Der US-Immobilienexperte und Jamestown-Chef über den Wechsel im Weißen Haus, Aufzugfahren in Corona-Zeiten, Janet Yellen und alte Vorurteile. Von Bernhard Bomke, Euro am Sonntag
Fabian Spindler ist ein Kölner aus dem Schwabenland, und er hat den Überblick - in mehrerlei Hinsicht. Sein Gardemaß von zwei Meter fünf nutzte er zum Beispiel im Basketball, vor allem in den Nullerjahren, als er vier Jahre Bundesligaprofi war. Bevorzugte Position: Center. Also immer da, wo der Korb ist.
Die, sagen wir, Vogelperspektive ist nicht minder von Nutzen, wenn der 38-Jährige in seiner jetzigen Funktion als Geschäftsführer Fondsmanagement von Jamestown, Köln/Atlanta, die Landkarte der USA betrachtet. Ohne die geht es nicht, denn Jamestown ist seit 35 Jahren dick im Geschäft mit US-Immobilien. Das Unternehmen gilt hierzulande als die Institution, wenn es um US-Immobilienfonds für Privatanleger geht. Ein Gespräch übers Geschäft auf dem wichtigsten Immobilienmarkt der Welt.
€uro am Sonntag: Herr Spindler, Sie waren von 2003 bis 2007 Basketball-Profi und spielten in der Bundesliga unter anderem für Ludwigsburg und für die Crailsheim Merlins. Haben Sie sich dennoch für den Super Bowl der National Football League interessiert, dem in den USA alle entgegenfieberten?
Fabian Spindler: Ja klar.
Für wen waren Sie?
Ich war für Tom Brady und seine Tampa Bay Buccaneers, die den Titel holten.
Sind Sie Fan der Buccaneers?
Nein, das nicht. Aber ich finde, Brady hat in seiner Football-Karriere Großes geleistet. Und dann jetzt mit 43 Jahren im Super Bowl zu stehen: Das verdiente einen weiteren Titel.
Wann waren Sie zuletzt in den USA?
Das letzte Mal war ich im Februar 2020 dort. Da durfte man schon nicht mehr einreisen, wenn man 14 Tage vorher in China unterwegs war. So ging das also los. Eigentlich ist mein Plan, alle vier bis acht Wochen drüben zu sein. Immerhin bin ich jetzt dabei, meine nächste Reise für Ende März, Anfang April zu planen.
Schauen Sie sich neue Immobilienprojekte an oder fahren Sie einfach nach Atlanta zum dortigen Jamestown-Sitz?
Das Hauptziel der Reise besteht darin, Bestandsobjekte unserer verschiedenen Immobilienfonds anzusehen. Aber ich werde mich natürlich auch mit den Kollegen austauschen.
Der Publikumsfonds Jamestown 31 ist nach einem Jahr Pause für Anleger wieder zu zeichnen. Hat das irgendwas mit dem Wechsel im Weißen Haus von Donald Trump zu Joe Biden zu tun?
Nein, gar nichts. Wir haben für den Fonds im Dezember die Objekte fünf und sechs, eine Mietwohnanlage in Atlanta und eine Minderheitsbeteiligung am Innovation and Design Building in Boston, gekauft. Für diese Objekte ist Anlegerkapital von 150 Millionen US- Dollar vorgesehen, das wir nun akquirieren wollen. Das ist der einzige Grund für die Wiederaufnahme des Vertriebs.
Ist für Ihr Geschäft mit US-Immobilien und Ihre Anleger überhaupt von Belang, wer Präsident der USA ist?
So ein Regierungswechsel hat erfahrungsgemäß wenig Einfluss auf unser Immobiliengeschäft oder den Vertrieb. Aber wir versprechen uns von Präsident Biden schon, dass generell mehr Vertrauen und Stabilität in die US-Politik zurückkehrt. Das sehen wir positiv.
Erwarten Sie unter Biden größere steuerliche Änderungen, also zum Beispiel eine Erhöhung der von Donald Trump gesenkten Unternehmensteuern?
Wenn ich mir das Wahlprogramm von Joe Biden anschaue, sind darin in der Tat moderate Steuererhöhungen für Unternehmen vorgesehen, aber auch für besserverdienende Privatpersonen. Das dürfte aber kaum Auswirkungen auf unser Geschäft haben.
Neue Finanzministerin ist die frühere Notenbank-Chefin Janet Yellen. Eine gute Wahl?
