dividende. Wenn Delivery Hero Gewinne erziele, würden diese in das Wachstum reinvestiert oder zum Abbau der Schulden genutzt, stellte der Finanzchef in Aussicht.
Delivery Hero profitiert davon, dass sich Menschen rund um den Globus in der Corona-Krise daran gewöhnt haben, ihre Mahlzeiten online zu bestellen und sie sich nach Hause bringen zu lassen. Inzwischen liefert das Unternehmen nicht mehr nur Restaurantessen, sondern liefert in vielen Ländern auch Lebensmittel und andere Waren aus, benötigt dafür allerdings ein engmaschiges Lagernetz, was viel Geld kostet. Um die Kosten in den Griff zu bekommen, hat sich Delivery Hero nach einem kurzes Intermezzo wieder aus dem deutschen Markt zurückgezogen.
Einschließlich der geplanten Übernahme des spanischen Konkurrenten Glovo ist Delivery Hero nach eigenen Angaben in 74 Ländern aktiv. Die Akquisition soll laut Östberg Anfang des dritten Quartals über die Bühne gehen. Danach will Delivery Hero einen neuen Ausblick abgeben.
Branche in schwierigem Fahrwasser
Geht es nach den Analysten, stehen die Prognosen aller europäischen Essenslieferdienste wegen der hohen Inflation und steigenden Zinskosten auf der Kippe. Nach Einschätzung der Analysten von JPMorgan dürften die Firmen in der zweiten Jahreshälfte gezwungen sein, ihre Ausblicke zu stutzen, schrieb Analyst Marcus Diebel am Montag in einer Studie. Sie seien bisher noch nicht dem Stresstest einer Rezession ausgesetzt gewesen. Die Verbraucher hätten weniger Geld in der Tasche und bestellten deswegen seltener. Hinzu kämen die starken Vergleichsmonate aus dem Vorjahr.
In Großbritannien rechnen viele Experten mit einer Stagnation der Wirtschaft im kommenden Jahr und in der Euro-Zone lag die Preissteigerung im abgelaufenen Montag bei 8,1 Prozent. In der Corona-Krise gehörten Essenslieferdienste wie Delivery Hero, Lieferando-Eigner Just Eat Takeaway und der britische Anbieter Deliveroo zu den Profiteuren.
Magere Aussichten
Den Gewinnrisiken bei Delivery Hero und dem Wettbewerber Just Eat Takeaway stünden aber attraktive Bewertungen und eine Portion Übernahmepotenzial gegenüber. Für besonders verwundbar hält Diebel indes Deliveroo, die er daher auf "Underweight" abstufte. Er begründet dies im besonders hart umkämpften Markt in Großbritannien mit dem längsten Weg zur Konzernprofitabilität. Das Kursziel für Deliveroo schraubet er von 94 auf 81 Pence zurück. Am Dienstag-Vormittag notiert der Wert in London bei 83,13 Pence (0,95 Euro).
Das Kursziel für Just Eat Takeaway senkte der Analyst von 1.758 auf 1.446 Pence (aktuell 1.534 Pence), die Einstufung blieb auf "Underweight". Das Kursziel für Delivery Hero senkte Diebel von 34,00 auf 31,20 Euro bei einer neutralen Einstufung. Am Dienstag-Vormittag notiert die Aktie von Delivery Hero bei gut 37 Euro.
Einschätzungen zur Delivery-Hero-Aktie
Auch die DZ Bank sieht für Delivery Hero kaum Potenzial. Analyst Manuel Mühl blieb bei seiner "Halten"-Einschätzung und einem fairen Wert von 32 Euro je Aktie. "Auch wenn die Branche aufgrund des aktuellen Marktumfelds unter Druck steht, so hat Delivery Hero leider durch seine bisweilen erratische Kapitalmarktkommunikation selbst zum DAX-Abstieg beigetragen", schrieb Mühl in aktuellen Studie. In den nächsten Jahren dürfte es zu einer erheblichen Konsolidierung kommen. Der Essenslieferant müsse diese nutzen und den Fokus auf die Profitabilität legen, damit das Vertrauen zurückkehre.
BÖRSE ONLINE steht den Aktien der Essens- und Lebensmittel-Lieferanten ebenfalls skeptisch gegenüber und rät von einem Kauf der Aktien ab.
mmr mit rtr und dpa