Der Bundesfinanzhof wird bald in einem Präzedenzfall zu Bitcoin&Co entscheiden.
Der Streitfall: Sind Gewinne aus dem Verkauf von Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne Einkommensteuergesetzes und damit steuerpflichtig oder handelt es sich um steuerfreie Gewinne, weil Kryptowährungen keine immateriellen Wirtschaftsgüter sind? Über diese Rechtsfrage wird bald der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden (IX R 3/22). Nach der mündlichen Verhandlung in München am 14. Februar wird demnächst die Veröffentlichung des Urteils erwartet – möglicherweise im Rahmen der BFH-Jahrespressekonferenz am 28. Februar.
Das Verfahren: Im Musterprozess geht es um 3,4 Millionen Euro Gewinn, den ein Anleger mit Krypto-Investments erzielt hat. Er tauschte im Juni 2017 Bitcoins, die er zu Jahresanfang erworben hatte, zunächst in Ethereum und anschließend in Monero. Im Dezember 2017 wechselte er seine Krypto-Anlage teilweise wieder in Bitcoins und veräußerte diese noch vor dem Jahresende. Der Kläger wehrt sich gegen eine Besteuerung, weil ein „strukturelles Vollzugsdefizit“ bei der Finanzverwaltung bestehe und ein Verstoß gegen den „Bestimmtheitsgrundsatz“ vorliege.
Die Wahrscheinlichkeit: Die meisten Rechtsexperten bezweifeln, dass die obersten Finanzrichter dem Kläger in wesentlichen Fragen Recht geben werden. Vielmehr sei zu erwarten, dass der Bundesfinanzhof die Entscheidung des Finanzgericht Köln aus der ersten Instanz bestätigen wird. Die Finanzrichter hatten vor einem Jahr entschieden, dass Gewinne, die aus der Veräußerung von Kryptowährungen erzielt werden, im Rahmen eines „privaten Veräußerungsgeschäfts“ einkommensteuerpflichtig sind (Az. 14 K 1178/20).
Das sind die aktuell zehn wichtigsten Steuerregeln für Krypto-Investments:
1. Besteuerungsgrundlage
Am 11. Mai 2022 veröffentlichte das Bundesfinanzminsterium (BMF) ein neues Anwendungs-Schreiben. Die Verordnung präzisiert auf 24 Seiten zuvor offene Steuerfragen bei virtuellen Währungen und sonstigen Token (Gz. IV C 1 - S2256/19/10003 :001). Die Sachbearbeiter in den Finanzämtern behandeln auf dieser Basis die Steuererklärungen von Krypto-Investoren.
2. Spekulationsfrist bei Krypto-Geschäften
Grundsätzlich gilt für alle mit Kryptowährungen erzielten Gewinne nun verbindliche eine Spekulationsfrist von einem Jahr. Wer Coins nach Ablauf dieser Haltedauer verkauft, kassiert Gewinne steuerfrei. Steuerechtlich werden sie damit als „anderes Wirtschaftsgut“ eingestuft. Werden Krypto-Investments bereits innerhalb von zwölf Monaten wieder veräußert, gilt für die realiserten Gewinne die Steuerfreigrenze für privaten Veräußerungsgeschäfte (600 Euro). Fällt der Gewinn aber auch nur einen Euro höher aus, ist in dieser Konstellation auf den gesamten Wertzuwachs aber der persönliche Steuersatz (14 bis 42 Prozent, abhängig vom individuell zu versteuernden Einkommen) fällig. Liegt das zu versteuernde Einkommen dieses Jahr höher als 277 826 Euro (Zusammenveranlagte 555 652 Euro), fordert das Finanzamt dafür zudem anteilig die sogenannte Reichensteuer (Satz: 45 Prozent).
3. Krypto-Währungswechsel
Auch wer Bitcoin in andere Kryptowährungen wie Ethereum tauscht oder eine Ware damit bezahlt, tätig ein „privates Veräußerungsgeschäft“. Die im Entwurf des BMF-Schreibens noch vorgesehene Verlängerung der Spekulationsfrist von ein Jahr auf zehn Jahre bei der Nutzung von Kryptowährungen zum „Staking“ und „Lending“ wird nicht umgesetzt.
