Mit gecharterten Schiffen, eigener Produktion in Europa und hohen Rabatten greifen die Chinesen die deutsche Autoindustrie an. Haben die anderen Hersteller wie Volkswagen, Mercedes oder Tesla überhaupt eine Chance? Und welche Aktienkurse kommen jetzt ins Laufen?
Es ist ein weiter Weg vom chinesischen Yantai nach Bremerhaven: Wenn die BYD Explorer No. 1 dort am ersten März anlegt, wird sie seit dem 9. Januar unterwegs gewesen sein. Tausende Autos werden dann gelöscht. Es ist das erste eigene gecharterte Schiff des asiatischen Autoriesen. Es wird nicht das letzte sein: Insgesamt acht schwimmende Riesen hat BYD bei chinesischen Werften bestellt. Ihr Ziel ist immer dasselbe: Europa. „Die Chinesen drängen auf den europäischen Markt. Wir werden jetzt von BYD getestet, gehen aber davon aus, dass dieser Test reibungslos verläuft", sagt der Vorstandsvorsitzende der BLG Logistics Group, Frank Dreeke. Bremerhaven ist einer der Standorte der Gruppe.
Die Chinesen lehren die Europäer das Fürchten. Lange wähnte man die asiatische Konkurrenz hinter sich. Mittlerweile hat sie die Japaner als größte Autoexportnation abgelöst - die Europäer sowieso. Laut chinesischem Verband der Automobilhersteller wurden im vergangenen Jahr 4,14 Millionen Einheiten verkauft. Japan verließen lediglich 3,98 Millionen Wagen. Seit 2020 haben sich die Autoexporte der Chinesen nahezu verfünffacht. Stark ist vor allem die hohe Nachfrage aus Russland. Aber auch der europäische Markt zieht die Chinesen magisch an.
BYD löst Volkswagen als Sponsor ab
Auf allen Ebenen fordern sie die Konkurrenz heraus. Um hierzulande bekannter zu werden, soll es ein chinesisches Sommermärchen geben. Wenn am 14. Juni in München das Eröffnungsspiel der Fußball-Europameisterschaft Deutschland gegen Schottland angepfiffen wird, ist der Schriftzug von BYD vielerorts zu lesen. Als offizieller E-Mobilität-Partner stehen die Autos als Transportmittel zur Verfügung. Zudem werden Händler Events anbieten. Ausgerechnet zur Heim-EM sagt Volkswagen das Sponsoring ab, weil es ein milliardenschweres Kostensenkungsprogramm durchsetzen will.
Während die einen also auf die Kostenbremse treten, geben die anderen Vollgas. Mitten in Stuttgart, in der Calwer Straße, im Herzen der schwäbischen Autostadt, eröffnete BYD im November vergangenen Jahres einen neuen Autosalon. Ab dem Jahr 2027 sollen dann auch Autos in Europa gebaut werden: Die Produktion im ungarischen Szeged soll zunächst auf 200000 Fahrzeuge ausgelegt sein. Es ist das erste Werk eines chinesischen Herstellers in Europa und ein Meilenstein für die Chinesen. Bereits seit acht Jahren baut BYD Elektrobusse in Ungarn. Die Expansion lässt sich an den Zahlen ablesen: Im abgelaufenen Quartal verkaufte BYD das erste Mal mehr batteriebetriebene Fahrzeuge als der US-amerikanische Wettbewerber Tesla und löste diesen damit an der Weltspitze ab. Im Januar verkaufte das Unternehmen fast 50 Prozent mehr Autos als im Vergleichsmonat ein Jahr zuvor.
Und dennoch befindet sich der Aktienkurs auf Talfahrt. Das Augenmerk der Analysten liegt momentan mehr auf der Profitabilität als auf der reinen Absatzgröße. Was jedoch häufig vergessenen wird: BYD hat viele Vorteile im eigenen Haus. So kann der Konzern bei Chipengpässen auf die eigene Sparte zurückgreifen. Und auch die Batterien kommen aus demselben Haus. Größter Vorteil: Kein westlicher Hersteller produziert so günstig wie BYD.