Ja, ich finde die Besetzung gut und bin optimistisch, dass Janet Yellen zur wirtschaftlichen Erholung der USA beitragen wird. Es ist wichtig, die Arbeitslosenzahlen weiter zu senken und gleichzeitig die Inflation zu bremsen. Das hat sie als Vorsitzende der Federal Reserve unter Obama und auch unter Trump sehr gut hinbekommen.
Zurück zum Fonds Jamestown 31: Den haben Sie im Herbst 2019 aufgelegt, binnen fünf Monaten zeichneten Anleger aus Deutschland 320 Millionen US-Dollar, und Ende Februar 2020 stoppten Sie den Vertrieb. Warum?
Die Anleger haben den Fonds damals sehr schnell gezeichnet, was auf der einen Seite ein toller Erfolg war. Auf der anderen Seite gab es zu diesem Zeitpunkt nicht genügend geeignete Objekte, die unsere Ankaufsstandards erfüllten. Also entschieden wir uns dafür, mit dem Vertrieb zu pausieren.
Manche Immobilienprofis behaupten, die USA seien so groß, dass man dort unabhängig von Preiszyklen immer irgendwo ein geeignetes Objekt finden könne. Wenn Sie nun so lange nicht gekauft haben, lag das dann einzig an der corona-bedingten Marktstarre? Oder waren Ihre Kaufkriterien zu streng, hätten Sie an neue Standorte ausweichen müssen?
Die USA sind zwar einer der größten Immobilienmärkte der Welt, aber die wirklich guten Immobilien zu identifizieren ist nicht leicht. Für uns war 2020 klar, dass wir nicht von unseren vertrauten Standorten abweichen wollten, um unnötige Risiken zu vermeiden. Die für den Fonds erforderlichen Renditen können wir auch weiterhin in Metropolregionen wie Boston, New York, Washington, D.C., Los Angeles, San Francisco, Miami - oder auch in Städten wie Atlanta oder Charlotte erzielen. Hier verfügen wir über eine Menge Erfahrung, ein breites Netzwerk und Experten vor Ort. Außerdem ermöglichen uns diese Märkte die von uns bevorzugten großen Transaktionen von mehr als 100 Millionen US-Dollar.
Es fällt auf, dass Jamestown nicht in Texas investiert. Das ist immerhin der zweitgrößte US-Bundesstaat und die Bevölkerung wächst dort überdurchschnittlich stark. Warum kaufen Sie nicht in Austin, Dallas oder Houston?
Wir haben uns in den vergangenen zwei, drei Jahren immer wieder in Texas umgeschaut, aber bisher kein geeignetes Objekt gefunden.
Zuletzt kauften Sie Mietwohnungen und Laborflächen. Ist das ein Hinweis darauf, dass Sie von Ihrem gewohnten Schwerpunkt bei Büro- und Einzelhandelsimmobilien wegkommen?
Nein, wegkommen auf keinen Fall. Büro- und Einzelhandelsimmobilien bleiben für uns im Fokus. Bei Büroflächen könnten sich an unseren etablierten Standorten demnächst lukrative Einstiegsmöglichkeiten ergeben. Bei Einzelhandelsobjekten ist uns wichtig, dass sie Chancen zur Repositionierung bieten.
Was heißt das?
Das könnte zum Beispiel bedeuten, aus 100 Prozent Handelsflächen ein Objekt mit einem Mix aus Einzelhandel, Büro, Logistik- oder Wohnnutzung zu schaffen. Generell bleibt es für uns bei dem Ziel, in unseren Immobilienportfolios mindestens die Nutzungsarten Büro, Einzelhandel und Wohnen zu haben.
Wie stark ist der Jamestown 31 bislang von corona-bedingten Einnahmeausfällen betroffen?
Das Jahr 2020 war in der Objektbewirtschaftung generell herausfordernd. Beim Fonds 31 lag der Mietausfall nach Ausbruch der Pandemie im April bei rund 30 Prozent. Er ist dann sukzessive zurückgegangen auf zuletzt noch rund fünf Prozent im Monat.
Müssen sich die Anleger des Fonds Sorgen um ihr Geld machen?
