Interview: Charlie Munger, die rechte Hand von Warren Buffett, ist überzeugt, dass nicht alle Vermögensverwalter ihr Geld wert sind. Kürzlich gab der „Vize“ von Berkshire Hathaway dem „Wall Street Journal“ ein Interview, dessen Highlights wir mit freundlicher Genehmigung abdrucken
Charlie Munger hat nach wie vor keine Angst, die Dinge beim Namen zu nennen. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende von Berkshire Hathaway und langjährige Geschäftspartner von Warren Buffett unterhielt sich kürzlich zwei Stunden lang mit dem „Wall Street Journal“ in seinem Haus in Los Angeles. In seiner Bibliothek sprach der 99-Jährige über Indexfonds, Kryptowährungen und darüber, wie sich Investieren verändert hat. Munger und Buffett gelten als zwei der erfolgreichsten Investoren aller Zeiten. Sie haben Berkshire zu einem Giganten mit einem Portfolio von rund 350 Milliarden Dollar und einem Kassenbestand von 150 Milliarden aufgebaut. Die Highlights des Interviews:
Wird Berkshire Hathaway unter Ihnen und Warren Buffett eine weitere große Übernahme tätigen?
Die Chancen stehen 50:50. Risikokapitalgesellschaften haben es für alle sehr schwer gemacht. Sie treiben die Preise immer weiter in die Höhe, was natürlich dazu führt, dass die Ergebnisse immer weiter sinken.
Wenn Sie heute als Investor anfangen würden, würden Sie irgendetwas anders machen als in den 1960er-Jahren?
Damals herrschten ganz andere Bedingungen, und es gab viele sogenannte „Loaded Laggards“ (reiche Nachzügler). Die Vermögenswerte pro Aktie waren zwei- oder dreimal so hoch wie der Börsenwert pro Aktie. Ben Graham hat uns allen beigebracht, diese Art von Aktien zu kaufen. Man sollte sie so lange halten, wie sie unterbewertet waren, sie verkaufen, wenn sich der Preis normalisiert, und dann einen anderen unterbewerteten Vermögenswert kaufen. Nach der Weltwirtschaftskrise in den 1930er-Jahren konnte man etwa 40 Jahre lang so investieren. Jetzt ist das nicht mehr so einfach. Heute müssen Anleger in einige wenige Aktien einsteigen, deren Bewertungen weit über dem Durchschnitt liegen. Sie investieren in Unternehmen wie Apple und Alphabet, nur um mithalten zu können, denn sie wissen, dass ein Großteil der Gewinne am Aktienmarkt von diesen wenigen Top-Aktien erzielt wird.
Die US-Behörden haben kürzlich Amazon verklagt, weil das Unternehmen angeblich eine Monopolstellung hat. Auch gegen die Alphabet-Tochter Google läuft ein Kartellverfahren. Sollte die Regierung Ihrer Meinung nach einen der großen US-Tech-Konzerne zerschlagen?
Ich würde sie nicht zerschlagen. Sie haben ihre kleinen Nischen. Microsoft hat vielleicht eine gute Nische, aber selbst diesem Unternehmen gehört nicht die ganze Welt. Der Kapitalismus muss damit rechnen, dass es zufällig ein paar große Gewinner gibt.
Wenn Sie heute ein Unternehmen gründen würden, was wäre es?
Ich mag Stockpicking, weil es mich irgendwie an die Jagd und das Angeln erinnert. Man kann jeden Tag etwas Neues finden, das interessant sein könnte. Sicher würde ich etwas tun, das in diese Richtung geht. Aber ich glaube, dass immer weniger Leute für die Auswahl von Einzelaktien gebraucht werden. Meistens ist es Scharlatanerie, drei Prozent pro Jahr oder Ähnliches zu verlangen, um das Geld anderer Leute zu verwalten. Die meisten Investoren sollten sich wohl auf Indexfonds beschränken. Das ist sinnvoll für alle, die sich nicht viel damit beschäftigen wollen und auch nicht glauben, dass sie durch Stockpicking einen Vorteil haben. Warum sollte man versuchen, seine eigenen Aktien auszuwählen? Man baut schließlich auch nicht seine eigenen Elektromotoren.
"Ich mag meinen einfachen Lebensstil"
Macht es Ihnen manchmal Sorgen, dass der Erfolg, den Sie und Warren Buffett hatten, dazu beigetragen hat, dass der Beruf des Stockpickers immer beliebter wird?
Natürlich mache ich mir darüber Sorgen. Ich bin nicht der Typ, der mit seinem Geld eine große Jacht kauft oder mit seinem Privatjet fliegt, damit er im Sommer am Mittelmeer sein kann. Ich gebe nicht übermäßig viel Geld aus. Und ich mag meinen einfachen Lebensstil. Wer lebt denn schon mit einem so großen Vermögen, wie ich es habe, in demselben Haus, das er vor 70 Jahren gebaut hat?
Der Bitcoin-Kurs ist wieder stark gestiegen. Beunruhigt Sie das?
Natürlich beunruhigt mich das. Ich vertrete eine Menge sehr einfacher Grundideen, die meiner Meinung nach jeder gebildete Mensch kennen sollte. Zu diesen Ideen gehört der Ansatz von Adam Smith. Es gab ein enormes Wachstum der, ich nenne es mal, Pro-Kopf-Kultur. Und das ist automatisch passiert, weil sich die Menschen besser um ihr eigenes Eigentum kümmern als um das Eigentum anderer. Um die Ergebnisse der Smith’schen Theorie zu erzielen, braucht man eine Währung, die den Handel erleichtert. Und damit die Währung weithin respektiert wird, haben wir einen Trick verwendet: Der Staat gibt sie aus. Das einzige uns bekannte Mittel, um von Jägern und Sammlern zu einer zivilisierten Gesellschaft zu werden, ist eine starke Währung. Das können Muscheln sein, das können Maiskörner sein, das können viele Dinge sein. Es können Goldmünzen sein, es können Versprechen in Bankensysteme sein, wie in den USA und England, und vieles mehr. Wenn man eine künstliche Währung erschafft, verdirbt man ein Konzept, das es schon lange gibt und das für viele Menschen sehr gut funktioniert hat.
Haben Sie in letzter Zeit etwas aus den Büchern gelernt, die Sie gelesen haben?
Ich glaube, ich lerne etwas von allem, was ich lese. Einer der Gründe, warum ich finanziell so erfolgreich war, ist wohl, dass ich mein ganzes Leben lang so unglaublich viel gelesen habe. Das fing schon an, als ich etwa sechs Jahre alt war. Ich weiß nicht, wie man klug werden kann, ohne viel zu lesen.
In einem anderen Interview mit dem „Wall Street Journal“ haben Sie einmal über die Bedeutung der Psychologie beim Investieren gesprochen. Gibt es eine kognitive Verzerrung, die Ihrer Meinung nach heute an den Märkten besonders wichtig ist?
Es gibt viele kognitive Verzerrungen, die sehr wichtig sind. Eine davon ist die ständige Tendenz, die eigene Intelligenz und die eigenen Fähigkeiten zu überschätzen, wenn man entscheidet, was man tut und was nicht.
INTERVIEW: KAREN LANGLEY
ÜBERSETZUNG: LAURA MARKUS
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