Der hastige Führungswechsel bei Thyssenkrupp offenbart das ganze Dilemma des Stahlkonzerns. Die Thyssenkrupp-Aktie reagiert volatil.
Der überraschende Abgang von Thyssenkrupp-Vorstandschefin Martina Merz Ende Mai schockt die Aktionäre. Die Chefin hatte den Aufsichtsrat um eine Vertragsauflösung gebeten, nachdem sie sich mit ihrer Strategie der Verselbstständigung von Konzernteilen, insbesondere der Stahlsparte, festgefahren hatte. Doch nicht nur Arbeitnehmervertreter und Teile des Managements hatten sich quergestellt. Auch der Hauptaktionär, die Krupp-Stiftung, habe keine klare Linie erkennen lassen, sagen Kritiker. Nach der Rücktrittsankündigung verlor die Aktie zeitweise 13 Prozent.
Nachfolger von Merz soll nach dem Willen des Aufsichtsrats Miguel Ángel López Borrego werden, derzeit Chef des Autozulieferers Norma. Borrego solle die eingeschlagene Richtung fortsetzen. Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm lobte den
Spanier als „international geprägten Manager mit breiter Indus-trieerfahrung“ und als „Merger-Experten“. Merz war seit Oktober 2019 Thyssenkrupp-Chefin, ihr Vertrag war erst im vergangenen Jahr bis 2028 verlängert worden.
"Borrego fehlt Stallgeruch"
Investoren zeigten sich entsetzt — zum Beispiel die Fondsgesellschaft Deka, die 0,4 Prozent an Thyssenkrupp hält. Deka-Nachhaltigkeitschef Ingo Speich sagte gegenüber €uro am Sonntag, er bedauere das Ausscheiden von Merz. Doch die Entflechtung sei zuletzt schleppend gelaufen und Erfolge seien ausgeblieben. „Die internen Widerstände waren offenbar zu groß. Jetzt verliert Thyssen wieder kostbare Zeit“, warnt Speich und rät zur Eile: „Der neue Vorstandschef muss jetzt mutig, entschlossen und schnell die Weichen stellen.“
Für Marc Tüngler, Geschäftsführer der Aktionärsvereinigung DSW, hinterlässt Merz mit dem Stahlbereich ein ungelöstes Problem für Thyssenkrupp. „Dass nun ein Chef von außen kommt, dem der Stallgeruch fehlt, ist eine Herausforderung für den Konzern.“ Nun gingen wieder viele Monate ohne Entscheidungen verloren. „Das kostet Zeit und viel Geld.“ Letztendlich sei es fast egal, ob die Stahlsparte im Konzern bleibt oder abgegeben wird. Beides koste Geld. Bereits das Einschlagen eines Weges könne aber schon eine Erleichterung sein. Leider habe es Thyssenkrupp nicht geschafft, in Zeiten hoher Stahlpreise das Geschäft auf stabilere Beine zu stellen, beklagt Aktionärsschützer Tüngler.
Unterdessen hat der arabische Stahlkonzern Emirates Steel Arkan Medienberichten zufolge ein Auge auf die Stahltochter von Thyssenkrupp geworfen. Demnach könnte Emirates Steel Arkan in den kommenden Monaten ein Gebot vorlegen. Der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge sei eine Partnerschaft mit einer Minderheitsbeteiligung möglich.
Thyssenkrupp-Aktie unter Druck
Derweil war die Thyssenkrupp-Aktie von 7,75 Euro nach dem Abgang der Chefin um 22 Prozent auf 6,00 Euro gefallen. Von da konnte sich das Papier wieder bis auf 6,50 um annähernd zehn Prozent erholen. Dennoch ist weiter mit Volatilität zu rechnen. Derweil rät die BÖRSE ONLINE Redaktion weiterhin zum Kauf der Thyssenkrupp-Aktie mit einem Kursziel von 10,00 Euro. Einen Stopp sollten Anleger bei 4,90 Euro setzen.
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Hinweis auf Interessenkonflikte
Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Thyssenkrupp.