4. Gewinnermittlung
Grundsätzlich ist für die steuerliche Gewinnermittlung bei Krypto-Investments der Anschaffungspreis vom Veräußerungspreis abzuziehen. Anleger haben künftig die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten, um Gewinne zu errechnen. Bei der FIFO-Methode („First in – first out“) gelten Coins, die zuerst gekauft wurden, auch als erstes wieder als veräußert. Alternativ ist nun die Durchschnittsmethode zulässig: Die Gewinnermittlung anhand des Durchschnittspreises, zum Beispiel, aller angeschafften Bitcoin. „Das ist auch für den NFT-Markt von großer Bedeutung, wo der Erwerb von Coins wie Ethereum regelmäßig nur eine – steuerlich erhebliche – Zwischenstation ist“, erklärt der Münchner Anwalt Christopher Arendt.
5. Anwendbarkeit
Solange Krypto-Investoren noch keinen Steuerbescheid vom Finanzamt erhlten oder noch keine Steuererklärung abgegeben haben, können sie sich auf die die einjährige Haltefrist berufen. „Die Neuregelung ist in allen offenen Fällen anzuwenden“, sagt Ulf Knorr, Steuerberater bei Ecovis in Rostock. "Anleger profitierten auch vom neuen BMF-Schreiben, wenn sie gegen die bisherige Auffassung des Fiskus Einspruch eingelegt haben."
6. Privates und gewerbliches Traden
Eine saubere Abgrenzung zwischen privater und gewerblicher Tätigkeit gelingt auch mit dem neuen Schreiben des BMF nicht. „Da Mining (Herstellung) und Forging (Tausch) als gewerbliche Tätigkeit angesehen werden, stellt sich steuerlich die Frage, ob man daneben noch Token im Privaten“ halten kann“, moniert Rechtsexperte Arendt. Und die Bestimmung von Umfängen eines steuerlichen Gewerbebetriebs berge nicht nur für Mitunternehmerschaften fiskalische Risiken.
7. Gratiszuteilungen
Bei kostenlos zugeteilten Token („Air-drops“) geht die Finanzverwaltung nun bereits beim „Drop“ von einem steuerlich relevante Vorgang aus. Sie sieht die Verknüpfung mit einer digitalen Brieftasche („Wallet“) als ausreichende „Mitwirkung“ für die Zuordnung unter die sonstigen Einkünfte. Der erhaltene Air-drop ist dann mit dem Marktwert zu bestimmen – was erhebliche Fragen zu dessen Bestimmung aufwirft: Auch der Air-drop kann erst nach einem Jahr Haltedauer steuerfrei verkauft werden. Die Gefahr: Bricht der Kurs des Airdrops nach Zuteilung ein und wird innerhalb der Jahresfrist verkauft, ist eine Verlustverrechnung aufgrund der unterschiedlichen Einkunftsarten ausgeschlossen.
8. Krypto-Sparpläne
Entsprechende Probleme können auch bei Krypto-Sparplänen auftreten, die mit Indizes aus mehreren Digitalwährungen arbeiten. Weil sich deren Zusammensetzung ständig ändert, müssen Anleger dem Finanzamt nachweisen und auf Anforderung dokumentieren, wie lange jede einzelne Währung im Portfolio war, um steuerlich korrekt zu handeln.
9. Verrechnung von Verlusten
Innerhalb von 12 Monaten realisierte Verluste aus Krypto-Investments können nur mit Gewinnen aus derselben Einkunftsart verrechnet werden. Darunter fallen beispielsweiese Gewinne aus dem privaten Verkauf von Autos, Edelmetallen, Immobilien und Kunstobjekten innerhalb der einjährigen Spekulationsfrist. Eine Verrechnung der Verluste mit Gewinnen aus Staking oder Lending ist dagegen nicht möglich. Gleiches gilt für Rewards aus dem sogenannten Liquidity Mining. Wer im laufenden Kalenderjahr keine Gewinne aus einem anderen privaten Veräußerungsgeschäft erzielt, kann sich vom Finanzamt realisierte Miese mit Krypto-Investments als Verlustrücktrag nur auf das unmittelbar vorangegangene Kalenderjahr anrechnen lassen. Der Verlustvortrag auf künftige Veranlagungsjahre ist dagegen zeitlich unbeschränkt möglich.
10. Vermeidung von Steuerhinterziehung
Um Krypto-Steuerhinterziehung einen Riegel vorzuschieben, hat die die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Mai 2022 darüber hinaus einen Vorschlag unterbreitet: Die bereits existierenden Regeln für den Bankensektor sollen ausgeweitet werden, um zu verhindern, dass Bitcoin-Bestände als geheimes Einkommen genutzt werden können.
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