BYD macht auch Tesla Konkurrenz
Während hierzulande die Förderung für Elektroautos ausgelaufen ist, bieten die chinesischen Anbieter aktuell Rabatte im zweistelligen Bereich und zwingen Wettbewerber, ihnen nachzueifern. Falls die deutschen Hersteller nicht mitziehen, könnten ihre Elektrofahrzeuge zu Ladenhütern verkommen. Und das zu einer Zeit, in der Europa darauf hinarbeitet, Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor bis 2035 komplett zu verbieten. Mittlerweile plant die Europäische Union bereits, Schutzzölle auf importierte Autos aus China einzuführen. Experten sind sich jedoch sicher, dass die Asiaten selbst dann noch wettbewerbsfähig sind. Vor allem liegt dies an der hohen Expertise in der Herstellung der Lithium-Ionen-Akkus. Diese können sehr günstig und qualitativ hochwertig produziert werden - Bestellungen kommen auch von Tesla.
Fuß fassen will BYD nun auch in den USA, der Heimat von Tesla. Laut „Nikkei", einer der größten Finanzzeitungen der Welt, will BYD eine neue Fabrik für Elektroautos in Mexiko errichten und ein Exportzentrum für die Vereinigten Staaten aufbauen. Gute Aussichten also für die weitere Expansion. Aber wann steigt endlich die Aktie? Seit dem Hoch um 40 Euro hat der Titel rund die Hälfte abgegeben - vor allem deswegen, weil die großen Investoren das Reich der Mitte meiden. Aktuell bemüht sich Peking, die Aktienmärkte zu stützen. Doch die schwache Nachfrage, der deflationäre Druck und ein abgestürzter Immobilienmarkt sorgen weiterhin für Druck. Dem kann sich aktuell auch BYD nicht entziehen. An der Dominanz des Konzerns dürfte das allerdings nichts ändern. Mittelfristig hat der Titel Potenzial.
Über Händler wie Mitsubishi drängt auch Great Wall Motors (GWM) nach Deutschland. Der Konzern war der erste Autokonzern mit einem Listing in China. In Kooperation mit BMW entwickelt und baut das Unternehmen unter anderem den neuen elektrisch angetriebenen Mini. In Zusammenarbeit mit der Emil Frey Gruppe, dem größten Autohändler Europas, werden Elektromodelle wie der GWM Ora oder GWM Wey über Handelspartner vertrieben. Wenn auch von einer kleinen Basis aus wachsen die Chinesen hierzulande schnell. Wie BYD geht auch GWM mit einer aggressiven Preisstrategie in den Markt. Aktuell gibt es die Modelle mit einem hohen Rabatt. In China ist der Konzern führend mit Trucks und Pick-ups. Die Tochtergesellschaft Svolt produziert Batterien und Energiespeichersysteme. Drei Fabriken sind in Europa bislang geplant, zwei davon in Deutschland. Ähnlich wie der von BYD ist auch der GWM-Aktienkurs zuletzt zurückgekommen. Anleger nutzen hier ebenso die Gelegenheit.
Klar ist: Elektrofahrzeugen gehört die Zukunft. So geht etwa Bloomberg Research davon aus, dass der weltweite Absatz in diesem Jahr weiterhin klettern wird: Laut neuesten Daten könnten 2024 rund 16,7 Millionen Elektrofahrzeuge verkauft werden. Das würde einen Anstieg von 20 Prozent im Vergleich zum vergangenen Jahr bedeuten.
