Die Bundesregierung hat zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um Unternehmen in der aktuellen Krise vor der Pleite zu bewahren. Neben Staatshilfen, KfW-Krediten und Bürgschaften hat sie auch die Insolvenzantragspflicht bis September ausgesetzt. Dadurch werden Gefahr einer Insolvenz bei vielen Unternehmen jedoch lediglich aufgeschoben, glaubt Insolvenzverwalter Lucas Flöther. "Diese Bugwelle baut sich gerade auf und sie wird irgendwann abfließen", sagte er vor dem Club Wirtschaftspresse München. Der Sanierungsexperte rechnet mit einer "deutlichen Zunahme der Insolvenzverfahren". Flöther war Insolvenzverwalter von Air Berlin und ist Sprecher des Gravenburger Kreises, einer Vereinigung renommierter Insolvenzverwalter.
Durch die zahlreichen staatlichen Hilfsangebote bestehe die "Gefahr des Herauszögerns". Besonders gefährdet sind Unternehmen, die derzeit kaum oder gar keine Einnahmen verzeichnen. Dies gilt insbesondere für die Reise- und Gastronomiebranche, sowie für Messebetreiber. Flöther rechnet für diese Industrien nicht mit einer baldigen Rückkehr der Normalität. In der Automobilindustrie verstärke die Corona-Krise bestehende Probleme. Die Situation werde schlimmer als in der Finanzkrise, weil sie viel mehr Branchen betreffe.
Der Insolvenzexperte fürchtet eine Zunahme, so genannter "Unternehmenszombies", die nur dank staatlicher Hilfsmaßnahmen überleben. Dadurch werde der Wettbewerb verzerrt und gesunde Unternehmen in Mitleidenschaft gezogen. In normalen Zeiten "schützt das Insolvenzrecht den Markt vor Unternehmenszombies, die andere Unternehmen mit den Abgrund ziehen", sagt Flöther. Doch die vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sei wichtig und richtig, wirke jedoch nur als Beruhigungspille. Zudem fürchtet der Experte mit "Trittbrettfahrern en masse"
Er rät Unternehmern dagegen den Kontakt zum Insolvenzverwalter frühzeitig zu suchen. Das sei wie beim Zahnarztbesuch: Man sollte hingehen, "bevor es weh tut". Unabhängig von den aktuellen Lockerungen und Hilfsmaßnahmen, sei die Definition für Zahlungsunfähigkeit eindeutig: Wer die fälligen Verbindlichkeiten nicht binnen drei Wochen begleichen kann, ist zahlungsunfähig und müsse "sofort zum Insolvenzverwalter".