Wie sich Anleger bei der neuen Chip-Generation der Verbindungshalbeiter positionieren. Warum Deutschland und Europa in dem lukrativen Wachstumsmarkt besonders gute Chancen haben.

Von Kohle zu Chips: Zwei bis drei Milliarden Euro soll das weitgehend automatisierte Halbleiterwerk für Chips aus Siliziumcarbid auf dem Gelände des ehemaligen Kohlekraftwerks nahe dem saarländischen Ensdorf kosten. Die Fab wie Chipfabriken genannt werden wird das größte Werk des US-Konzerns Wolfspeed und es könnte der Beginn eines aussichtsreichen Strukturwandels in der Region werden. Wolfspeed baut die Fab in Kooperation mit Autozulieferer ZF Friedrichshafen, der sein größtes Werk in Saarbrücken derzeit auf elektrische Achsen umrüstet. Nicht nur die Branche ist in der saarländischen Region neu, sondern auch die Chips, die dort produziert werden sollen. Der Rohstoff der sogenannten Verbindungshalbleiter besteht aus Silizium und einem weiteren Element, in diesem Fall Carbid.

Bessere Chips, rasantes Wachstum

Im Vergleich zu herkömmlichen Chips nur aus Silizium halten Verbindungshalbleiter aus Siliziumcarbid höhere Spannungen aus, geben weniger Wärme ab und sind deshalb deutlich energieeffizienter. Darüber hinaus können Systeme mit Verbindungshalbleitern viel kleiner gebaut werden, auch das ist ein Vorteil. Diese Art von Chips laden Smartphones und Elektroautos deutlich schneller auf, in Motoren eingebaut, verlängern sie die die Reichweite von Elektrofahrzeugen und in den Wechselrichtern von Windkraft-und Solaranlagen wandeln sie den Gleichstrom effizienter in den transportfähigen Wechselstrom (siehe Graphik). Die Halbleiter sind damit Schlüsselkomponenten für den Ausbau und die Weiterentwicklung der Elektromobilität in der Autoindustrie und beim dem nun in Europa und weltweit forcierten Ausbau der regenerativen Energieerzeugung.

Siliziumcarbid-Chips – bis 2030 von 0,9 auf 11,3 Milliarden Dollar Umsatz

Mit Verbindungshalbeitern aus Siliziumcarbid als Komponenten in Elektroautos wurden 2021 weltweit 912 Millionen Dollar umgesetzt, 2025 sollen es 3,3 Milliarden und 2030 bereits 7,5 Milliarden Dollar sein, prognostizieren Experten der US-Bank Goldman Sachs. Das Wachstum bis 2025 entspricht jährlichen Zuwächsen von 37 Prozent, danach bis 2030 von 26 Prozent pro Jahr. Nimmt man die Siliziumcarbidchips für verschiedene Industrien insbesondere Wind- und Solaranlagen dazu, werden für 2030 rund 11,3 Milliarden Dollar prognostiziert. Europa und im Besonderen Deutschland mit seiner starken Industrie sowie den Autokonzernen BMW, Mercedes- Benz und Volkswagen, sind für das attraktive Wachstumssegment im Chipmarkt prädestiniert. Bei dem gemeinsamen Termin mit Wolfspeed-Chef Gregg Lowe und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in Ensdorf betonte Bundeskanzler Olaf Scholz die "Umbrucherfahrung" des Saarlandes. Nach der guten alten Zeit könne jetzt dort eine gute neue Zeit beginnen. Die künftige Chipfabrik könne einen Beitrag leisten, die europäische Industrie mit Halbleitern zu versorgen. Dafür müsse das europäische Beihilferecht agiler und "zeitlich flexibler" werden, mahnte der Kanzler, Vorschläge der EU zeigten jedoch in die richtige Richtung. Wolfspeeds Partner ZF beteiligt sich mit einem "dreistelligen Millionenbetrag an den Investitionen in die bisher größte Fab der Amerikaner". Damit ist ZF, mit weltweit mehr als 150 000 Beschäftigten einer der größten Autozulieferer, an dem Forschungszentrum der Amerikaner und der Fabrik beteiligt. Die Investition sichert den Friedrichshafenern, die künftig auch Anteilseigner von Wolfspeed sind, frühzeitig den Zugang zu den bei Autozulieferkonzernen begehrten Silizumcarbid-Chips.