In unserem jüngsten Rundschreiben an die Anleger haben wir die Auswirkungen der Pandemie auf die Bewirtschaftung der Immobilien transparent dargestellt. Die prospektierten Ausschüttungsziele konnten wir ausdrücklich bestätigen. Bezogen auf das investierte Eigenkapital vor Steuern bedeutet das: zwei Prozent Ausschüttung bis 2021, jährlich vier Prozent ab 2022 und am Ende nach Verkauf der Immobilien einen Rückfluss von 110 Prozent. Noch eine gute Nachricht: Die aktualisierten Verkehrswerte liegen trotz Corona-Auswirkungen noch über den Ankaufpreisen. Natürlich hängt die weitere Entwicklung von Verlauf und Dauer der Pandemie ab.
Was spricht derzeit eigentlich dafür, in US-Immobilien anzulegen?
Es gibt ein paar grundsätzliche Argumente für US-Immobilien, die auch jetzt gelten. Sie eignen sich gut als Beimischung im Portfolio und zur Anlage in der Währungsalternative US-Dollar. Zudem sind die USA einer der bedeutendsten Immobilienmärkte der Welt. Der Markt ist sehr transparent, hochprofessionell und es gibt eine sehr eigentümerfreundliche Gesetzgebung. Und nicht zuletzt: Die Bevölkerung wächst jedes Jahr kräftig. Der Bedarf an Immobilien nimmt stetig zu.
Der Bevölkerungszuwachs hat allerdings nachgelassen. Zuletzt kamen jährlich nur etwa 1,5 Millionen statt zuvor eher 2,5 Millionen zu den 330 Millionen US-Amerikanern hinzu. Reicht das als Sonderimpuls fürs Wirtschaftswachstum?
Die US-Statistikbehörde geht bis 2060 von zusätzlichen 75 Millionen Menschen aus, wovon ein guter Teil auf Zuwanderung zurückgeht. Das entspricht im Schnitt 1,9 Millionen im Jahr. Das ist immer noch ein sehr gutes Wachstum.
Wie stark sind die Einkaufspreise für kaufgeeignete US-Immobilien seit Beginn der Pandemie gefallen?
Die Preise für Einzelhandelsimmobilien sind sicher mit am deutlichsten gesunken. Bei Büros gibt es aus meiner Sicht noch keinen einheitlichen Trend. Beim Typus Bürotower in Manhattan sind die Preise definitiv gefallen, während Büroobjekte mit wenigen Stockwerken in den Vorstädten der Metropolen eher preisstabil sind. Klar, in den großen Bürotürmen Manhattans möchten die Leute in der Pandemie nicht in der Schlange vor dem Aufzug stehen, um ins 50. Stockwerk zu kommen. Ganz anders bei Wohnungen: Die sind eher teurer geworden.
Wer sich mit US-Immobilien befasst, stößt auf das Stichwort Stupid German Money. Bedeutet das, deutsche Anleger sind mit weniger Rendite zufrieden als viele US-Amerikaner, oder besteht tatsächlich die Gefahr, sein Geld dort in den Sand zu setzen?
Ich halte das mit dem Stupid German Money für unsinnig, auch wenn es den Begriff offenbar schon seit 30 Jahren gibt. Nehmen Sie uns als Beispiel. Wir haben bisher 27 Vermietungsfonds aufgelöst. Drei Milliarden US-Dollar hatten wir für sie eingesammelt, und wir haben Gesamtrückflüsse von mehr als sechs Milliarden US-Dollar ausgeschüttet.
Wie sind Ihre vier Bestandsfonds, die zusammen mehr als drei Milliarden US-Dollar auf die Waage bringen, bislang durch die Corona-Krise gekommen?
Bei unseren Bestandsfonds lagen die monatlichen Mietausfälle zu Beginn der Pandemie zwischen 20 und 40 Prozent, Ende des Jahres 2020 dann bei fünf bis zehn Prozent. Aber auch die langsamere Vermietungsgeschwindigkeit zu niedrigeren Mieten und höheren Mietzugeständnissen wie mietfreien Zeiten und mit Zuschüssen des Vermieters für den Umbau oder die Einrichtung der Flächen hat doch starke Auswirkungen auf das jeweilige Fondsergebnis.
Müssen Sie als Vermieter trotz der von Ihnen genannten eigentümerfreundlichen Gesetzgebung in den USA derzeit jede Kröte schlucken?
