Sabine und Martin Kitt flogen für eine knappe Woche nach New York, um sich die Stadt und ihre Sehenswürdigkeiten anzuschauen. Zurück nahm das deutsche Paar das Luxusschiff Queen Mary 2 nach Southampton. "Wenn man den Atlantik überquert, ist die Schiffsreise unglaublich entspannend. Du bist so schlecht erreichbar", sagt Steuerberater Kitt mit einem Augenzwinkern. "Es gibt gigantisches Essen, die Gastronomie ist vom Feinsten", schwärmt er.

Kitt genießt, geht ins Kino, besucht Vorträge. Es ist seine dritte Reise auf der Queen Mary 2, dieses Mal hat er eine Balkonkabine gebucht. Umgerechnet 1.200 Euro pro Person zahlt der erfahrene Kreuzfahrer für sieben Tage. Abgesehen von Alkohol ist alles inklusive. Das Schiff gehört neben zwei weiteren zur Reederei Cunard Line. Der Mutterkonzern, die britisch-amerikanische Carnival, ist das größte Kreuzfahrtunternehmen der Welt. Bekannte Marken wie Aida, Princess Cruises oder Costa Crociere gehören dazu.

Der Gigant kämpfte in den vergangenen zwei Jahren ums Überleben. Das Geschäft war während der Pandemie zum Stillstand gekommen, der Vorstand reduzierte die ursprünglich über 100 Einheiten zählende Flotte um 26 Schiffe, baute Stellen ab. Von den US-Behörden gab es keine Zuschüsse oder Hilfen wie etwa für US-Airlines - auch, weil Carnivals Struktur verschachtelt ist mit einem Doppelsitz in Miami und dem britischen Southampton. Kritiker werfen dem Konzern Steueroptimierung vor. Aber auch andere große Reedereien erhielten keine Hilfen vom US-Staat.

Stattdessen holte die Gründerfamilie Arison im Frühjahr 2020 den saudischen Staatsfonds per Kapitalerhöhung ins Boot. Die Saudis sind heute mit 5,1 Prozent einer der größten Aktionäre neben Micky Arison. Der 72-jährige Boss hält 8,7 Prozent der Anteile. Er expandierte die Firma, die er von seinem Vater übernommen hatte, binnen dreier Dekaden von zwei auf über 100 Schiffe.

Buchungsrekord Anfang April

Die jüngsten Buchungszahlen des Primus belegen, dass Carnival wieder Fahrt aufnimmt. Im Jahr 2020 hatte der Konzern eine Handvoll Schiffe in Betrieb, Ende 2021 waren es 57. Anfang April verzeichnete die schon vor 50 Jahren gegründete Carnival die stärkste Buchungswoche ihrer Firmengeschichte. Im November werden die Amerikaner ihr neuestes Schiff, die 344 Meter lange Carnival Celebration, in Port Miami in Betrieb nehmen. Bis Ende Juni dürfte Carnival laut eigenen Angaben über 94 Schiffe verfügen.

Weltreise in 30 Minuten ausgebucht

Eine ähnliche Aufbruchstimmung erlebt der weitaus kleinere Rivale Norwegian Cruise Line. Konzernchef Frank Del Rio bestellte jüngst neun weitere Schiffe, die bis 2027 ausgeliefert werden sollen und die aus gegenwärtig 28 Einheiten bestehende Flotte verstärken. Del Rio vertraut auf die Marketingfähigkeiten seiner Crew. Und die haben es in sich: Die Tochterfirma Oceania Cruises etwa verkaufte eine 180-Tage-Weltreise für das Jahr 2024 nach dem Verkaufsstart am 2. März innerhalb von 30 Minuten komplett. Dieses sowie weitere Angebote bescherten dem Unternehmen zuletzt einen Buchungsrekord, der die bisherige Bestmarke vom September 2021 um fast zwölf Prozent übertraf.

Das verwundert kaum, hungern doch viele Stammkunden nach den Pandemie-Jahren auf luxuriöse Schiffsreisen. Des Weiteren hilft der Branche, dass die meisten Länder weltweit ihre Corona- Beschränkungen lockern. Reiseveranstalter melden erhebliche Anstiege der Buchungen für die Frühjahrs- und Sommersaison. Der wichtige US-Reisemarkt soll laut Welttourismusverband WTTC im laufenden Jahr mit fast zwei Billionen Dollar Umsatz das Niveau von vor der Pandemie erreichen. "Die Erholung dürfte sich in diesem Jahr deutlich beschleunigen, sagt unsere jüngste Prognose", so Präsidentin Julia Simpson.