Tesla auf Sinkflug
Auch Tesla lockt aktuell wieder mit hohen Preisnachlässen. Was ein Plus für die Kunden ist, sorgt bei Investoren für Unmut. Der Aktienkurs befindet sich aktuell im Sinkflug. Seit Jahresbeginn verlor der Titel knapp 20 Prozent - 120 Milliarden Euro. Und damit wurden in etwa so viel wie VW und BMW zusammen an der Börse wert sind, vernichtet. Damit gehört der Titel seit Anfang 2024 zu den schlechtesten Werten im S&P 500 und an der Nasdaq. Besserung ist aktuell nicht in Sicht. Um sich dem Druck chinesischer Hersteller entgegenzustemmen, senkt auch Tesla die Preise. Der Erfolg hält sich bislang jedoch in Grenzen. Selbst Vorstandschef Elon Musk sagte zuletzt, dass die chinesische Automobilindustrie die wettbewerbsfähgiste der Welt sei und auch außerhalb
des Landes großen Erfolg haben werden. Was Tesla braucht, ist eine neue Erfolgsstory. Ansonsten ist der Konzern zu hoch bewertet. Zum Vergleich: Der japanische Autobauer Toyota notiert aktuell auf Allzeithoch, verkaufte im vergangenen Jahr mehr als elf Millionen Autos und ist gerade mal 286 Milliarden Euro wert. Tesla verkaufte 1,8 Millionen und kommt auf 583 Milliarden Euro. Die beiden Konzerne können zwar nicht wirklich miteinander verglichen werden - so verkaufen die US-Amerikaner lediglich Elektroautos, während Toyota hauptsächlich Verbrenner- und Hybridfahrzeuge anbieten -, und doch klafft der Unternehmenswert sehr weit auseinander. Zudem flacht bei Tesla das rasante Wachstumstempo ab. Im vergangenen Quartal verfehlte der Konzern die Erwartungen der Analysten. Für dieses Jahr nannte Musk bislang kein Absatzziel - ein Novum für den ansonsten so vollmundigen Konzernlenker. Auch die Produktion in Grünheide in Deutschland stand zuletzt still, ist jedoch wieder angelaufen. Dringend braucht Tesla eine Auffrischung in der Flotte. So soll etwa der neue Billig-Tesla für rund 25000 Euro ab 2025 produziert werden und damit den günstigeren chinesischen Modellen Paroli bieten. Angekündigt ist dieser jedoch schon lange. Tesla hat den Vorteil, dass importierte chinesische Elektrofahrzeuge in den USA aktuell mit 25 Prozent besteuert werden. Ohne Handelsbarrieren, ist sich Musk sicher, hätte ein Großteil der Branche keine Chance gegen die Chinesen. Anleger sollten Tesla aktuell nur auf die Beobachtungsliste setzen.
In der Zwickmühle steckt auch Deutschlands größter Autokonzern Volkswagen. Vor allem die Kernmarke schwächelt und wirft lediglich geringe Margen ab. Weil die Förderung weggebrochen ist, sinkt der Anteil neu zugelassener Stromer. Im Januar lag dieser mit 10,5 Prozent deutlich unter dem Schnitt des vergangenen Jahres von 18,4 Prozent. Ohne Rabatte, wie sie der Wettbewerb aus den USA und China anbietet, dürften künftig viele Autos auf dem Hof bleiben. Das könnte auf die ohnehin dürftige Marge drücken.
Jetzt will VW erst einmal sparen - im Vertrieb, am Personal und eben auch im Marketing. Interessant ist die Aktie dennoch, weil sie günstig zu haben ist: Letztlich dürften die Einzelteile des Konzerns deutlich mehr wert sein als aktuell abgebildet. Unter der Dachmarke befinden sich beispielsweise Audi, Bentley, Lamborghini, Skoda, Seat und natürlich die große Beteiligung an Porsche. Und schlussendlich ist der Kampf um die Vorherrschaft in der Elektroautobranche noch nicht entschieden. Das gilt vor allem für Luxusautos. In dieses Segment wollen vor allem Mercedes und BMW noch stärker vordringen. Bis 2030 investieren die Schwaben mehr als 40 Milliarden Euro in die Elektromobilität. Bislang bleiben allerdings die Verkaufszahlen der Modelle EQS und EQE hinter den Erwartungen zurück. In München werden seit Ende 2023 keine Verbrennermotoren mehr gebaut. Es gilt: volle Konzentration auf die E-Mobilität. Beide Konzerne sind günstig bewertet und werfen hohe Renditen ab.
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