Wir stehen sehr stark im Austausch mit unseren Mietern und versuchen laufend, individuelle Lösungen zu finden. Dabei steht für uns im Vordergrund, Mieter zu halten. Die Kosten sind viel höher, wenn Mieter Bankrott gehen, die Flächen leer stehen und für mögliche Nachmieter neu hergerichtet werden müssen. Außerdem sind Neuvermietungen derzeit nicht ganz einfach.
Für 2019 wurden Ausschüttungen in allen vier Bestandsfonds ausgesetzt. Wie sieht es mit den Dividenden für 2020 aus?
Wir haben bei den Fonds kommuniziert, die 2019er-Ausschüttung vorerst auszusetzen. Weil für uns wichtig war, dass die Fonds über Liquidität verfügen. Die positive Nachricht aus Sicht der Anleger ist aber: Wir werden bei Jamestown 30 und Co-Invest 5 die 2019er-Ausschüttung in Kürze nachholen. Beim Co-Invest 5 wollen wir im dritten Quartal 2021 entscheiden, ob wir auch die Ausschüttung für 2020 leisten können. Bei Jamestown 30 haben wir schon klar kommuniziert, dass wir für 2020 corona-bedingt nicht ausschütten können. Bei Jamestown 29 rechnen wir erst ab 2022 wieder mit prognosegemäßen jährlichen Auszahlungen. Hier lagen die Einnahmen schon vor der Pandemie etwas unter Plan.
Und wie steht’s um Jamestown 27?
Bei dem Fonds stehen keine jährlichen Ausschüttungen mehr an, da bereits 117 Prozent des Eigenkapitals an die Anleger zurückgezahlt wurden. Da ist jetzt noch ein Objekt übrig, das ist 325 Hudson Street in New York. Es geht dort also nur noch um den Verkauf zu einem guten Preis.
Ist es eine gute Idee, derzeit an einen Immobilienverkauf zu denken?
Der Transaktionsmarkt in den USA hat wieder merklich angezogen. Ich bin ganz optimistisch, dass wir den Verkauf im Jahr 2021 hinbekommen werden.
Müssen die Anleger der vier Bestandsfonds mit realem Kapitalverlust rechnen?
Aktuell gehen wir in unseren Prognosen nicht davon aus. Natürlich wirken sich die geringeren Mieteinnahmen auf die Liquidität der Fonds aus und haben dazu geführt, dass wir Ausschüttungen aussetzen mussten. Wir konzentrieren uns momentan erst mal voll darauf, das Portfolio bestens durch die Corona-Pandemie zu führen.
Sie sind seit 2010 bei Jamestown und lebten von 2016 bis 2019 in Atlanta. Wie haben Sie damals die, sagen wir, Kompromisslosigkeit in der Bevölkerung erlebt, die es in den USA ja nicht erst seit dem Sturm aufs Kapitol am 6. Januar 2021 gibt?
Zu Beginn, also 2016, gab es ja den Wahlkampf zwischen Hillary Clinton und Donald Trump. In der Zeit habe ich die Spannungen zwischen denen, die den Demokraten zuneigen, und denen, die republikanisch wählen, nicht so stark wahrgenommen. Es gab sie, aber noch nicht so ausgeprägt. Das war 2019 schon anders. Da kam es zu vielen Protesten und Gegenprotesten. Die Polarisierung war viel stärker. Der Arbeitsalltag war davon aber weniger betroffen. Die Amerikaner sind im Job eher zurückhaltend, sobald es um politische Themen geht.
Jamestown:
Eine Idee und viele Milliarden US-Dollar
1983 gründeten Christoph Kahl und John Houser die Firma Jamestown. 1986 startete das Geschäft mit Fonds, die in Handels- und Büroobjekte in den USA investierten. Mittlerweile haben sich mehr als 80.000 Anleger an solchen Fonds beteiligt. 27 Vermietungsfonds mit drei Milliarden US-Dollar Anlegerkapital wurden bereits aufgelöst. Sie brachten den Anlegern im Schnitt mehr als eine Verdopplung ihres Einsatzes.
Vita:
Basketballer mit Immo-Faible
Fabian Spindler, Jahrgang 1982, kam in Heilbronn zur Welt. Nach dem Ende seiner Laufbahn als Basketballprofi studierte er ab 2007 in Geislingen an der Steige Immobilienwirtschaft. 2014/15 machte er an der Regensburger Uni seinen Master of Business Administration. 2010 begann er bei Jamestown, wo er seit 2019 Geschäftsführer Fondsmanagement ist.