Zinsen nochmal rauf oder nicht? Was die EZB auf ihrer Sitzung am Donnerstag entscheidet.
Tut sie es oder tut sie es nicht: Die Frage, ob die Europäische Zentralbank (EZB) auf ihrer Sitzung am kommenden Donnerstag ein weiteres Mal die Zinsen anhebt, beschäftigt die Börse. Seit Mitte vergangenen Jahres haben die Währungshüter mit einer beispiellosen Serie von Zinsanhebungen versucht, die aus dem Ruder gelaufene Inflation wieder einzudämmen. Das ist teilweise gelungen, aber auch der Wirtschaft nimmt sie damit Wind aus den Segeln.
Neunmal in Folge hat die EZB seit Sommer 2022 die Zinsen angehoben, zuletzt im Juli um weitere 0,25 Prozentpunkte (siehe Grafik). Immer mehr Marktteilnehmer spekulieren angesichts rückläufiger Inflationsrate und zunehmender Konjukturrisiken auf eine Zinspause. Die Mehrheit der im Ökonomen-Barometer von €uro am Sonntag im September befragten Volkswirte (58,7 Prozent) erwartet allerdings, dass die EZB auch am 14. September die Zinsen weiter anheben wird. 41,3 Prozent glauben das nicht. Interessant ist, dass nur 39,6 Prozent der Befragten eine weitere Anhebung für richtig halten, aber 58,3 Prozent für eine Zinspause plädieren. „Man sollte jetzt erst einmal die Wirkungen der bisherigen Zinserhöhungen abwarten. Die Konjunktur hat sich schon sehr deutlich eingetrübt“, sagt etwa ZEW-Experte Friedrich Heinemann (siehe Interview unten). Doch auch er rechnet damit, dass die EZB nach einer zweimonatigen Pause angesichts hartnäckigen Inflationsdrucks nicht um weitere Zinsanhebungen herumkommen wird.
Den jüngsten Äußerungen von EZB-Ratsmitgliedern zufolge steht die Notenbank vor der Entscheidung, im September eine Zinspause einzulegen und im Oktober oder Dezember nochmal nachzulegen. Oder die ZInsen kommende Woche anzuheben und dann zu pausieren. Um eine Erhöhung bis Jahresende dürfte die Notenbank demnach kaum herumkommen. Die Inflationsrate im Euroraum ist in den vergangenen Monaten deutlich zurückgegangen und lag im August bei 5,3 Prozent. Die sogenannte Kerninflation ohne die schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise lag zuletzt jedoch mit ebenfalls 5,3 Prozent vergleichsweise hoch. Die EZB verfolgt ein Inflationsziel von zwei Prozent.
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Interview mit ZEW-Ökonom Friedrich Heinemann: „Darum rechne ich mit einer Zinspause der EZB“
BÖRSE ONLINE: Die EZB steht am 14. September vor einer kontroversen Sitzung. Die Inflation geht zwar zurück, ist aber noch weit vom Zielwert entfernt. Gleichzeitig trübt sich die Konjunktur ein. Legt die Notenbank eine Zinspause ein?
FRIEDRICH HEINEMANN: Ich rechne bei der EZB jetzt mit einer zweimonatigen Beobachtungs- und Reflexionspause. Mit neun Zinserhöhungen seit dem letzten Sommer hat der EZB-Rat einen beachtenswerten Ritt von null auf 4,25 Prozent hingelegt. Diese schnelle Straffung hat den Tauben im Rat, also den Anhängern einer lockeren Geldpolitik, viel abverlangt, -sodass sie jetzt erfolgreich darauf pochen werden, zumindest eine Pause einzulegen.
Lässt der Rückgang der Inflation eine Zinspause der EZB zu?
Der bisher realisierte Rückgang der Inflation und auch die Inflationserwartungen sprechen eigentlich dagegen, den Fuß schon von der geldpolitischen Bremse zu nehmen. Der geldpolitische Wirkungskanal verläuft aber vor allem über die Realwirtschaft. Und die zeigt von der Industrie bis zur Konsumstimmung die Bremswirkungen überdeutlich. Das spricht dafür, jetzt erst einmal abzuwarten, ob die Inflation nicht bald deutlicher fällt.
Könnten wieder steigende Öl- und Energiepreise sowie deutlich höhere Löhne die Hoffnungen auf eine weiteres Abklingen der Inflation zunichtemachen?
Die Hoffnung auf eine raschere Annäherung an die Zwei-Prozent-Zielmarke wird sich wohl nicht erfüllen. Es wäre schon ein Erfolg, wenn bis Jahresende eine Drei vor dem Komma steht. Der wieder kräftig steigende Ölpreis verhindert den erhofften Fall der Energiepreise. Außerdem ist die Lohn-Preis-Spirale im vollen Gang, die insbesondere die Dienstleistungspreise weiter treiben wird. Meine Prognose ist, dass die EZB nach einer vielleicht zweimonatiger Zinspause nachlegen muss.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Euro am Sonntag 36/2023. Hier erhalten Sie einen Einblick ins Heft.