Im Interview: Das erwartet Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer von den Zinssitzungen der Notenbanken in der kommenden Woche
BÖRSE ONLINE: Die Notenbanken Fed und die EZB tagen kommende Woche. Was erwarten Sie von den Zinssitzungen?
JÖRG KRÄMER: Bei der EZB wäre alles andere als eine Erhöhung ihrer Zinsen um einen Viertelprozentpunkt eine riesige Überraschung. Denn in ihren Reden fordern fast alle Ratsmitglieder einen solchen Schritt — auch die Tauben, also die Anhänger einer grundsätzlich lockeren Geldpolitik. In den USA ist die Sache nicht ganz so klar. Aber zuletzt hat auch der designierte Vize-Chef der Notenbank für eine Zins-pause nächste Woche plädiert. Ich gehe deshalb davon aus, dass die Fed ihren Leitzins nächste Woche nicht erhöht.
Was bedeutet das für den Markt?
Für die Aktienmärkte kommt es darauf an, welche Signale die Zentralbanken für die Zukunft geben. Wenn sie wider Erwarten konkreter weitere Zinsschritte in Aussicht stellten, würde das die Aktienkurse wohl belasten. Das ist aber nicht unser Hauptszenario.
Wann ist der Zinsgipfel erreicht?
Wir rechnen damit, dass der Zinsgipfel in den USA bereits erreicht ist. Die EZB dürfte nach dem erwarteten Zinsschritt nächste Woche ebenfalls aufhören. Denn die Inflation im Euroraum fällt seit dem Herbst. Die Ratsmitglieder dürften zum Schluss kommen, dass die Kerninflation ohne Energie, Nahrungs- und Genussmittel ebenfalls bald sinken wird.
Wann sind erste Zinssenkungen möglich?
Zwar fällt die Inflation im Euroraum, aber das unterliegende Inflationsproblem ist noch lange nicht gelöst, weshalb ich für die EZB für das kommende Jahr mit keinen Zinssenkungen rechne. Für die USA ist dies dagegen sehr wohl wahrscheinlich. Denn die Fed hat ihre Zinsen viel stärker angehoben als die EZB und hat aus ihrer Sicht im kommenden Jahr Raum, sie zu senken.
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