Die Kreuzfahrtbranche schippert jedoch hinterher, die Erholung verlief wegen des besonderen Risikos mit Rückschlägen. Schließlich sitzen bei Corona- Fällen meist alle Passagiere buchstäblich in einem Boot. An der hochansteckenden Omikron-Variante infizierten sich immer wieder Schiffsgäste oder Personal. So mussten einige Reedereien Reisen stornieren und Routen ändern. Allerdings sind die Fallzahlen äußerst gering. Seit der Wiederaufnahme der Kreuzfahrten in den USA im Juni 2021 beförderte etwa die Nummer 2 weltweit, Royal Caribbean, 1,1 Millionen Gäste bis Ende Dezember. 1745 wurden positiv getestet - eine Quote von lediglich 0,162 Prozent. Das liege daran, dass fast alle an Bord geimpft waren und vor dem Einsteigen einen negativen Test nachweisen mussten, heißt es vom Unternehmen.

Das Virus hat den wohlhabenden Stammgästen die Vorfreude auf das genussvolle Schippern nicht verleidet. Ganz im Gegenteil: Viele vermögende Senioren wollen weiterhin viel Zeit in ihrem Ruhestand auf Luxusschiffen verbringen, wie eine Umfrage des US-Branchenportals Cruise Critic unter erfahrenen Kreuzfahrern Ende 2021 zeigte. Rund zwei Drittel der mehr als 5.000 Befragten hatten demnach zum Zeitpunkt eine Fahrt gebucht, die Mehrheit will schon im ersten Halbjahr 2022 in See stechen. Vor allem Fahrten von Nordamerika in die Karibik bleiben bei Amerikanern beliebt. Um die Nachfrage bedienen zu können, investieren die Reedereien viel in neue Kapazitäten. Allein die Branchengrößen Carnival, Royal Caribbean und Norwegian Cruise Line lassen im laufenden Jahr 16 neue Luxusdampfer vom Stapel laufen.

Milliarden versenkt

Marktführer Carnival hat allen Grund, optimistisch zu sein. Im Geschäftsquartal von Dezember bis Februar steigerte der Primus die Zahl der beförderten Gäste um fast 20 Prozent. Zugleich stieg der Umsatz je Kreuzfahrttag und Passagier. "Wir haben hart daran gearbeitet, den Betrieb als stärkeres und nachhaltigeres Unternehmen wieder aufzunehmen. Wir wollen im Lauf der Zeit zweistellige Renditen auf das investierte Kapital erzielen", gibt Carnival-Chef Arnold Donald den Kurs vor.

Noch allerdings sind die Verluste hoch, allein im ersten Quartal waren es 1,9 Milliarden Dollar. Verfolger Royal Caribbean, der auch das Joint Venture TUI Cruises mit TUI betreibt, verbrannte im vierten Quartal mit seinen 63 Schiffen fast 1,4 Milliarden Dollar. Chef Jason Liberty bleibt dennoch hoffnungsvoll, 2022 soll demnach ein "starkes Übergangsjahr" werden. Der Konzern nimmt, wie seine Wettbewerber, den Rest seiner Flotte wieder in Betrieb.

Auf der Queen Mary der Cunard-Reederei genießen derweil die Kitts das tiefe Blau und die Weite des Ozeans. "Du liest an Deck und die Welt ist in Ordnung", sagt Martin Kitt. Und der Passagier hat noch einen Tipp für deutsche Kreuzfahrer: Wer über ein US-Portal wie cruise.com oder cruisedirect.com buche, fahre meist günstiger als bei deutschen Websites.

Royal Caribbian

Liebling der Wall Street

Das Imperium aus Miami vermarktet drei globale Marken: Royal Caribbean, Celebrity Cruises und Silversea Cruises. Analysten sind äußerst zuversichtlich. Zehn Experten raten zum "starken Kauf", sieben zum "Kauf", bloß fünf empfehlen die Aktie als Halteposition. Die Nummer 2 der Branche dürfte im laufenden Jahr ihre Verluste deutlich reduzieren und 2023 mit Volldampf in die Gewinnzone steuern. Im Schnitt erwartet die Wall Street dann ein Ergebnis je Aktie von plus 5,73 Dollar nach minus 3,97 Dollar im laufenden Jahr.

Investor-Info


Carnival

Kurs auf Gewinnzone

Der Branchenprimus ist ein wahrer Riese, im vergangenen Jahr betreuten insgesamt 65.000 Crewmitglieder über 1,2 Millionen Gäste. In der Kasse des Weltmarktführers lagen zum Jahreswechsel 9,4 Milliarden Dollar in bar, allerdings ist der Konzern um ein Vielfaches dessen verschuldet. Analysten prognostizieren für 2022 deutlich niedrigere Verluste, ab 2023 sehen sie wieder erhebliche Gewinne. Bodenbildung abwarten.

Norwegian Cruise Lines

Value-Investor an Bord

Mit rund neun Milliarden Dollar Börsenwert ist der amerikanische Konzern mit Sitz in Miami recht klein im Vergleich zur Branchenspitze. Die Aktie gilt als vergleichsweise günstig. Der bekannte US-Fondsmanager und Value-Investor Bill Miller hält ein rund 100 Millionen Dollar schweres Paket. Analysten rechnen 2022 mit etwa 13 Prozent Umsatzwachstum. Ab 2023 dürfte es wieder Gewinne geben. Als Beimischung.