Das Matterhorn ist nicht irgendein Berg. Vielmehr steht die knapp 4500 Meter hohe Felspyramide als Sinnbild für die Schweiz. Gleichzeitig ist der meistfotografierte Gipfel der Welt ein Besuchermagnet: Vor Corona zählte Zermatt mehr als zwei Millionen Übernachtungen in einem Jahr. Der Lockdown hat den Ort zwar nicht verschont, doch es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis die Region neue Besucherrekorde meldet.

An der Schweizer Börse ist die Corona-Delle längst ausgemerzt. Ende Mai hat der Swiss Market Index (SMI) das vor dem Ausbruch der Pandemie erreichte Top überboten. Zu diesem Zeitpunkt waren die Kurse der Schweizer Aktien an den deutschen Börsenplätzen bereits für knapp zwei Jahre "eingefroren". Nach einer entsprechenden Anweisung aus Bern mussten sie den Handel mit eidgenössischen Papieren ab Juli 2019 aussetzen - mehr dazu und den Order-Alternativen im Kasten auf der nächsten Seite.

Ungeachtet vom Handelsplatz dominieren Nestlé, Novartis und Roche den Schweizer Markt. Das Trio steuert mehr als die Hälfte zum SMI bei. Beim jüngsten Höhenflug gaben andere Papiere den Ton an. Die Private-Equity-Boutique Partners Group führt mit einem Plus von 57 Prozent das 2021er-Ranking an. Auf den Plätzen folgen der Sanitärtechnikspezialist Geberit, der Industrieriese ABB, der Bauchemiekonzern Sika sowie der Pharmazulieferer Lonza.

In dieser Auflistung werden die Vielfalt und die internationale Ausrichtung der Schweizer Wirtschaft deutlich. Dementsprechend profitiert die Konjunktur vom globalen Aufschwung. Im zweiten Quartal nahm das Bruttoinlandsprodukt (BIP) gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 7,7 Prozent zu. Nach dem Ende des Winter-Lockdowns blühten Handel, Gastronomie und Tourismus wieder auf. Gleichzeitig brummten die Ausfuhren. "Die Warenexporte wuchsen das vierte Quartal in Folge klar überdurchschnittlich", kommentiert das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO die jüngste Entwicklung.

Unternehmen in Top-Form

Das Ministerium macht aber keinen Hehl daraus, dass die Schweizer Industrie nicht gegen die Bremsspuren im Welthandel immun ist. Auch die Unternehmen haben in der jüngsten Quartalssaison auf Probleme wie die Engpässe in den Lieferketten oder steigende Rohstoffkosten hingewiesen. Gleichwohl erlebte die Schweiz einen starken Zahlenreigen: 18 der 20 im SMI enthaltenen Unternehmen konnten die Erwartungen übertreffen.

Für die einzige größere Enttäuschung sorgte die vom Zusammenbruch eines Hedgefonds arg gebeutelte Credit Suisse. Ein ganz anderes Bild gibt die UBS ab. Die größte Bank des Landes verbuchte von April bis Juni einen Gewinnsprung von annähernd zwei Drittel auf zwei Milliarden US-Dollar. Vor allem das Geschäft mit reichen Privatkunden brummt. Im Investmentbanking schlug der Boom bei Börsengängen sowie Fusionen und Übernahmen positiv auf die Zahlen durch. "Unsere Geschäftsentwicklung nimmt immer mehr an Fahrt auf und unsere strategischen Entscheidungen und Initiativen tragen Früchte", freute sich CEO Ralph Hamers. Obwohl die UBS nicht frei von Sorgen ist - beispielsweise steht Ende September in Frankreich das Berufungsurteil in einem Geldwäscheprozess gegen die Bank an -, raten wir zum Kauf der Aktie.

Ein defensiveres Investment ist Nestlé. In der Titelgeschichte ab Seite 10 lesen Sie mehr zum Lebensmittelriesen und BÖRSE ONLINE-Favoriten. Mit Roche erhält ein weiteres SMI-Schwergewicht eine Kaufempfehlung. Beim Basler Pharmakonzern ließ im ersten Halbjahr die hohe Nachfrage nach Covid-19-Tests die Kasse klingeln. Im Kerngeschäft half dem Unternehmen, dass wegen Corona verschobene Therapien nachgeholt wurden.

Obwohl Roche die Erwartungen insgesamt übertraf, reagierte die Börse zunächst verschnupft auf den Zwischenbericht. So mancher Investor hatte wohl darauf gesetzt, dass CEO Severin Schwan die Prognose erhöht. Doch scheint der Chef abzuwarten, wie sich das Diagnostik-Geschäft weiterentwickelt. Angesichts der vierten Corona-Welle dürfte die Test-Nachfrage kaum implodieren. Folgerichtig läuft an der Börse bereits eine neue Wette darauf, dass Schwan die Latte für 2021 doch noch höher legt.