Goldman Sachs
Siliziumcarbidchips - Anwendungen und Marktprognosen bis 2030

SILIZIUMCARBIDCHIPS - EFFIZIENTER ALS SILIZIUMHALBLEITER


Gegenüber Silizium-Chips halten sogenannte Verbindungshalbleiter höhere Stromspannungen aus und geben bis zu 50 Prozent weniger Wärme ab. Das sind große Vorteile beim Wandel von Strom und beim Laden. Die Komponenten sind bis zu zehn Mal kleiner und damit auch für den 5G-Mobilfunk geeignet. 2021 wurden mit Siliziumcarbidchips in Elektroautos 912 Millionen Dollar umgesetzt. 2030 sollen es weltweit 7,5 Milliarden Dollar sein,
einschließlich der Chips für die Industrie 11,3 Milliarden Dollar

Europas Trumpf bei Siliziumcarbidchips

Gut möglich, dass sich während der nächsten Jahre weitere US-Spezialisten für Siliziumcarbidchips, etwa ON Semiconductor, für Fabs in Deutschland oder Europa entscheiden. Die Wege zu den Kunden in der Autobranche und in den verschiedenen Industrien wären kurz. Zudem werden die Verbindungshalbleiter, die als sogenannte Leistungshalbleiter verschiedene Stromspannungen regulieren, den verschiedenen Anforderungen der Kunden angepasst. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu Massenmärkten in der Chipbranche, wie etwa Speicherchips, die vom starken Auf und Abs in der Nachfrage, Knappheit und Überangebot, den sogenannten Zyklen geprägt sind. Bei Leistungshalbleitern und damit auch bei Siliziumcarbidchips sind die Zyklen viel weniger ausgeprägt. Die durchschnittlichen Gewinnmargen sind höher und sie schwanken deutlich weniger als bei Chips in Massenmärkten. Auch weil Liefervereinbarungen der Chipkonzerne mit ihren Firmenkunden, etwa in der Autoindustrie wegen der langen Modellzyklen, über mehrere Jahre laufen. Ein Trumpf für Chiphersteller, die Europa mit seiner starken Autobranche und den verschiedenen Industrien beliefern.


Infineons Aufstieg

Wie groß dieses Potenzial sein kann, hat der Münchner Chipkonzern Infineon mit  einer stärken Fokussierung auf Industrie-und Autochips nach der Abspaltung der Speicherchipsparte Qimonda gezeigt, die den Konzern durch hohe Verluste im 2009 an den Rand der Insolvenz geführt. Inzwischen haben die Münchner mit milliardenschweren Übernahmen im Silicon Valley, 2015 International Rectifier und Cypress Semiconductor im Jahr 2020 ihre globale Führung bei Leistungshalbeitern deutlich ausgebaut und sind die Nummer Eins bei Autochips – zudem belegen die Münchner mit soliden und stabilen Margen, dass sich Fabs auch in Europa lohnen. Infineons globales Kompetenzzentrum für Verbindungshalbleiter, neben Siliziumcarbid auch Galliumnitrid, ist, einschließlich einer Fab, im österreichischen Villach angesiedelt.


