Volkswirte erwarten im Ökonomen-Barometer Abschwung. Kritik an 200-Milliarden-Abwehrschirm und Gas-Entlastungsplänen der Ampel. Wirtschaftsminister Robert Habeck im Kreuzfeuer der Experten. Von Wolfgang Ehrensberger
Mit Kurssprüngen von über acht Prozent reagierten die Aktien von BASF, Covestro und Wacker Chemie auf die Pläne der sogenannten Gaskom-mission: Zu Wochenbeginn hatte das Expertengremium Gaspreisentlastungen für Verbraucher und Wirtschaft über 96 Milliarden Euro angekündigt. Das Geld soll aus dem neuen Abwehrschirm von 200 Milliarden Euro kommen, den die Regierung gegen steigende Energiepreise geschnürt hat.
Der Abwehrschirm und die Entlastungen waren auch Teil der Oktober-Umfrage des Ökonomen-Barometers von €uro am Sonntag — mit zum Teil überraschenden Ergebnissen. Zunächst sollten die Volkswirte in der monatlichen Erhebung ihre Einschätzung zur wirtschaftlichen Lage in Deutschland und zum Ausblick für die kommen- den zwölf Monate abgeben.
Das Barometer für die Lageeinschätzung sackte demnach im Oktober um weitere sechs Prozent auf 31 Punkte ab. Die Prognose für die wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden zwölf Monaten brach sogar um fast 20 Prozent auf 18,2 Punkte ein — beide Werte zeigen eine deutliche Verschlechterung zum Vormonat an. Prognosewerte unter 20 gab es seit dem Start der Umfrage im Jahr 2006 nur während der Finanzkrise 2009 und der Corona-Krise im Frühjahr 2020.
Dass die deutsche Wirtschaft in eine Rezession gerät, erwartet auch die Regierung. Wirtschaftsminister Robert Habeck sagte bei der Vorstellung der neuen Konjunkturprognose, sowohl im dritten und vierten Quartal dieses Jahres als auch im ersten Quartal 2023 dürfte die deutsche Wirtschaft schrumpfen. Im Gesamtjahr 2023 werde die Wirtschaft um 0,4 Prozent zurückgehen.
Wird Inflation angeheizt?
Die im Ökonomen-Barometer befragten Experten sollten unterdessen das geplante Entlastungspaket der Regierung bewerten: 40 Prozent halten es grundsätzlich für positiv, 23 Prozent senken den Daumen.
In einem gravierenden Punkt geht die Mehrheit der Ökonomen allerdings auf Distanz.
Während die Regierung sich vor allem von der Deckelung der Gaspreise eine Bremswirkung auf die Inlation verspricht, warnt eine Mehrheit von 54 Prozent der Ökonomen davor, dass die damit verbundenen steigenden Staatsausgaben die Teuerung anheizen. 41 Prozent sehen dagegen einen inflationsdämpfenden Effekt. In einem Punkt sind sich die meisten Ökonomen aber nahezu einig: 96 Prozent rechnen damit, dass sich auch mit dem 200-Milliarden-Paket eine Rezession in Deutschland nicht mehr vermeiden lässt.
Nur 3,7 für Habeck
Die Experten wurden schließlich befragt, ob sie Wirtschaftsminister Habeck noch für die richtige Besetzung halten. 52 Prozent antworteten mit ja, 48 Prozent mit nein. Nach Bewertung in Schulnoten gaben dem Grünen-Politiker 23 Prozent eine Eins oder Zwei, 37 Prozent eine Drei oder Vier und 40 Prozent eine Fünf oder Sechs — macht einen Notenschnitt von 3,7.
Von den Kritikern wird ihm vor allem eine „ideologische“ Haltung vorgeworfen. Er sei von seiner Aufgabe überfordert, ihm fehle Wirtschafts-Know-how und er begehe handwerkliche Fehler. Befürworter verweisen darauf, dass seine Aufgabe als Wirtschaftsminister schwerer sei als die seiner Vorgänger, deren Regierungen sich nicht um Themen wie Versorgungssicherheit gekümmert hätten.
Dieser Artikel erschien zuerst in Euro am Sonntag 41/2022. Hier erhalten Sie einen Einblick ins Heft.