Das Coronavirus bringt alle Zeitpläne durcheinander: Selbst der Chinesische Volkskongress musste in diesem Jahr um zwei Monate verschoben werden. Üblicherweise kommt das Scheinparlament des Riesenreichs jedes Jahr im März zusammen. Nun fand das Treffen in verkürzter Form und unter strengen Vorsichtsmaßnahmen Ende Mai statt.

Die Zusammenkunft der rund 3000 Parlamentarier sollte ein klares Signal an die Weltöffentlichkeit senden: Seht her, unser Land hat das Virus in den Griff bekommen und kehrt nun entschlossen zur Normalität zurück. Neben einem umstrittenen "Sicherheitsgesetz" für Hongkong beschloss der Volkskongress auch neue Milliardenausgaben, mit denen das Land gegen die wirtschaftlichen Folgen der Virusepidemie ankämpfen will. Unter anderem ist die Ausgabe frischer Staatsanleihen im Wert von umgerechnet 128 Milliarden Euro vorgesehen, zudem sollen Steuern und Abgaben gesenkt werden.

Zurück auf den Erholungspfad. Dass China den politischen Willen und die finanzielle Kraft hat, die Krise zu überwinden, ist offensichtlich. Das Land, in dem die Corona-Pandemie Ende 2019 begann, hat das Virus weitestgehend eingedämmt - ein Erfolg, der auch anderen asiatischen Ländern wie Taiwan oder Südkorea gelungen ist. Den Staaten kommt zugute, dass sie bereits Erfahrung im Umgang mit Virusepidemien besitzen und flächendeckend sogenannte Tracing-Apps eingesetzt haben, um Infektionsketten aufzuspüren.

Die asiatischen Schwellenländer können wirtschaftlich also wieder auf den Erholungspfad zurückkehren, während es anderswo noch düster aussieht: Länder wie Brasilien, Russland oder Indien kämpfen nach wie vor mit hohen Infektionszahlen, beschlossene Lockerungsmaßnahmen erscheinen oft verfrüht.

In der Corona-Krise leiden besonders vom Tourismus abhängige Staaten wie Thailand oder Rohstoffexporteure wie Russland, Venezuela und Mexiko, bei denen der Ölpreisverfall zu sinkenden Einnahmen führt. Vielfach gesellt sich zum ökonomischen Schock durch die Pandemie der starke Abfluss ausländischer Gelder. Erkennbar ist dies an der massiven Abwertung einiger Emerging-Markets-Währungen gegenüber dem US- Dollar. So kamen etwa der brasilianische Real, der südafrikanische Rand oder die türkische Lira stark unter Druck.

Investoren wissen, wenn weltweit weniger gehandelt und gereist wird, trifft das die aufstrebenden Volkswirtschaften am härtesten. "Im März waren die Abflüsse aus Schwellenländerfonds dramatischer als während der Finanzkrise", sagt Lutz Röhmeyer, Manager des globalen Anleihefonds Capitulum Weltzins-Invest Universal.

Wochen später relativiert sich der Blick auf die Schwellenländer wieder. Mittlerweile ist klar geworden, dass längst nicht so viele Unternehmen pleitegehen oder Staaten in Zahlungsschwierigkeiten geraten wie ursprünglich eingepreist. Bei Ländern wie Argentinien, die tatsächlich in Schieflage sind, zeichnete sich diese Situation schon vor der Viruskrise ab. Bei vielen anderen Staaten schweift der Blick auf die mittel- und langfristigen Erholungschancen. Und die sind nicht schlecht.


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"Ohne die Emerging Markets ist eine Wiederherstellung funktionsfähiger globaler Lieferketten zumindest vorerst nicht möglich", schreiben die Analysten der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), "und so werden viele dieser Staaten von den voluminösen staatlich gestützten und geldpolitisch alimentierten ,Aufbauprogrammen‘ der Industrieländer profitieren."

