Reif für den Einstieg, Emerging-Markets-Anleihen als Katalysator für das Portfolio 2021, Daumen hoch für Schwellenländer - so lauteten zum Jahreswechsel die fast schon euphorischen Einschätzungen von Anlagestrategen. Und nun? Kurz vor Jahresmitte stehen Minuszeichen bei der Wertentwicklung von Indizes und Fonds des Bondsegments.

Die wichtigsten Gründe dafür sind die steigenden Zinsen in den USA und Turbulenzen in verschiedenen Schwellenländern. Dass Anleger die Anlageklasse weiter als attraktiv erachten, zeigen indes Daten des Weltbankenverbands IIF: Ausländische Investoren steckten im Mai 9,8 Milliarden Dollar in Emerging-Markets-Bonds, in Schwellenländer- Aktien flossen nur vier Milliarden.

"Besitzer von Schwellenländer-Anleihen müssen sich seit über einem halben Jahr anhören, ihre Vermögensklasse verlöre angesichts steigender US-Zinsen an Attraktivität", erläutern die Experten des Fondsanbieters DWS. Kursverluste müssten bei steigenden US-Renditen zunächst aber einmal die Besitzer von US-Staatsanleihen hinnehmen. Ob der Verlust bei Schwellenländer-Bonds größer oder kleiner ausfalle, hänge vor allem davon ab, wie sich ihre Spreads entwickelten, also der Risikoaufschlag gegenüber ausfallsicheren US-Staatsanleihen. Und zuletzt hätten sich diese Spreads bei steigenden Zinsen in den USA meist eingeengt. "Somit konnte der Kursverlust, der mit der Erhöhung der US-Renditen einherging, teilweise kompensiert werden", so die DWS.

Würde Kapital wegen der höheren US-Zinsen vermehrt von Schwellenländern in die USA fließen, hätte sich der Spread ausgeweitet. Emerging Markets ziehen nur schnelles Geld an, das bei Turbulenzen oder auskömmlicheren Renditen in den entwickelten Märkten ebenso schnell wieder abfließt? Von derlei Vorurteilen sollten sich Anleger nach Ansicht der DWS verabschieden.

Zunehmende Reife

Für viele Schwellenländer seien die Risikoprämien fast auf Vor-Corona-Niveau geschrumpft, für andere Emerging Markets notierten sie noch deutlich darüber. Ähnliches zeige sich bei den Bonitäten: Die Spreads bei Bonds mit Investment-Grade-Rating seien nur noch leicht höher, im High-Yield-Bereich liege der Risikoaufschlag deutlich über den Werten vor der Krise. Sich häufende negative Schlagzeilen könnten den Eindruck bestätigen, Schwellenländer verdienten einen hohen Risikoaufschlag. "Wir hingegen glauben, dass der Spread die Risiken mehr als angemessen abbildet", meinen die DWS-Experten.

Eine Reihe von überraschenden Ereignissen, die für eine höhere Volatilität gesorgt hätten, nennt Alejandro Arevalo, Head of Emerging Market Debt bei Jupiter Asset Management, als weiteren Grund für die maue Entwicklung. So feuerte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan im März den als marktfreundlich geltenden Zentralbankchef, worauf die türkische Lira einbrach. Im April kursierten Gerüchte, der chinesische Vermögensverwalter Huarong bereite den Zahlungsausfall der Auslandsschulden vor. Es gab Befürchtungen, der schwelende Konflikt zwischen der Ukraine und Russland könnte eskalieren. In Peru gewann der linke Kandidat Pedro Castillo überraschend die erste Runde der Präsidentschaftswahlen, die Stichwahl am vergangenen Sonntag konnte er mit hauchdünnem Vorsprung offenbar ebenfalls für sich entscheiden.

Arevalo interpretiert die Reaktion der Investoren auf die steigenden US-Zinsen und die vier genannten Ereignisse als durchaus positiv für das Anleihesegment. "Die Tatsache, dass der Haupttreiber der Performance der Ausverkauf bei US-Treasuries war, ist ein Zeichen dafür, dass sich die Anlageklasse so verhält, wie man es von Anleihen aus Industrieländern erwarten würde", erläutert er. Auch die Überraschungen in den vier Ländern seien bewältigt worden: "In keiner der Regionen gab es eine Ansteckung auf andere Schwellenländer oder innerhalb der gesamten Anlageklasse", sagt Arevalo.

Was 2021 bisher zu beobachten gewesen sei, deute letztlich auf die zunehmende Reife von Schwellenländer-Anleihen als Anlageklasse hin. "Schocks und Turbulenzen, die wir früher erlebt haben, gehören der Vergangenheit an. Gleichzeitig sind Schwellenländer-Anleihen eine der wenigen Anlageklassen, wo Anleger noch ein gesundes Renditeniveau finden", stellt Arevalo fest.

