Die neue Woche beginnt für Anleger des deutschen Biotechs Morphosys und seines Schweizer Pharmapartners Roche mit einer Hiobsbotschaft. Die langersehnten Daten zum Alzheimer-Kandidaten Gantenerumab haben die gesteckten Ziele verfehlt. Eine Behandlung mit Gantenerumab führte bei den betroffenen Patienten nicht zu einer Verlangsamung des klinischen Verfalls. Beide Aktien verlieren am Montagmorgen deutlich. Von Lars Winter 


Aktie von Morphosys verliert fast 30 Prozent

„Wir sind über diese Ergebnisse enttäuscht, da jeden Tag Millionen von Menschen von Alzheimer betroffen sind“, sagte Dr. Jean-Paul Kress, Vorstandsvorsitzender von Morphosys. „Wir sind unserem langjährigen Partner Roche sehr dankbar für die Arbeit am GRADUATE-Programm und den Einsatz für die Betroffenen.“ Vor allem für die Patienten ist das Studienergebnis bedauerlich.

Investoren nehmen bereits am frühen Montag Reißaus und verkaufen die Aktien. Der Titel von Morphosys verliert im frühen Handel bis zu 30 Prozent auf unter 15 Euro, die Aktie von Roche bricht um über zehn Prozent ein. Viele Anleger hatten im Vorfeld auf gute Nachrichten gehofft. Die Aktie von Morphosys hatte sich in der vergangenen Woche recht erfreulich entwickelt.

Negative Analystenkommentare zur Morphosys-Aktie

Die Enttäuschung rund um den Alzheimer-Kandidaten Gantenerumab ist groß und führt auch zu negativen Analystenkommentaren. Die Citigroup stufte die Morphosys-Aktie von "Neutral" auf "Verkaufen" und kürzte das Kursziel von 24 Euro auf 16 Euro. Auch JPMorgan-Analyst James Gordon zeigte sich vor allem nach der positiven Wertung der jüngsten Daten von Biogen zu dessen Alzheimer-Mittel Lecanemab ernüchtert, denn von den Biogen-Daten habe man positive Rückschlüsse auf Morphosys ziehen können. Der US-Konzern Biogen und sein japanischer Partner Eisai hatten unlängst mit ihren Forschungen zum neuen Alzheimer-Medikament einen wichtigen Meilenstein in der Behandlung der Krankheit erreicht. Zudem hatte sich Morphosys-Chef Kress erst Ende Oktober zuversichtlich zu den Chancen des Mittels geäußert.

Blick auf andere Medikamente

Der Rückschlag beim Alzheimer-Hoffnungsträger Gantenerumab ist schmerzhaft. JPMorgan-Analyst Gordon bewertet den Alzheimer-Kandidaten in seinem Bewertungsmodell mit 11,50 Euro je Morphosys-Aktie. Doch das Alzheimer-Mittel ist nicht das einzige Medikament in der Morphosys-Pipeline. Nun werden wieder andere Medikamente in den Blick geraten - etwa Monjuvi. Die Bayern erwarten dieses Jahr für ihr wichtiges Blutkrebsmedikament in den USA zwar nur noch einen US-Umsatz von rund 90 Millionen Dollar und damit das untere Ende der bislang angepeilten Spanne von 90 bis 110 Millionen Dollar. Doch der Biotechkonzern konnte zuletzt ermutigende Forschungsergebnisse zu Monjuvi veröffentlichen. Die Studie zeigte, dass die Häufigkeit von Nebenwirkungen beim Übergang von der Kombinations- zur Monotherapie zurückgegangen ist. Das ist ein Beleg für die gute Verträglichkeit der Krebs-Immuntherapie. Morphosys und der US-Partner Incyte führen nun weitere klinische Tests durch, bei denen Monjuvi auch in der Ersttherapie eingesetzt werden soll, was ein deutlich größerer Markt wäre. Sollte es mittelfristig zu weiteren Zulassungen kommen, sollte sich das im Aktienkurs auch wieder positiv auswirken.

Aktie notiert deutlich unter Cash

Durch den Kursverfall ist die Aktie von Morphosys inzwischen sehr attraktiv bewertet. Der Biotech-Titel notiert deutlich unter Cash. Auf Basis des heutigen Kursrutsches beträgt die Marktkapitalisierung von Morphosys noch rund 500 Millionen Euro. Zum 30. Juni 2022 verfügte der Konzern über liquide Mittel und sonstige finanzielle Vermögenswerte in Höhe von 754 (Ende 2021: 977) Millionen Euro.

Morphosys erwartet im September 2022 zudem eine Zahlung in Höhe von 300 Millionen Dollar aus der von Royalty Pharma bereitgestellten Entwicklungsfinanzierungsanleihe. Bei einem angenommenen Kapitalverbrauch von circa 100 Millionen Euro pro Quartal dürften sich Ende des Jahres 2022 noch rund 850 Millionen Euro in der Kasse befinden. Das wären fast 25 Euro je Aktie. Demgegenüber wird der Titel aktuell bei Kursen um 15 Euro mit einem Abschlag von 40 Prozent gehandelt.

Morphosys-Aktie nur für spekulative Anleger geeignet

Wie schwer kalkulierbar die Entwicklung von Biotech-Aktien ist, zeigt die Kursentwicklung von Morphosys heute anschaulich. Der Titel ist und bleibt deshalb ein Investment für sehr spekulative Anleger. Vor einem Neueinstieg sollten Investoren allerdings eine nachhaltige Kursberuhigung abwarten.

Hinweis auf Interessenskonflikte: Die Aktie von Morphosys befindet sich in einem Real-Depot der Börsenmedien AG.