Von nicht zu unterschätzender Bedeutung sind auch die Anstrengungen Chinas, auf den gewohnten Wachstumspfad zurückzukehren. Je schneller die heimische Wirtschaft wieder an Fahrt aufnimmt, desto stärker erholt sich die gesamte asiatische Region. Das hat wiederum positive Auswirkungen auf die Rohstoffpreise und hilft damit den rohstoffexportierenden Schwellenländern auch in anderen Regionen.

Schneller aus der Krise. Die Experten der LBBW gehen davon aus, dass die Emerging Markets mit Ausnahme von China eine sich über das Jahr 2020 hinziehende Durststrecke überstehen müssen. 2021 dürfte dann eine kräftige Erholung einsetzen. So prognostiziert es auch der Internationale Währungsfonds IWF. Demzufolge wird das Bruttoinlandsprodukt der Schwellenländer in diesem Jahr um voraussichtlich 1,1 Prozent schrumpfen und im kommenden Jahr um 6,6 Prozent zulegen.

Der Rückgang bei der Wirtschaftsleistung fällt also wesentlich geringer und die Erholung deutlich dynamischer aus als in den entwickelten Staaten, bei denen der IWF in diesem Jahr mit einem BIP-Einbruch von 6,1 Prozent und 2021 mit einem Wachstum von 4,5 Prozent rechnet. Nicht nur der Währungsfonds kalkuliert in diese Richtung. Auch Fondsmanager Röhmeyer glaubt, "dass die Schwellenländer deutlich schneller aus der Krise kommen werden als die Industriestaaten". Voraussetzung dafür ist allerdings, dass es zu keiner zweiten heftigen Infektionswelle kommt.

Eine systemische Schwellenländerkrise hält nicht nur Röhmeyer für unwahrscheinlich. Viele aufstrebende Volkswirtschaften haben ihre wirtschaftspolitischen Hausaufgaben gemacht und sind heute krisenresistenter. Die Leistungsbilanzdefizite wurden reduziert, Reformen durchgeführt und vielerorts die Inlandsnachfrage gestärkt. Makroökonomisch stehen daher zahlreiche Schwellenländer etwa in Asien besser da als so manche hoch verschuldete entwickelte Volkswirtschaft.

Ungewohnte Zinspolitik. Hinzu kommt, dass die Schwellenländer zum ersten Mal in der Geschichte wie die Industriestaaten in der Krise reagieren können: Ihre Notenbanken senken die Zinsen, um Unternehmen und Verbraucher zu entlasten. Möglich macht das in vielen Staaten eine Inflationsrate, die nicht gleich auszuufern droht.

"Trotz gelockerter Geldpolitik sind die Zinsen bei Schwellenländeranleihen immer noch attraktiv", sagt Röhmeyer. Ganz im Unterschied zu den Anleihen aus Europa oder den USA, wo die Notenbanken wohl auf Jahre hinaus an Nullzinsen festhalten werden. Allein dieser Umstand sorgt dafür, dass Investoren auf der Suche nach Rendite vermehrt ihren Blick auf die Schwellenländer richten.

Privatanleger können die Chancen des Segments ebenfalls nutzen. Am besten wählen sie dazu den Einstieg über entsprechende Fonds. Eine breite Streuung wie beim Portfolio von Capitulum oder dem Indexfonds von iShares hilft, Risiken zu reduzieren.

Ein gutes Verhältnis von Chancen zu Risiken sollten Anleger auch bei der Investition in Schwellenländer-Aktien anstreben. Möglich ist das zum einen mit einem ETF, der auf die schwankungsärmsten Aktien im MSCI Emerging Markets Index setzt. Zum anderen überzeugt ein aktiv gelenkter Fonds wie der von Vontobel, der bei der Titelauswahl den Fokus auf Nachhaltigkeit setzt.


