Als Hofkünstler der Medici und gefeierter Porträtist der Florentiner Aristokratie ein gemachter Mann, kommen Werke von Bronzino heute nur sehr selten auf den freien Markt. Wenn doch, ist ihr Potenzial hoch siebenstellig. Von Michael Hannwacker

Das teuerste Los bei der Altmeister-Auktion von Sotheby‘s Ende des Monats gilt einer geheimnisvollen Darstellung aus dem 16. Jahrhundert, die lange Zeit verschollen war und unter falschem Namen lief. Die Voraussetzungen für ein Spitzenresultat sind bestens. Denn erst kürzlich, nach der Rückgabe an die Tochter der letzten legitimen Vorbesitzerin vor einem Jahr, kam ans Licht, dass das meisterhafte „Portrait eines jungen Mannes mit Federkiel“ von Agnolo Bronzino (1503-1572) stammt, dem gefeierten Hofmaler des Herzogs von Florenz, Cosimo I. de’Medici.

Sotheby’s erwartet einen Zuschlag zwischen drei und fünf Millionen Dollar. Und das ist für ein wiederentdecktes Meisterwerk des höchst selten auf Auktionen auftauchenden Malers sogar noch vorsichtig. Bei der letzten Gelegenheit, einen Bronzino zu erwerben – bei Christie’s vor acht Jahren – fiel der dritte Schlag des Hammers erst bei 9,125 Millionen Dollar.


Ein teures Gemälde

Dieses Mal sehen die Analysten die sogenannten drei R’s als zusätzliche Treiber. Sie stehen für rediscovery, reattribution and restitution, zu deutsch: Wiederentdeckung, Neuzuschreibung und Restitution. Alle drei Kriterien treffen zu. Das Bild ist erst im vorvergangenen Jahr – ausgerechnet im Besitz der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft – wieder aufgetaucht, die Autorenschaft in der Folge Bronzino zugesprochen und endlich der rechtmäßigen Erbin restituiert worden.

Denn die jüngere Geschichte dieses Portraits ist tragisch. 1927 hatte es Ilse Hesselberger, Erbin des Nähmaschinenfabrikanten Joseph Wertheim, beim Münchner Kunsthändler Julius Boehler als Werk von Francesco Salviati (1510-1563) erworben. Elf Jahre später, aufgrund der Rassengesetze der Nazis als Jüdin identifiziert, wurde sie gezwungen, ihr Landgut zu verkaufen, verlor ihre Kunstsammlung und wurde 1941 in ein litauisches Konzentrationslager deportiert, wo sie im selben Jahr umgebracht wurde.

Die in New York lebende Tochter lieferte das spektakuläre Portrait es bei Sotheby‘s ein und will den Erlös einer wohltätigen Stiftung zuführen. Auch insofern darf man hoffen, dass der Zuschlag in die Millionen geht.

Der Tod treibt den Preis eines Kunstwerks

Angelsächsische Auktionsexperten sprechen oft davon, dass drei D’s den Markt antreiben: death, debt and divorce. Sie haben recht. Der Tod eines Sammlers, immense Schulden oder eine teure Scheidung sorgen häufig dafür, dass eine Sammlung aufgelöst wird, um sie zu Geld zu machen. Es gibt aber noch einen zweiten Dreiklang, der insbesondere Kunstwerke auf dem Auktionsblock landen lässt. Es sind die drei R’s für rediscovery, restitution and reattribution, zu deutsch Wiederentdeckung, Restitution und Neuzuschreibung. Just dies sind die Gründe hinter der Einlieferung eines Meisterwerks des italienischen Manierismus bei Sotheby‘s in New York, das das Auktionshaus bei seiner „Old Masters“-Versteigerung Ende Januar zu einem Schätzpreis zwischen drei und fünf Millionen Dollar aufrufen wird.

Das „Portrait of a young man with a quill“ (letzteres bezeichnet eine Schreibfeder), erst im vorvergangenen Jahr im Besitz der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft entdeckt, war 1941 fälschlich dem vorwiegend in Rom tätigen Maler Jacopino del Conte (1515-1598) zugesprochen worden. In dem Jahr hatte Hitlers Innendekorateurin Gerdy Troost das Bild, für 55000 Reichsmark für die Reichskanzlei gekauft; kurz darauf wurde es im Bestand des Führermuseums in Linz geführt.