Unterbewertete Währungen

Wie geht es nun weiter? Die Strategen von Degroof Petercam Asset Management (DPAM) verweisen darauf, dass viele Schwellenländer bei Impffortschritt und Wachstumserholung noch deutlich hinter den entwickelten Volkswirtschaften lägen. "Der diesbezügliche Abstand zwischen Schwellen- und Industrieländern wird sich aber wieder verringern", so Portfoliomanager Hugo Verdière. Auch, weil die Schwellenländer als Lieferanten und Rohstoffexporteure von der anziehenden privaten und industriellen Nachfrage in den entwickelten Staaten profitieren werden.

Bei der Geldpolitik der Zentralbanken gebe es große Unterschiede. "Einige haben die Leitzinsen bereits erhöht, wie Brasilien oder Russland, andere haben weiter gelockert wie Rumänien oder Mexiko", so Verdière. Voriges Jahr hätten aggressive Leitzinssenkungen viele Schwellenländer-Devisen belastet. "Die Bodenbildung bei den Leitzinsen sollte unterstützend für die Währungen sein", so Verdière. Der Anteil des Währungsertrags am Anlageergebnis von Schwellenländer-Anleihen sollte damit steigen.

Breite Aufstellung

Bei Jupiter hat Arevalo zurzeit eine regionale Übergewichtung in Lateinamerika. Dort sieht er Chancen bei Bonds, die von höheren Rohstoff- und Energiepreisen profitierten. Zudem überzeugten in Afrika die Fundamentaldaten ausgewählter staatlicher Emittenten. Untergewichtet sei Asien, da dort ein Großteil der Erholung nach der Krise schon stattgefunden habe. Wie wichtig indes ein breit aufgestelltes Investment sei, hätten etwa die Schwankungen infolge der Gerüchte um Huarong gezeigt.

"In Summe stehen die Schwellenländer heute makroökonomisch auf solideren Füßen als vor ein, zwei Jahrzehnten", stellen die DWS-Experten fest. Die Anlageklasse bleibe gleichwohl sehr heterogen. Nach dem Marktkollaps im Frühjahr 2020 habe es reichlich Gelegenheiten gegeben, nun müsse man wieder stärker auswählen. "Auch wenn nicht auszuschließen ist, dass politische Schlagzeilen kurzfristig für Volatilität sorgen könnten, sollten sich längerfristig orientierte Anleger von alten Denkmustern befreien und allein aus Diversifikationsgründen Schwellenländer-Anleihen mehr Aufmerksamkeit schenken", meint man bei der DWS.
 


INVESTOR-INFO

DWS QI Extra Bond Tot. Return

Ohne Wechselkursrisiko

Der Fonds investiert in Schwellenländer-Bonds, die Staaten oder Unternehmen in Dollar oder Euro begeben, das Währungsrisiko für hiesige Anleger wird abgesichert. Zurzeit haben Rumänien, Indonesien, Chile und Mexiko die größten Anteile am Portfolio. Das Rating beträgt im Schnitt "BBB", die Rendite der Papiere im Portfolio lag zuletzt bei 1,7 Prozent per annum. 2021 ist der Fonds im Minus, auf Sicht von zehn Jahren brachte er bei relativ geringer Volatilität durchschnittlich eine Rendite von rund 3,5 Prozent jährlich.

DPAM Bonds Em. Mkts. Sustain.

Mit Lokalwährungschance

In Staatsanleihen, die in lokaler Währung emittiert wurden, investieren Anleger mit dem DPAM-Fonds. Bestimmte Länder wie China oder Russland bleiben wegen des Nachhaltigkeitsansatzes außen vor. Südafrika, Mexiko und Indonesien haben derzeit das größte Gewicht. Bei den Bonitäten liegt der Schwerpunkt im "BBB"-Bereich. Auch dieser Fonds ist 2021 bisher im Minus. In den vergangenen fünf Jahren brachte er im Schnitt eine Rendite von rund vier Prozent pro Jahr.

ERSTE BOND EM CORPORATE

Für Unternehmensanleihen

Der Fonds investiert in Bonds, die von Unternehmen mit Sitz in den Schwellenländern emittiert wurden. Wechselkursrisiken werden gegen den Euro meist abgesichert. China, Mexiko und Brasilien haben regional zurzeit den größten Anteil. Das Rating beträgt im Schnitt "BB". Die Wertpapierrendite im Portfolio lag zuletzt bei 3,6 Prozent. Für 2021 steht bisher ein Minus zu Buche. Auf Sicht von zehn Jahren brachte der Fonds im Schnitt eine Rendite von circa fünf Prozent jährlich.