€URO-EMPFEHLUNGEN

Vontobel MTX Sustainable Emerging Markets Leaders


Zu den besten Schwellenländerfonds der vergangenen Jahre zählt der Vontobel MTX Sustainable Emerging Markets Leaders, der von Roger Merz und Thomas Schaffner gemanagt wird. Bei der Titelauswahl nutzen die beiden eine Kombination aus systematischen Filtern und fundamentaler Unternehmensanalyse. Sie wollen Aktien von Firmen entdecken, die unterdurchschnittlich bewertet sind, aber eine überdurchschnittliche und nachhaltige Rentabilität aufweisen. Sie setzen auf Unternehmen, die ihre Gewinne wieder investieren, und bewerten sie anhand eines eigens entwickelten Nachhaltigkeitsindex. Bestimmte Umwelt-, Sozial- und Governance-Mindeststandards müssen für eine Investition erfüllt sein. Im Portfolio dominieren zu gut zwei Dritteln Aktien aus China, Südkorea, Taiwan und Hongkong. Die größten Positionen nehmen aktuell Alibaba, Tencent und Taiwan Semiconductor ein.

iShares MSCI EM Minimum Volatility


Für Schwellenländeraktien sollte man eine gewisse Risikofreude mitbringen. Übertreiben muss man es aber nicht, denn langfristig schneiden schwankungsarme Aktien oft besser ab als besonders schwankungsfreudige Titel. Mit sogenannten Minimum-Volatility-ETFs können sich Anleger diese Erkenntnis zunutze machen. Mit dem iShares Edge MSCI EM Minimum Volatility ETF investiert man in jene Schwellenländeraktien, die wenig schwanken und gering miteinander korreliert sind. Damit das Portfolio nicht nur aus Versorgern und nichtzyklischen Konsumwerten besteht, gibt es eine Regel: Die Sektoren im ETF dürfen um maximal fünf Prozentpunkte vom klassischen MSCI Emerging Markets Index abweichen. Ähnliches gilt für die Ländergewichtung. In den vergangenen zehn Jahren erzielte der Min-Vol-Index eine um 30 Prozentpunkte bessere Performance als der MSCI Emerging Markets Index.

Capitulum Weltzins-Invest Universal


Die von Ökonomen erwartete dynamischere Erholung in den Schwellenländern im Vergleich zu den Industrienationen bietet auch Anleiheinvestoren Chancen. Generell zeigt sich: Staaten, die Anleihen in heimischer Währung ausstehen haben, sind weniger ausfallgefährdet als Länder, die sich überwiegend in Euro oder Dollar verschuldet haben. In solche Länder und deren Lokalwährungsanleihen investiert der Capitulum Weltzins-Invest Universal. Dabei streut Fondsmanager Lutz Röhmeyer sehr breit über rund 70 Währungen und 500 Einzeltitel. Um das Risiko weiter zu senken, investiert er gern in Titel supranationaler Emittenten wie Förderbanken. So vereinnahmt er einerseits die höheren Zinsen von Lokalwährungsanleihen, geht andererseits aber kein hohes Bonitätsrisiko ein. Der Fonds schwankt kaum. Die Rendite der Ausschüttungen beträgt jährlich rund sieben Prozent.

iShares $ EM Corporate Bond


Für Anleiheinvestoren auf der Suche nach Rendite boten Unternehmensbonds aus den Schwellenländern vor der Krise eines der letzten Refugien. Die Auswirkungen der Viruspandemie trafen jedoch auch diese Anlageklasse mit Wucht. Das Schlimmste scheint inzwischen eingepreist zu sein, und die Kurse erholen sich wieder. Wer vom Aufschwung des Gesamtmarkts profitieren will, für den bietet sich der ETF von iShares an, der die Entwicklung von mehr als 960 Unternehmensanleihen aus Schwellenländern nachzeichnet, die in US-Dollar begeben wurden. Mit knapp zehn Prozent sind Firmenbonds aus China am höchsten gewichtet. Anleihen von Industrieunternehmen dominieren mit gut 40 Prozent. Die Fälligkeit der Papiere liegt schwerpunktmäßig zwischen drei und fünf Jahren. Bei der Bonität liegt das Hauptgewicht auf Papieren mit "BBB"-Rating und damit gerade noch Investment Grade.