Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der bayerischen Metall- und Elektro-Arbeitgeberverbände, zu den Aussichten für die Branche Von Stefan Rullkötter

Boerse-online.de:  Das Bundesland Bayern hat mit 26 Prozent der Industrie einen gewichtigen Anteil  an der Wertschöpfung hierzulande und ist Indikator für ganz Deutschland.  Wie ist derzeit die Lage bei den Metall- und Elektro-Unternehmen?
Bertram Brossardt: Sie  ist stabil, aber weiterhin von Unsicherheiten geprägt. Während sich der Materialmangel etwas entspannt, sind die Preise bei Vorprodukten, Logistik, Rohstoffen und Energie unverändert hoch. Zudem schwächt sich die Auftragslage ab.

Wie wirkt sich das auf die Geschäftserwartungen aus?
Hohe Kosten, eine gefährdete Versorgungssicherheit mit Energie, die sich abkühlende Weltkonjunktur und vielfältige geopolitische Risiken verunsichern und belasten die Unternehmen.

Welche Rolle spielt hier der Arbeits- und Fachkräftemangel?
Er wird  auch für die Metall- und Elektroindustrie zur Belastungsprobe und zum Wachstumshemmnis. Um langfristig den Bedarf zu decken, brauchen wir eine erleichterte Zuwanderung von Fachkräften und begrüßen die aktuellen Entwicklungen bei der gesetzlichen Anpassung der Fachkräftezuwanderung. Die Unternehmenen sind bei Neueinstellungen derzeit expansiv aufgestellt, das ist aber ein Wechsel auf die Zukunft.

Bringt die jetzt  beschlossene Gas- und Strompreisbremse eine signifikante Entlastung?
Ich hoffe, dass sie wirkt  und die Unternehmen in der Realität entlastet werden. Andernfalls wird dies zu einer konjunkturellen Talfahrt führen.

Haben Sie für das letztere Szenario konkrete Zahlen?
Nach unserer neuesten Umfrage wird die aktuelle Geschäftslage von jedem zweiten Unternehmen als gut bewertet. Die Salden haben sich seit Sommer positiv entwickelt und liegen für das Inlandsgeschäft bei plus 40,1 Punkten und im Auslandgeschäft bei plus 63,0 Punkten. Die Erwartungen für das kommende Jahr sind  dagegen  weiterhin im negativen Bereich. Für das Inlandsgeschäft liegen sie bei  minus 13,3 Punkten und für das Auslandsgeschäft bei  minus 11,0 Punkten.

Was sind die Gründe für den eher getrübten Ausblick?
Kernproblem der Unternehmen bleibt nach den Ergebnissen der Umfrage der Mangel an Rohstoffen, Material und Vorprodukten. Knapp die Hälfte der Unternehmen leidet unter mittelmäßigen bis starken Beeinträchtigungen durch den Materialmangel. Praktisch alle haben mit verspäteten Lieferungen zu kämpfen.

Welche Folgen hat das für die Industrieproduktion?
Sie  wird im Jahresdurchschnitt 2022 um drei Prozent unter dem Vorjahr liegen. Die Produktionspläne sind aber stabil. Wir erwarten eine Erholung ab dem Frühjahr 2023, die sich im Herbst 2023 verlangsamen wird. Im Jahresdurchschnitt 2023 wird die Produktion auf dem Niveau von 2022 liegen.

Hat das auch Auswirkungen auf geplante Investitionen?
Nur 28 Prozent der Unternehmen wollen die Investitionen in den kommenden Monaten erhöhen. Davon entfallen aber 23 Prozent auf Erweiterungen. Unser Standort hat durch den Krisen-Cocktail an Attraktivität eingebüßt. Um dauerhaft für Investitionen interessant zu bleiben, müssen die Rahmenbedingungen verbessert werden.

Spiegelt sich diese Entwicklung bereits in den Unternehmensbilanzen wider?

Die Ertragslage der Unternehmen hat sich gegenüber unserer  Umfrage vom Sommer verbessert. Ein knappes Viertel der Unternehmen befürchtet für das Jahr 2022 eine kritische Ertragslage: Neun Prozent rechnen mit Verlusten, weitere sechs Prozent erwarten eine schwarze Null und gut acht Prozent gehen von einer Nettoumsatzrendite von unter zwei Prozent aus. Das ist noch keine Entwarnung, aber eine Verbesserung. Zudem gehen 59 Prozent der Unternehmen von einer Nettoumsatzrendite von über vier Prozent aus. Das lässt etwas Spielraum, falls sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im kommenden Jahr verschlechtern sollten.

Zur Person:
Bertram Brossardt ist seit 2005 Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft und der bayerischen Metallarbeitgeberverbände BayME und VBM. Zuvor arbeitete er im Bayerischen Wirtschaftsministerium, unter anderem als Ansiedlungsbeauftragter und Leiter der Abteilung Außenwirtschaft und Standortmarketing