Die Notenbanken bestimmen wieder den Takt: Der Markt erwartet eine Zinspause der Fed, bei der EZB steht ein weiterer Zinsschritt an. Der Ex-EZB-Chefvolkswirt Stark kritisiert die Rolle der Währungshüter
Nach der Einigung im US-Schuldenstreit sind an den Börsen die Notenbanken beiderseits des Atlantiks wieder in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Inzwischen rechnen die meisten Marktteilnehmer zumindest mit einer Pause bei den Zinsanhebungen der Fed. Die Bereitschaft dazu haben die US-Währungshüter schon in den Protokollen zur vorangegangenen Sitzung erkennen lassen. Die nächste Sitzung der US-Notenbank findet kommenden Mittwoch (14. Juni) statt. Einen Tag später folgt die Europäische Zentralbank (EZB). Dort wiederum könnte die Serie der Zinsanhebungen um weitere 0,25 Prozentpunkte weitergehen.
Falls die Fed ein Ende des Zinserhöhungszyklus ankündigt, könnte das den Aktienmarkt antreiben. Mit großen Impulsen sei aber nicht zu rechnen, sagte Donner & Reuschel-Chefvolkswirt Carsten Mumm gegenüber Börse Online. „Denn die Markterwartung liegt schon länger bei einer zeitnahen Zinspause und dürfte entsprechend zum Teil eingepreist sein.“ Ohnehin sei der Markt zuletzt eher vom Boom der Tech-Titel angetrieben worden.
Keine rasche Zinssenkung
Trotz nachlassenden Inflationsdrucks in den USA zeichnen sich dort rasche Zinssenkungen weiterhin nicht ab — im Gegenteil. Nach dem Analyse-Tool der US-Terminbörse CME gehen mittlerweile 80 Prozent der Händler am Terminmarkt zwar davon aus, dass die US-Notenbank im Juni eine Zinspause einlegt. Mehr als die Hälfte rechnet jedoch damit, dass auf der Juli- Sitzung der nächste 0,25-Prozentpunkte-Schritt ansteht.
Noch deutlicher wird der Ausblick auf das zweite Halbjahr: Der Anteil derjenigen, die bis zum Jahresende mit mindestens einer Zinssenkung rechnen, ist seit Anfang Mai von 99,9 Prozent auf 40 Prozent gesunken. Anleger müssen sich also auch in den USA auf ein weiterhin hohes Zinsniveau einstellen, auch wenn der Inflationsdruck dort allmählich nachlässt. So war die US-Inflationsrate im April überraschend auf 4,9 (März: 5,0) Prozent zurückgegangen. Die Inflationszahlen für Mai werden am 13. Juni veröffentlicht. Dabei wird mit einem weiteren Rückgang gerechnet.
So erwarten Donner & Reuschel-Experte Mumm wie auch Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer zwar, dass in den USA der Zinsgipfel jetzt schon erreicht ist, mit Zinssenkungen sei dort jedoch frühestens 2024 zu rechnen. „Denn die Fed hat ihre Zinsen viel stärker angehoben als die EZB und hat aus ihrer Sicht im kommenden Jahr Raum, sie zu senken“, erläutert Krämer gegenüber Börse Onine.
Bei der EZB hingegen werde es auch im kommenden Jahr noch keine Zinssenkungen geben, glaubt Krämer. „Zwar fällt die Inflation im Euroraum, aber das Inflationsproblem ist noch lange nicht gelöst.“ Auch Mumm rechnet nicht vor 2024 mit Leitzinssenkungen in der Eurozone. „Hier ist die Inflationsdynamik vor allem in der Kernrate nach wie vor zu hoch“, erläutert Mumm. Die EZB gehe derzeit von 2,9 Prozent Inflation im Jahresmittel 2024 aus, deutlich über dem Zwei-Prozent-Ziel.
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„Falsche Signale gesetzt“
Unterdessen hat der frühere EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark die Rolle der Notenbanken bei der Zinswende kritisiert und hat ihnen in einer jetzt veröffentlichten Analyse eine Teilschuld an der derzeit labilen Lage der Märkte vorgeworfen, wie die „FAZ“ berichtet.
Viel zu lange hätten demnach die Notenbanken die Märkte in dem Glauben gelassen, die Zinsen würden noch bis in das Jahr 2024 auf dem Niveau von 2021 bleiben. „Die Zentralbanken haben falsche Signale an die Märkte gegeben und sie damit ermutigt, höhere Risiken einzugehen“, sagte Stark. Die Zentralbanken hätten damit Vertrauen verspielt, und es werde lange dauern, bis sich die Märkte an hohe Zinsen gewöhnt hätten. Dieser Übergang sei außerdem mit deutlichen Korrekturen verbunden. Stark trat 2011 als EZB-Chefvolkswirt zurück.
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