Ein großer Gewinner der Corona-Pandemie ist die Videospiele- oder Gamingbranche. Zu den ohnehin guten Geschäften kommt dieses Jahr wohl auch ein besonders starkes Weihnachtsgeschäft. "Wir gehen davon aus, dass es die beste Weihnachtssaison für die Gamingbranche wird", sagt Daniel Maier. Er leitet den Bereich Themeninvestments beim Schweizer Bankhaus Vontobel. Er hat mehrere Gründe, so optimistisch zu sein.
Im November sind zum Beispiel die neuen Generationen wichtiger Spielekonsolen auf den Markt gekommen: Die Playstation 5 von Sony und Microsofts Xbox Series X und S. Sie sind heiß begehrt. Auch einige neue Spiele, die um die Weihnachtszeit erscheinen, versprechen starke Umsätze. Da wären neue Teile erfolgreicher Serien wie etwa "Assassin’s Creed: Valhalla" vom französischen Spielekonzern Ubisoft, das sich bereits sehr gut verkauft, oder "Call of Duty: Black Ops Cold War" vom US-Konzern Activision Blizzard. Das Spiel "Cyberpunk 2077" vom polnischen Anbieter CD Projekt ist ebenfalls ein Blockbuster, ebenso Ubisofts Serienfortsetzung "FarCry 6" oder "Hitman 3" vom dänischen Spieleentwickler IO Interactive, die in den Startlöchern stehen.
Das Sahnehäubchen. "Für Reisen gibt man derzeit kein Geld aus, auch Konzerte und andere Veranstaltungen kommen nicht infrage", sagt Maier. Gut möglich, dass dieses Jahr umso mehr Spiele und Konsolen unter den Weihnachtsbäumen landen.
Das starke Weihnachtsgeschäft würde ein Boomjahr der Branche beschließen. "Wir denken, das wird eines der besten Jahre für die Gamingindustrie", sagt Maier. Schon unter dem Jahr waren Videospiele wegen der Pandemie sehr gefragt. Für Zeiten von Lockdown und Social Distancing eignen sie sich auch deshalb besonders gut, weil ihre Spieler über sie oft auch mit anderen in Kontakt sein können. Die Umsätze der Branche schnellten nach oben.
Laut dem niederländischen Marktforschungsunternehmen Newzoo sollen Videospiele für Smartphone, Tablet, PC und Konsole dieses Jahr knapp 16 Milliarden US-Dollar mehr Umsatz bringen, als die Experten zu einem frühen Zeitpunkt in der Pandemie schätzten. Insgesamt sollen es nun rund 175 Milliarden US-Dollar sein. Wie nachhaltig dieses Wachstum sei, bleibe abzuwarten. Die Marktforscher hoben aber auch ihre längerfristige Prognose an: Bis 2023 soll der Videospielemarkt knapp 218 Milliarden Dollar groß sein. Dominik Schmaus, Produktmanager für ETFs beim US-Fondshaus VanEck, ist überzeugt, dass der Effekt durch die Pandemie nachhaltig ist: "Der Wachstumstrend ist durch Corona nur noch beschleunigt worden."
2,7 Milliarden Spieler. Das Wachstum war schon vor der Pandemie stark. Von 2015 bis 2019 etwa legte der Videospielemarkt um 57 Prozent zu, zeigen Zahlen von Newzoo. Weltweit spielen 2,7 Milliarden Menschen Videospiele, schätzt der Marktforscher, 2023 sollen es gut drei Milliarden sein. Die Gewinner des Wachstums: "Die Spieleentwickler und -publisher werden am meisten vom Gamingtrend profitieren, denn die Einkommensströme haben sich durch die Ingame-Käufe verändert", sagt Schmaus. Vor allem früher hat man sich Spiele im Laden gekauft und dann komplett durchgespielt. Heute spielen sogenannte Ingame-Käufe eine wichtige Rolle. Videospiele werden zum Beispiel laufend erweitert, neue Outfits für die Charaktere, neue Waffen oder Missionen kosten dann aber oft extra. "Für die Spieler hat das den Vorteil, dass das Spiel immer weitergeht und immer spannender wird. Für die Firmen hat es den Vorteil, dass sie wiederkehrende Umsätze generieren", sagt Luca Berger, Portfoliomanager bei Vontobel. Ein Spiel zu produzieren ist außerdem sehr teuer und kann Jahre dauern. "Da ist es im Interesse der Firmen, die Lebensdauer solcher Spiele möglichst lang zu halten."
Kein Jugendphänomen mehr. Dass der Markt weiter wächst, dafür gibt es gute Gründe. In der Vergangenheit haben sich besonders jüngere Leute mit Videospielen beschäftigt. "Mittlerweile strömt Gaming in viele Gesellschaftsbereiche und ist keine Frage von Alter oder Geschlecht", sagt Vontobel-Experte Berger. Die Branche entwickelt sich technologisch immer weiter, was neue Spieler anzieht und die Möglichkeiten von Spieleentwicklern erweitert. Die Hersteller machen bereits mit Spielen für Smartphones die größten Umsätze; dieses Marktsegment wächst auch am schnellsten. Das Cloudgaming nimmt ebenso an Fahrt auf. Wenn Spiele gestreamt werden, kann man sie auf sämtlichen Geräten nutzen. Auch die Rechenleistung findet in der Cloud statt. Also braucht ein Gamer keine leistungsstarken Konsolen oder PCs mehr. "Cloudgaming hat sehr großes Wachstumspotenzial", sagt Berger. Doch der Weg ist noch weit, bis der Trend massentauglich ist. Eine gute Internetverbindung ist das A und O. Aber die ist oft noch nicht gewährleistet, schon gar nicht über mehrere Stunden. Auch beim Spielerlebnis könne das Streaming noch nicht mithalten, meint Berger. Konsolen etwa sieht er deshalb noch kaum gefährdet zumal sie auch eigene Streaming-Dienste haben.