Wolfspeeds Potenzial früh erkannt

Auch ZF-Partner Wolfspeed ist ein erfolgreicher Pionier in der Entwicklung der neuen Chipgeneration. Infineon hatte das Potenzial von des US-Konzerns aus Durham in North Carolina früh erkannt und wollte Wolfspeed 2017, zwei Jahre nach dem Kauf von International Rectifier, übernehmen. Der Deal  wurde jedoch auf der letzten Meile durch das  Veto der US-Aufsichtsbehörde CFIUS blockiert. Der DAX-Konzern nahm den Rückschlag zum Anlass, seine Kompetenz bei Verbindungshalbleitern dann beschleunigt auszubauen. Parallel zu den Investitionen im österreichischen Villach bauen die Münchner auch die Kapazitäten an ihrem Standort in Kulim in Malaysia aus. Vor einem Jahr entstand dort eine Fab, die bei voller Auslastung zwei Milliarden Euro Umsatz liefern kann. Bis 2027 will Infineon die Kapazitäten in Kulim und Villach vom derzeitigen Stand aus auf drei Milliarden Euro verzehnfachen. Das Ziel für das Jahr 2025: eine Milliarde Euro Umsatz und 30 Prozent Marktanteil. Zwei Drittel dieser Erlöse werden Chips für verschiedene Industrien liefern, zu denen auch regenerative Energien zählen, den Rest die Autobranche.
Langfristig sind Autos aber der deutlich größere Markt für Siliziumcarbid- Chips. Vor allem in der Leistungselektronik von Premiumfahrzeugen ersetzen die Halbleiter spezielle Komponenten (IGBT) und erhöhen so den Wert der Chips pro Fahrzeug deutlich, von 315 auf 720 Dollar. Infineon, ein großer Lieferant von IGBT-Komponenten, profitiert von dieser Entwicklung.


Noch viel Bedarf für Optimierung

Im Vergleich zu Siliziumchips gibt es im noch jungen Markt für Verbindungshalbleiter in allen Bereichen viel Potenzial für Entwicklung und Optimierung: von den Anlagen zur Züchtung der Kristalle, wo Anlagenbauer PVA Tepla aus Jena engagiert ist, über die Scheiben (Wafer) zur Herstellung der Chips bis zu den Halbeitern. Die Prozesse sind noch zu komplex und teuer, Lieferengpässe sind ebenfalls ein Thema. Chipkonzerne wie Wolfspeed und ON Semiconductor in Amerika sowie Infineon und STMicroelectronics in Europa verfügen deshalb auch bei Wafern über eigene Kompetenzen, auch wenn sie die meisten Scheiben noch extern beziehen. STMicroelectronics etwa auch bei Wolfspeed. Insidern zufolge beliefert der französisch-italienische Konzern mit Sitz im schweizerischen Genf auch Elektroautobauer Tesla. Der wertvollste Autokonzern der Welt ist in seiner Branche bisher der größte Nutzer der speziellen Halbleiter. Nun zieht Teslas Konkurrenz nach und heizt die Nachfrage bei Silziumcarbidchips richtig an. STMicro will die erste Umsatzmilliarde mit diesen Komponenten noch in diesem Jahr erreichen, Wolfspeed hat für 2024 rund 1,5 Milliarden Dollar Umsatz avisiert, ist jedoch noch nicht profitabel. Konkurrent ON Semiconductor verfügt im Vergleich zu den meisten Konkurrenten über erhebliche eigene Waferkapazitäten und bietet den Kunden damit mehr Sicherheit in der Belieferung. Der noch junge Markt für Siliziumcarbidchips nimmt erst jetzt richtig Fahrt auf. Deutschland und Europa werden davon profitieren.


Infineon (WKN: 623100)

INFINEON - Aus der ersten Reihe

Durch die großen Zukäufe International Rectifier (2015) und Cypress Semiconductor (2020) wurde Infineon die globale Nummer1 beiAutochips und baute auch seine Dominanz bei Leistungshalbleitern aus, zu denen Siliziumcarbid-Chips zählen. Vorteil für Aktionäre: Infineon ist in dem neuen Markt stark, breit aufgestellt und kann seine soliden Margen weiter verbessern. Für das Geschäftsjahr bis September werden 15,5 Milliarden Euro Umsatz erwartet, gut neun Prozent mehr.


STMicroelectronics (WKN: 893438)

ST MICROELECTRONICS Deutlich mehr Kapazitäten

Mit drei Chipsfabriken (Fabs) in Frankreichs, Singapur und für Siliziumcarbid-Chips auf Sizilien baut STMicroelectronics seine Kapazitäten deutlich aus. Mit einem neuen Werk für die bei Verbindungshalbleitern benötigten Rohstoffe
will ST bis 2025 rund 40 Prozent des Eigenbedarfs decken. Wie Infineon präsentierte auch STMicroelectronics jüngst sehr starke Zahlen. Für 2023 werden 17,1 Milliarden Euro Umsatz, rund sechs Prozent mehr, erwartet.


