Die Börsen sind weiterhin auf Rekordkurs. Beim DAX kommt mittlerweile schon die 16 000-Punkte-Marke in Sichtweite. Und nicht nur das: Es geht weltweit nach oben. Obwohl die meisten Indizes mittlerweile reif für eine Korrektur scheinen. Doch bisher wird jede noch so kleine Kursdelle zum Nachkaufen genutzt. Die Favoritenrollen sind dabei klar verteilt: Gerade in Europa sind Autoaktien stark gefragt, während die in den Vormonaten ebenfalls gut gelaufenen Banktitel zuletzt etwas schwächelten. Auch Touristikaktien stehen hoch im Kurs. Die Sektoren Pharma und Versorger dagegen, also die etwas defensiveren Sektoren, hinken unverändert hinterher. Das sind eindeutige Indizien: Die Anleger und Investoren setzen darauf, dass die Konjunktur weltweit in diesem und im nächsten Jahr stark anzieht.

"Das globale Wirtschaftswachstum wird sich in den nächsten Monaten beschleunigen, vorausgesetzt, dass die Impfungen gegen Covid erfolgreich verlaufen und es nicht zu neuen Ausbrüchen, Mutationen und Lockdown-Maßnahmen kommt", sagt Darren Williams, Chefvolkswirt beim Geldverwalter Alliance Bernstein. Vor allem in den USA soll es laut Williams steil nach oben gehen. "Es wurde die Grundlage für Wachstumsraten geschaffen, die wir seit vielen Jahrzehnten nicht mehr beobachtet haben." Williams geht von einem Plus des realen Bruttoinlandsprodukts von 6,5 Prozent im laufenden Jahr und 4,6 Prozent 2022 aus.

Mehr Unterstützung


Möglich machen dies die Öffnung der amerikanischen Volkswirtschaft und die gleichzeitig ablaufende massive fiskalische und geldpolitische Unterstützung. Europa wird da wohl nicht ganz mithalten können. Dennoch hat auch auf dem alten Kontinent das Wirtschaftswachstum in den vergangenen Monaten angenehm überrascht, getrieben durch gute Zahlen im verarbeitenden Gewerbe sowie die Tatsache, dass die Regierungen ihre Dienstleistungssektoren stärker schützen als noch vor einem Jahr.

Doch dafür zahlt man einen Preis. Und das sind steigende Inflationsraten. So überraschte der US-Verbraucherpreisindex für März mit einem deutlichen Anstieg von 2,6 Prozent im Jahresvergleich. Die Kernrate stieg um 1,6 Prozent. Und dabei wird es wohl nicht bleiben. "In den kommenden zwei Monaten ist ein weiterer Anstieg der Inflation zu erwarten", schreibt Mark Dowding, Chefinvestor beim Geldverwalter Bluebay Asset Management in einer Analyse. So weist der gerade von der US-Notenbank veröffentlichte Konjunkturbericht "Beige Book" auf einen vorübergehenden Preisdruck in den kommenden Monaten hin, der sich aus dem "Aufeinanderprallen von aufgestauter Nachfrage und Angebotsengpässen ergibt". Nicht wenige Finanzmarktteilnehmer gehen allerdings davon aus, dass die Inflation im Verlauf des Sommers wieder unter das Zielniveau der US-Notenbank fallen wird.

Inflation im Blick


Noch scheint das Thema also unter Kontrolle. "Mittelfristig könnten jedoch Inflationssorgen aufkommen, sofern die Rate über 3,0 Prozent steigt", so Experte Dowding. Man sollte dies also im Blick behalten. Allerdings - und das ist ein wichtiger Aspekt - scheint die Kerninflationsrate ohne Energiekosten und Lebensmittelpreise stabil zu bleiben. Man darf also optimistisch sein: Die USA steuern auf das stärkste Wirtschaftswachstum seit den frühen 1980er-Jahren zu, die Unterstützung durch Geld- und Fiskalpolitik ist beispiellos, und die Volkswirtschaften öffnen sich langsam wieder.

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com