Amerikanische Unternehmen werden 2025 so viel Geld wie noch nie für den Kauf eigener Aktien ausgeben. Auch deutsche Unternehmen kommen auf den Geschmack. Wie Börsianer profitieren.

Eine gewaltige Summe: 1070 Milliarden Dollar werden die amerikanischen Topkonzerne nach Schätzung der Investmentbank Goldman Sachs im kommendenJahr für den Kauf eigener Aktien ausgeben. Erstmals würden die Mitglieder des Aktienindex S&P 500 mit diesem Instrument die Billionen-Schwelle überschreiten. Mehr als ein Viertel des Gesamtbudgets würde damit in dieses durchaus umstrittene Instrument fließen. Größter Etatposten dürften mit 1,15 Billionen Dollar die Investitionen bleiben.

Der gierigste Rückkäufer bleibt Apple: Allein über die vergangenen zwölf Monate hat der iPhone-Hersteller laut Bloomberg-Datenbank für 91 Milliarden Dollar eigene Papiere vom Markt gesaugt. Und es geht weiter: Im Mai kündigte der Konzern Rückkäufe im Wert von 110 Milliarden Dollar an. Zur Orientierung: Ein Unternehmen mit diesem Börsenwert wäre unter den größten 100 im S&P 500, im DAX sogar auf dem sechsten Platz. Apple kann sich großzügige Rückkäufe leisten. Der Konzern wird im kommenden Geschäftsjahr laut Analystenkonsens 112 Milliarden Dollar netto verdienen. Hinzu kommen die Cashreserven.

Big Tech ist auch bei Rückkäufen ganz groß: Alphabet, Meta, Nvidia und Microsoft kauften zuletzt für insgesamt 120 Mil- liarden Dollar eigene Aktien zurück. Auch die amerikanischen Banken klotzen: Für 19 Milliarden Dollar kaufte Wells Fargo über die vergangenen zwölf Monate eigene Aktien, JP Morgan für 17 Milliarden.

S&P Aktien-Rückkäufe
S&P Aktien-Rückkäufe

Europas Riesen

In Europa sind vor allem die Ölkonzerne aktiv. Shell, BP und Totalenergies gaben laut Bloomberg über die vergangenen zwölf Monate zusammen 40 Milliarden Dollar aus. Besonders aktiver Rückkäufer im DAX ist Mercedes-Benz Group. Die Schwaben geben derzeit täglich rund fünf Millionen Euro für eigene Stücke aus. Das ist Teil des im April angekündigten Plans, bis spätestens März 2025 bis zu drei Milliarden Euro auszugeben. Das nominell größte Programm im DAX hat Siemens ausgerufen mit einem Volumen von bis zu sechs Milliarden Euro, das aber bis 2029 gestreckt werden kann. Eiliger hat es SAP. Der Softwarekonzern will bis Ende 2025 bis zu fünf Milliarden Euro in eigene Aktien stecken. 

Unter den kleineren Unternehmen in Deutschland fällt Daimler Truck auf. Bis zu zwei Milliarden Euro hat der Konzern für Rückkäufe eingeplant. Die erste Hälfte wurde abgeschlossen. Seit September läuft die zweite Tranche, über die innerhalb eines Jahres ebenfalls eine Milliarde Euro umgesetzt werden soll.

Die Gründe für den Kaufrausch von Aktien

Was ist der Grund für den Kaufrausch? Wenn die Zahl der Aktien sinkt, wird der Bilanzgewinn künftig über weniger Papiere verteilt. Das müsste den Wert der verbliebenen Papiere steigern. Rückkäufe werden meist parallel zur Dividende zu einem Instrument, um Aktionäre am wirtschaftlichen Erfolg zu beteiligen. Das funktioniert nur, wenn ein Programm sinnvoll umgesetzt wird. Wichtig ist, dass ein Unternehmen nur dann Geld für Rückkäufe ausgibt, wenn alle notwendigen Investitionen finanziert sind und die Verschuldung auf einem normalen Maß ist. Zugleich müssen die Aktien dauerhaft aus dem Verkehr gezogen werden.

Ein besonders schlimmer Fehler: Vor allem in zyklischen Branchen starten Unternehmen in Boomphasen, wenn die Gewinne und auch der Aktienkurs hoch sind, Rückkaufprogramme. In der nächsten Krise, wenn die Gewinne einbrechen und die Aktien billig sind, werden die Rückkäufe dann eingestellt. 

Vor einer Bewährungsprobe steht Mercedes-Benz. Das Umfeld für die Automobilbranche ist extrem schwierig. Neben den Rückkäufen muss der Konzern die Dividende finanzieren, eine der höchsten im DAX. Positives Beispiel ist Munich Re. Der Versicherungskonzern hat seit dem Jahr 2006 mehr als 40 Prozent seiner Aktien aus dem Verkehr gezogen. Nur zwei Mal, während der europäischen Finanzkrise und der Pandemie, verzichteten die Münchner auf Rückkäufe. In beiden Fällen war der Anlass eine schwere Krise, die nicht vom Konzern ausging. Im Schnitt hat Munich Re für seine Rückkäufe nach eigener Berechnung 163 Euro pro Stück gezahlt — heute steht der Aktienkurs rund drei Mal so hoch.

BASF mit Vorbildfunktion bei Aktienrückkäufen?

Auf andere Art zum Vorbild könnte BASF werden. Das letzte Rückkaufprogramm des Chemiekonzerns war ein Flop. Die Ludwigshafener starteten kurz vor dem russischen Angriff auf die Ukraine, dessen Wellen die Chemiebranche unter anderem über steigende Energiepreise besonders hart getroffen haben. Jetzt hat BASF die Eckpfeiler seiner Ausschüttungspolitik geändert. Die Mindestdividende wurde deutlich gesenkt, im Gegenzug soll es spätestens ab 2027 regelmäßig Rückkäufe geben. Wird das so umgesetzt, würde ein Teil des bislang für die Dividende eingeplanten Geldes in Aktienrückkäufe umgeschichtet. Damit nähert sich der Konzern amerikanischen Verhältnissen an.

Die etwas andere Dividende

In den USA haben Aktienrückkäufe im Vergleich zur Dividende einen höheren Stellenwert. Im kommenden Jahr dürften im S&P 500 laut Goldman Sachs 711 Milliarden Dollar ausgeschüttet werden, also weniger als in Rückkäufe fließt. Die Divi- dendenrendite des großen US-Aktienindex liegt aktuell etwa zwei Prozentpunkte unter der des DAX. Hinzu kommen beim S&P 500 aber rund zweieinhalb Prozentpunkte über Rückkäufe. Auf diesem Weg verschaffen sich amerikanische Unternehmen mehr Flexibilität, weil sich Rückkäufe in Krisenzeiten geräuschloser reduzieren lassen als die Dividende.

Auf lange Sicht haben sich die Aktien der Rückkäufer besser entwickelt als der breite US-Markt. Das dürfte daran liegen, dass sich nur Unternehmen mit einem zuverlässigen Geschäftsmodell kontinuierliche Rückkäufe leisten können.

Aktien-Rückkäufe Kurspotential

Dieser Artikel erschien zuerst in BÖRSE ONLINE 44/24. Hier erhalten Sie einen Einblick ins Heft

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