Auch die großen Techkonzerne Google, Microsoft, Amazon, Apple und Facebook haben Cloudgaming-Dienste am Markt. Gaming spielt bei ihnen aber im Vergleich zum Gesamtumsatz nur eine kleine Rolle. Und: "Der Großteil des Geschäfts sollte bei den Spieleentwicklern und denen, die die Spiele an den Markt bringen, hängen bleiben. Sie haben die Lizenzen", sagt VanEck-Experte Schmaus.
Die Umsätze der Spielefirmen werden durch einen weiteren Trend gestützt: E-Sport, also virtuelle Wettkämpfe. Sie ziehen ein Millionenpublikum an, E-Sport-Profis werden teils gefeiert wie reale Athleten. Als in der Pandemie klassische Sportveranstaltungen abgesagt wurden, konnte man E-Sport-Events digital austragen. "Menschen, die vorher überhaupt nichts mit E-Sport anfangen konnten, haben solche Events gesehen und waren fasziniert. Durch Corona hat man sich da noch mal neues Publikum erschlossen", meint Schmaus. "Zusammen mit E-Sport hat die Gamingbranche das Potenzial, die globale Medien- und Entertainmentbranche auf den Kopf zu stellen", sagt Vontobel-Experte Maier.
Wer nicht nur spielen, sondern auch mit dem Trend gewinnen will, sollte einen Blick auf die Aktien der Branche werfen. Sie sind relativ teuer, was bei solchen Wachstumswerten nicht ungewöhnlich ist. Hier ein paar Vorschläge.
Video Gaming und Esports ETF
2019 hat das US-Fondshaus VanEck den Video Gaming und Esports ETF aufgelegt. Im Index, dessen Entwicklung der ETF abbildet, sind nur Unternehmen enthalten, die wenigstens 50 Prozent (25 bei aktuellen Positionen) ihrer Umsätze mit Videospielen und/oder E- Sport machen. Vertreten sind viele Spieleentwickler wie Nintendo, Activision Blizzard, Electronic Arts oder Take Two, aber auch breiter aufgestellte Internetkonzerne wie Tencent oder Sea. Dazu kommen Chipentwickler wie Nvidia und AMD. Insgesamt sind in dem Aktienindex derzeit 25 Unternehmen, gewichtet nach dem jeweiligen Börsenwert der Aktien im Streubesitz. Kein Wert darf aber mehr als acht Prozent ausmachen. Etwa ein Drittel des Fondsvermögens machen Firmen aus den USA aus, knapp 24 Prozent Unternehmen aus Japan und 20 Prozent aus China. Aus Europa sind vor allem Polen und Schweden vertreten. Der ETF entwickelte sich bisher sehr stark.
Activision Blizzard-Aktie
Durch Hunderte Level kann man sich bei "Candy Crush Saga" online oder auf dem Smartphone spielen, indem man immer wieder Süßigkeiten miteinander kombiniert. Das Spiel ist seit Jahren extrem populär. Zusammen mit den Videospielreihen "Call of Duty" und "World of Warcraft" gehört "Candy Crush" zu den Top-3-Spielemarken von Activision Blizzard. Sie machten 2019 zwei Drittel des Umsatzes aus, beim operativen Gewinn war ihr Anteil noch höher. Der USSpieleentwickler und -publisher ist einer der Großen der Branche und hat noch mehr Spiele im Angebot, die seit Jahren sehr beliebt sind, wie "Overwatch" oder "Hearthstone". Auch im E-Sport sind die Kalifornier sehr gut aufgestellt. Vom Gamingboom sollte der Konzern profitieren, genauso wie vom Trend, dass Spiele für Konsolen nun vermehrt aus dem Netz heruntergeladen und nicht mehr physisch gekauft werden.
Nvidia-Aktie
Nvidia ist kein Spieleentwickler, in der Gamingbranche aber ein wichtiger Name. Und nicht nur hier. Der Konzern stellt Grafikprozessoren (Foto) her, die unter anderem in Gaming- PCs stecken. Nvidia ist auch beim Cloudgaming, bei dem Spiele gestreamt werden, dabei und hat mit GeForce Now einen entsprechenden Dienst. Etwa die Hälfte des Umsatzes machen die Kalifornier im Gaming-Bereich. Die Nvidia-Chips werden aber zum Beispiel auch in Rechenzentren für andere Trendbereiche wie künstliche Intelligenz oder selbstfahrende Autos eingesetzt. Die Aktie ist hoch bewertet, die Wachstumsaussichten sind aber auch sehr gut. Eine Unsicherheit kommt derzeit aufgrund einer geplanten Übernahme des britischen Prozessorkonzerns ARM, für den Nvidia rund 40 Milliarden US-Dollar bezahlen will. Hier gibt es jedoch noch einige Hürden zu überwinden.