Die Kürzung der Fördermenge schürt neue Inflations- und Zinsgefahren, sagt Christian Henke vom Broker IG Europe - und warnt vor Sorglosigkeit an Europas Börsen


Börse Online: Die Börsen haben die überraschende Produktionskürzung des Ölkartells Opec+ kaltschnäuzig weggesteckt. Der DAX ist sogar auf ein neues Jahreshoch geklettert. Ist der Effekt der Verknappung auf Ölpreis und Inflation tatsächlich so harmlos?

Christian Henke: Der Ölpreis hat in den vergangenen Monaten deutlich an Wert eingebüßt. Kein Wunder, dass die OPEC als Reaktion darauf die Fördermenge kürzt. Der jüngste deutliche Ölpreisanstieg gießt im wahrsten Sinn Öl ins Feuer. Durch die beschlossene Angebotsverknappung schoss der Ölpreis der Sorte WTI in die Höhe. Die Sorgen, dass dadurch die Inflation wieder nach oben dreht, sind zurückgekehrt, wie auch gleichzeitig die Zinsangst.

Ist der Zinsgipfel nicht in greifbare Nähe gerückt?

Energiepreise sind ein wesentlicher Bestandteil des Warenkorbes. Denn wenn plötzlich die Energiepreise wieder steigen, zieht somit auch die Inflation an. Für viele Marktteilnehmer war die Inflation bereits tot und somit kein Thema mehr. Doch so leicht lässt sich die Teuerungsrate nicht bezwingen. Zuletzt haben die Marktteilnehmer gehofft, spätestens nach dem nächsten Zinsentscheid Anfang Mai den Zinsgipfel zu erreichen. Steigt die Teuerungsrate wieder, könnte die Fed weiter und länger an der Zinsschraube drehen. Und steigende Zinsen mögen die Anleger bekanntlich nicht.


Warum geht die DAX-Rally trotz des Ölpreisanstiegs weiter?

In Europa herrscht im Gegensatz zur Wall Street, wo sich größere Sorgen breit zu machen scheinen, noch ein wenig Sorglosigkeit. Kein Wunder, dass die Börsen auf dem alten Kontinent gen Norden tendieren. Der DAX zeigt sich momentan davon recht unbeeindruckt und setzt seinen Höhenflug in Richtung des Jahreshochs fort, gestern konnte er sogar ein neues Jahreshoch erklimmen.

Wer sind die Profiteure dieses Trends?

Die europäischen Börsen weisen eine relative Outperformance gegenüber den Pendants in den USA auf. Allerdings bleibt es abzuwarten, wie lange die Sorglosigkeit auf dem alten Kontinent noch anhält. Profitieren von den jüngsten Entwicklungen könnten insbesondere defensive Sektoren, wie Lebensmittel, Konsumgüter, Pharma und Versorger.

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