Unrealistisch ist die Taxe für das wiederentdeckte Meisterwerk des höchst selten auf Auktionen auftauchenden Malers nicht. Bei der letzten Gelegenheit vor acht Jahren erreichte ein „Portrait of a young man with a book“ von Bronzino bei Christie’s 9,125 Millionen Dollar. Es wäre also kaum überraschend, wenn die drei R‘s auch das vermeintliche Selbstportrait in siebenstellige Dimensionen heben.

Die Versteigerung

Carlo Falciani, Professor an der Accademia di Belle Arte in Florenz, hat vorgeschlagen, dass es sich um ein frühes Selbstporträt handeln könnte. Die lateinischen Verse, die der Dargestellte verfasst hat, deuten vielleicht auf eine zeitgenössische Paragone oder eine Debatte über die rivalisierenden Beschäftigungen von Literatur und Kunst hin.

Ein altes Auktionsetikett auf der Rückseite der Tafel verrät eine frühe Zuschreibung an den Künstler über den Besitzer des Bildes im 17. Jahrhundert, Sir William Temple, Diplomat und Förderer des jungen Jonathan Swift. Die Etiketten und Nummern sind wie Stempel in einem Reisepass, die es ermöglichen, die Reisen und das wechselnde kritische Schicksal des Bildes nachzuvollziehen. "1400" entpuppt sich als Inventarnummer für Hitlers geplantes Führermuseum (als es Jacopino del Conte zugeschrieben wurde), "K1468" verweist auf das Stift Kremsmünster, wohin die Gemälde zum Schutz vor den alliierten Bombenangriffen gebracht wurden. Es stellt sich heraus, dass das Gemälde von Hitlers einflussreicher Innenarchitektin Gerdy Troost für die Reichskanzlei erworben worden war.

Der vielleicht ergreifendste Aspekt dessen, was Lucian Simmons, der Leiter der Restitutionsabteilung bei Sotheby's, als eine "sehr, sehr traurige, aber wunderbare Geschichte" beschreibt, ist die Tatsache, dass die Erforschung des Gemäldes eine verlorene Identität wiederherstellte. Ilse Hesselberger (geb. Wertheim), eine Erbin jüdischer Abstammung, aber protestantischen Glaubens, kaufte das Gemälde 1927 als ein Werk von Francesco Salviati.

Nachdem sie 1938 für die sichere Ausreise ihrer Tochter Trudy nach New York gesorgt hatte, kehrte sie nach München zurück, wo sie mit ansehen musste, wie ihr Besitz zwangsverkauft oder beschlagnahmt wurde und sie sich am Bau eines Durchgangslagers beteiligen musste, bevor sie selbst deportiert und 1941 in einem Konzentrationslager ermordet wurde. "Die Nazis töteten sie und ihr Andenken", sagt Simmons über den Kampf, etwas über eine Frau herauszufinden, die sich als begeisterte Kunstsammlerin erwies.

Das Porträt hing in einem obskuren Regierungsgebäude in Berlin, bevor es Anfang 2022 an den Nachlass von Ilses Tochter zurückgegeben wurde, die tragischerweise wenig von ihrer Mutter wusste. Das von Schmutz und verfärbtem Lack befreite Gemälde wird am 27. Januar versteigert (Schätzung $3 Mio.-$5 Mio.).


Tipps für Sammler

Nächster Termin

Master Paintings Part I, Sotheby’s, New York, 26. Januar,

www.sothebys.com/en/buy/auction/2023/master-paintings-sculpture-part-i/

Tipps für Sammler:

Wenn Sie kein großes, frei verfügbares Vermögen besitzen, sollten die Hoffnung auf ein Ölgemälde von Bronzino gleich aufgeben. Falls doch, dürfte diese Auktion auf längere Sicht Ihre letzte Gelegenheit sein. wirklich gut auskennen, und Altmeisterzeichnungen sind ein Fachgebiet nur weniger Experten, sollten Sie vor einem Kauf deren Rat suchen. Oder auf Glück hoffen.

Prominenter Investor:

Zur heute dem spanischen Staat gehörenden atemberaubenden Kunstsammlung von Hans Heinrich „Heini“ Àgost Gábor Tasso Baron Thyssen-Bornemisza de Kászon (1921-2002) zählen auch zwei unschätzbare Portraits von Bronzino. 1533 malte er einen Jungen Mann in Gestalt des Heiligen Sebastian, 1545 seinen wichtigsten Auftraggeber Cosimo de Medici in Rüstung.