Auf dieselbe Weise könnte Logitech der eigenen Aktie einen Impuls geben. Der Spezialist für IT-Zubehör hat in den ersten drei Monaten des Geschäftsjahres 2022 (per 31. März) ein währungsbereinigtes Umsatzwachstum von 58 Prozent verbucht. Dennoch rechnet CEO Bracken Darrell für die gesamte Periode mit stabilen Erlösen. Seine Zurückhaltung hat gute Gründe: Im Vorjahr waren die Verkäufe von Headsets, Webcams und Gaming-Mäusen ab dem zweiten Quartal regelrecht explodiert. Daher wird es für das Unternehmen kurzfristig nicht einfach, weiter zu wachsen.

Auf diese Problematik führt Torsten Sauter, Analyst bei Kepler Cheuvreux, die jüngsten Gewinnmitnahmen bei Logitech zurück. An seiner Kaufempfehlung hält er fest. "Wenn sich der Staub gelegt hat, wird Logitech mit hohen einstelligen Wachstumsraten zurückkehren", erklärt der Experte. Fix ist der auf die Aktie zukommende "Ritterschlag". Am 20. September steigt Logitech in den SMI auf und ersetzt dort den Uhrenkonzern Swatch.

Fintech-Profiteur aus Genf

Im Schweizer Mid-Cap-Segment gibt es weiterhin aussichtsreiche Technologiewerte. Beispiel Temenos: Der Spezialist für Bankensoftware hat im zweiten Quartal ein Umsatzwachstum von neun Prozent erzielt und das operative Ergebnis zweistellig gesteigert. Gefragt waren vor allem die Cloud-Software-Abos der Genfer. "Die Corona-Krise hat die strukturellen Trends verstärkt, die die Banken dazu bringen, ihre IT-Systeme aufzurüsten", so CEO Max Chuard. Die Analysten trauen dem aus einer Schwächephase kommenden Unternehmen das Comeback zu: Bis 2023 soll sich der Gewinn gegenüber dem vergangenen Jahr mehr als verdoppeln.

 


Handel mit Schweizer Aktien

Nebenschauplatz eines größeren Zanks

Am 26. Mai ist der Streit zwischen Bern und Brüssel eskaliert. An diesem Tag ließ der Schweizer Bundesrat die Verhandlungen mit der EU über ein Rahmenabkommen platzen. Mehr als sieben Jahre lang hatten beide Seiten um ihr zukünftiges Verhältnis gerungen. Im Kern sollte das Abkommen die in rund 120 bilateralen Verträgen geregelten Wirtschafts- und Handelsbeziehungen vereinfachen. Seit Ende 2018 lag ein 35-seitiger Entwurf auf dem Tisch.

Ein großer Knackpunkt war die Personenfreizügigkeit. Bern fürchtet den verstärkten Zuzug. Rund 1,4 Millionen EU-Bürger leben schon jetzt in der Schweiz. Allein wegen dieser Problematik hätte das Abkommen, so Kritiker, in einer Volksabstimmung scheitern können. Brüssel dagegen pocht auf die Einhaltung der eigenen Regeln und wollte keine weiteren Zugeständnisse machen.

Fest steht, dass der Handel von Schweizer Aktien an EU-Börsenplätzen dem Zank zum Opfer gefallen ist. Die Schweiz hat das entsprechende Verbot im Juli 2019 angeordnet. Sie reagierte damit auf die Entscheidung aus Brüssel, die eidgenössische Börsenregulierung nicht mehr als gleichwertig anzuerkennen.

Außerbörsliche Alternativen

Deutsche Anleger müssen trotzdem nicht auf Nestlé & Co verzichten. Sie können diese Aktien direkt an der Schweizer Börse kaufen und verkaufen, sofern ihre Depotbank einen Zugang zur SIX Swiss Exchange hat. Neben der Orderprovision fallen Börsen- und Lieferspesen an. Selbst bei kleinen Aufträgen kann die Kostensumme dadurch schnell auf mehr als 20 Euro klettern. Mitunter rufen die Broker sogar deutlich höhere Mindestgebühren auf.

Eine günstigere Alternative bieten außerbörsliche Makler wie Lang & Schwarz oder die Baader Bank. Bei diesem Duo müssen Anleger für den "Ausflug" in die Schweiz nur die üblichen Provisionen hinlegen. Ein kleines Manko sind die im Vergleich zur Heimatbörse SIX größeren Geld-Brief-Spannen. Allerdings stellt zum Beispiel Lang & Schwarz bei den von uns favorisierten Schweizer Aktien durchwegs Spreads im Bereich von akzeptablen 0,7 Prozent.

Bald könnte Bewegung in den übergeordneten Streit kommen. Noch im September will die EU erklären, wie sie sich die Zukunft mit der Schweiz vorstellt. An dem im Raum stehenden "Schwexit" kann jedenfalls keine Seite ein Interesse haben. Mehr als 40 Prozent der Schweizer Exporte gehen in die EU, während die Eidgenossenschaft viertwichtigster Handelspartner der Union ist.

 


Auf einen Blick