PVA Tepla (WKN: 746100)

PVA Tepla - Spezialist für Silizium- und Siliziumcarbidkristalle


Das Auftragsbuch des Anlagenbauers PVA Tepla reicht bereits bis in Jahr 2025. Die SDAX-Firma aus dem hessischen Wettenberg, südlich von Marburg, entwickelt neben Anlagen zum Sintern von Hartmetall und zum Behandeln und Reinigen von Oberfläche auch Maschinen zur Zucht von Silizium- und Siliziumcarbid-Kristallen, also den Rohstoff für herkömmliche Chips und sogenannte Verbindungshalbleiter, die neben Silizium ein weiteres Element, zum Beispiel Carbid enthalten. Diese neuen Chips, deren Weiterentwicklung auch bei der Zucht der Kristalle große Fortschritte gemacht hat nutzen Energie effizienter, sind hohe Stromspannungen besser geeignet und könne kleiner gebaut werden als Siliziumchips. Damit sind sie prädestiniert für Elektroautos, Anlagen für regenerative Stromerzeugung sowie für Ladesäulen und -geräte und bescheren Anlagenbauer PVA in seiner größten Sparte einer Sonderkonjunktur. Auch geplante Bau von Chipfabriken außerhalb Asiens, auch in Europa sorgt für gut gefüllte Auftragsbücher. Für 2023 erwarten Analysten ein Fünftel mehr Umsatz, rund 215 Millionen Euro und beim Gewinn ein Plus von mehr als 40 Prozent. Seit End e zieht der Kurs SDAX-Papiers deutlich an, bis zum Allzeithoch sind es jedoch noch gut 40 Prozent.


SPEZIALISTEN UND EIN ZERTIFIKAT - Wolfspeed, ON Semiconductor, €uro am Sonntag Next Gen Tech

Im Jahr 2024 sollte Wolfspeed mehr als doppelt so viel wie 2021 erlösen. Die Umrüstung auf größere Wafer und die Nachfrage bei Siliziumcarbid-Chips sollten die Bruttomarge der Amerikaner auf fast 50 Prozent erhöhen. Für das Geschäftsjahr bis Juni derwarten Analysten bei 921,6 Millionen Dollar Erlös, ein Plus von mehr als einem Fünftel, rund 53,2 Millionen  Verlust. Im nächsten Jahr sollte das Unternehmen das viel Geld in den Bau von Fabs in Amerika und bald auch im Saarland investiert, die Gewinnschwelle erreichen. Mit knapp 45 Prozent mehr Umsatz, insgesamt mehr als 1,3 Milliarden Dollar prognostizieren Analysten im Schnitt knapp 60 Millionen Dollar. In den folgenden Jahren sollen  Umsatz und Nettogewinn dann deutlich stärker anziehen.

ON Semiconductor entwickelt, ähnlich wie Infineon, sogenannte Leistungshalbleiter, die Stromspannungen steuern und zu denen auch die neue Generation der Siliziumcarbidchips (Verbindungshalbleiter) zählen. Der größte Markt für den Konzern aus Phoenix in Arizona ist die Autoindustrie mit rund 47 Prozent der Gesamterlöse mit Leistungshalbeitern und Sensoren. Weitere 26 Prozent der Erlöse fährt ON Semiconductor in verschidenen Industrien ein. Für 2023 erwarten Analysten rund 7,9 Milliarden Dollar Umsatz und 1,9 Milliarden Gewinn, eine Milliarde Dollar Erlös sollen Siliziumcarbid-Chips liefern.

Mit dem Zertifikat auf das Wikifolio €uro am Sonntag Next Gen Tech, das neben Wolfspeed, ON Semiconductor und Infineon auch BMW, Mercedes, Tesla und Porsche enthält, nutzen Anleger den neuen Chiptrend in voller Breite.


Wolfspeed (WKN: A3C4QG)
ON Semiconductor (WKN: 930124)
LUS Wikifolio-Index Euro am Sonntag Next Gen Tech open end (L&S) (WKN: LS9SHB)

Hinweis auf Interessenkonflikte
Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Wolfspeed