Einher ging der Kursanstieg auch mit einem geschäftlichen Aufstieg. Das 1984 in einer Industriebaracke in Peking gegründete Unternehmen hat auch gestützt durch mehrfache Übernahmen den Weg ganz nach oben geschafft. Mit den entscheidenden Push dorthin gab die Anfang Dezember 2004 verkündete und damals viel beachtete Übernahme der PC-Sparte von IBM. 2013 hat es das chinesische Unternehmen dann endgültig auf den Thron als weltweit führender PC-Hersteller geschafft. Auf der Einkaufstour hatte sich Lenovo bekanntlich im Juni 2011 auch den deutschen Aldi-Lieferanten Medion für 629 Millionen Euro einverleibt.
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Quartalsbericht mit Licht und Schatten
Allerdings musste das Unternehmen im abgelaufenen Quartal einen Dämpfer hinnehmen. Der Umsatz stieg zwar auch da nicht zuletzt dank weiterer Zukäufe wie dem Handy-Pionier Motorola oder Teilen des IBM-Servergeschäfts um 21 Prozent auf 11,3 Milliarden Dollar, aber mit dem Gewinn ging es im Berichtszeitraum deutlich bergab. Konkret sank der Gewinn in dem Ende März abgeschlossenen vierten Geschäftsquartal um 37 Prozent auf 100 Millionen Dollar. Begründet wurde diese mit Belastungen von 94 Millionen Dollar im Zusammenhang mit Übernahmen. Immerhin wurden damit aber die durchschnittlichen Markterwartungen von 91,6 Millionen Dollar geschlagen. Bei dem vom starken Dollar zurückgehaltenen Umsatz wurden die auf 12,1 Milliarden Dollar lautenden Prognosen dagegen verfehlt.
Wie dem Ergebnisausweis weiter zu entnehmen war, blieb das PC-Geschäft mit einem Umsatz von 7,2 Milliarden Dollar das wichtigste Standbein. Obwohl dieses Marktsegment allgemein von Schwäche gekennzeichnet ist, stieg der Absatz im vergangenen Quartal um 2,7 Prozent auf 13,3 Millionen Geräte. Der Marktanteil belief sich dadurch auf 19,5 Prozent, was einem Anstieg von zwei Prozentpunkten entspricht. Der operative Gewinn kam in diesem Bereich um 11 Prozent auf 391 Millionen Dollar voran. Im Bereich Smartphones blieb Lenovo mit 18,7 Millionen verkauften Geräten die Nummer drei weltweit, doch der Abstand zu den Marktführern Samsung und Apple ist enorm. Im Detail stehen der PC-Bereich für 64 Prozent aller Umsätze, der Mobiltelefon-Bereich für 25 Prozent und der Bereich Enterprise Business für neun Prozent.
Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2014/15 ist das Ergebnis unter dem Strich nur leicht um ein Prozent auf 829 Millionen Dollar gestiegen. Das reißt an der Börse niemand von den Sitzen und um die Anleger auch künftig bei der Stange zu halten, wird es darauf ankommen, außerhalb des von einem heftigen Preiskampf mit dem langjährigen Marktführer Hewlett-Packard geprägten PC-Geschäftes neue aussichtsreiche Standbeine aufzubauen. Zumal der PC-Markt auch deshalb schrumpft, weil immer mehr Konsumenten und Unternehmen als Alternative Smartphones und Tablets nutzen.
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Noch zahlreiche Baustellen
Um die Diversifizierung zu schaffen, wurden von Google für 2,9 Milliarden Dollar der Handy-Hersteller Motorola und von IBM für 2,1 Milliarden Dollar die Server-Sparte (Ziel ist hier bis 2020 die weltweite Marktführerschaft) übernommen. Wie bereits erwähnt hat das zunächst Geld gekostet und wie beim Kauf der IBM-PC-Sparte dürften sich manche Beobachter fragen, ob das die richtigen zukunftsträchtigen Bereiche sind. Aber Lenovo hat in der Vergangenheit durchaus Geschickt bei Übernahmen bewiesen und auch jetzt sieht der Vorstand die beiden Neuerwerbungen auf Kurs, ihre Ziele zu erreichen. Früher gemachten Angaben zufolge sollen sie bis Mitte 2016 schwarze Zahlen schreiben. Gelingt die Wende in absehbarer Zeit nicht, würde beispielsweise bei Motorola der Stecker gezogen. Gleichzeitig kamen jüngst aber auch schon wieder neue Zukaufgerüchte auf. Demnach soll Lenovo an dem erfolgreichen Gaming Notebook Geschäft des taiwanesischen Computer-Spezialisten Micro-Star International interessiert sein.
Die Verantwortlichen haben zu diesen Spekulationen bisher keine Stellung bezogen, dafür wurde in der Telefonkonferenz nach der Vorlage der Quartalsergebnisse eingeräumt, dass sich die kurzfristigen Nachfrageaussichten für PCs und die eigenen Smartphones etwas eingetrübt haben und auch die Restrukturierungskosten in den nächsten beiden Quartalen steigen würden. J.P. Morgan hat daraufhin die operative Gewinnschätzung für das Geschäftsjahr 2015/16 um sechs Prozent gesenkt. Dank niedrigerer Steuersätze fällt die Gewinnprognose für das laufende Geschäftsjahr letztlich aber nur um ein Prozent und für 2016/17 wurde die bisherige Gewinnschätzung bestätigt. Trotzdem hält der zuständige Analyst Gokul Hariharan einen temporären Kursrückgang von rund zehn Prozent für möglich. Auch in der Hoffnung auf eine Ergebnisverbesserung bei Motorola hält er aber an seiner mit einem Kursziel von 15,50 Hongkong-Dollar versehenen Übergewichten-Empfehlung fest. Die Analysten von Jefferies wittern dagegen in fast allen Geschäftsbereichen aufkommende und anhaltende Schwierigkeiten und sie befürchten deshalb einen Kursrückgang auf neun Hongkong-Dollar.
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Kurzfristig besteht bei der Aktie kein Handlungsbedarf
Aus unserer Sicht signalisiert der seit Mitte April aufgenommene Seitwärtstrend kurzfristig keinen Handlungsbedarf auf der Kaufseite. Die nach der Ergebnisvorlage zu beobachtende Kursschwäche könnte sich zunächst sogar weiter fortsetzen. Richtig kritisch würde es charttechnisch aber erst, wenn der momentan bei rund 10,60 Hongkong-Dollar-verlaufende langfristige Aufwärtstrend unterschritten werden sollte. Kann das jedoch vermieden werden, steigen die Chancen auf eine Fortsetzung des Aufwärtstrendkanals. Dazu wäre aber wichtig, dass Lenovo tatsächlich Fortschritte bei den vorhandenen Baustellen erzielt. Die Bewertung ist derzeit mit einem geschätzten KGV für 2015 mit 17,8 anspruchsvoll, doch auch das wäre dann zu rechtfertigen, wenn die Turnaround-Pläne aufgehen.
Weil genau das aber noch mit Fragezeichen zu versehen ist, sollten erst einmal die nächsten ein oder zwei Quartalsberichte abgewartet werden und das, was das Management dann zur Geschäftsentwicklung mitzuteilen hat. Auch bei bestehenden Aktienpositionen sollte ähnlich verfahren werden. Ein Verkauf drängt sich nur auf, wenn entweder fundamental die nächsten Unternehmensnachrichten schlecht ausfallen oder charttechnisch der erwähnte Aufwärtstrendkanal nicht gehalten werden kann.