(neu: weitere Aufträge, Hintergrund, Airbus-Pläne für zwei neue Flugzeugtypen, Boeing-Überlegungen, deutscher Branchenverband BDLI, Probleme mit Triebwerk von Pratt & Whitney)
LE BOURGET (dpa-AFX) - Nach dem Einbruch des Luftverkehrs in der Corona-Krise winkt Flugzeugherstellern wieder das große Geschäft. Zum Start der Luftfahrtmesse in Le Bourget bei Paris orderte der indische Billigflieger Indigo am Montag auf einen Schlag 500 Airbus-Jets
Außer Indigo orderte der saudi-arabische Billigflieger Flynas am Montag weitere 30 Jets aus der A320neo-Familie. Und Air Mauritius bestellte drei Großraumflugzeuge vom Typ A350. Der US-amerikanische Airbus-Konkurrent Boeing
Airbus' Auftragsbuch für Jets aus der A320neo-Familie wird immer dicker. Wegen knapper Bauteile, Rohstoffe und fehlender Arbeitskräfte bei Zulieferern kommt der Hersteller mit dem Ausbau seiner Produktion aber nicht so schnell voran wie erhofft. Im laufenden Jahr will der Konzern rund 720 Verkehrsflugzeuge ausliefern, nachdem er im 2022 nur 661 Stück geschafft hatte. "Wir sind noch weit vom Vorkrisenniveau entfernt", sagte Faury kurz vor Messebeginn. In seinem Rekordjahr 2019 hatte Airbus 863 Verkehrsjets an seine Kunden übergeben.
Angesichts der Engpässe in der Branche zeigte sich Faury vorsichtig. "Wir schauen uns die Lage in den Lieferketten Ende des Jahres an und überlegen dann, welche Produktionszahlen wir uns für 2024 und 2025 vornehmen." Die geplante Rekordproduktion von monatlich 75 Jets der A320neo-Familie hat er schon von 2025 auf 2026 verschoben.
Nicht zuletzt klemmt es bei den Antrieben. Der Hersteller Pratt & Whitney
Auch Boeing hat mit Schwierigkeiten in seinen Lieferketten und zudem mit hausgemachten Problemen zu kämpfen. So machen dem Konzern immer noch die Nachwirkungen des Desasters um seine 737 Max zu schaffen. Der Typ durfte nach zwei tödlichen Abstürzen mehr als anderthalb Jahre weltweit nicht mehr abheben.
Derweil loten die großen Hersteller die Entwicklung einer neuen Generation von Mittelstreckenjets aus - und blicken damit weit ins nächste Jahrzehnt. So bereitet Airbus die Grundlagen für ein Passagierflugzeug mit Wasserstoff-Antrieb. Bis 2035 soll die Maschine bereit sein für den Einsatz bei Fluggesellschaften.
Noch steht nicht fest, wie groß der Flieger genau wird und was er leistet. Doch jetzt stellte Airbus-Chef Faury klar, dass der Hersteller zwischen 2035 und 2040 zusätzlich noch einen vergleichsweise konventionellen Nachfolger für sein Erfolgsmodell A320neo fertig haben will.
"Wir brauchen Flugzeuge, die etwa 20 bis 25 Prozent weniger Treibstoff verbrauchen als die A320neo oder die A321neo, die wir heute einsetzen", sagte der Manager vergangene Woche dem Fachmagazin "Aviation Week". Deshalb bereite Airbus die Indienststellung eines solchen Flugzeugs für das kommende Jahrzehnt vor. Ziel sei das Jahr 2035, vielleicht werde es zwischen 2035 und 2040 so weit sein. Betankt werden soll es mit nachhaltigen Flugkraftstoffen (SAF), wie sie aus Pflanzenresten oder synthetisch hergestellt werden.
Damit stehen bei Airbus ab dem Jahr 2027 voraussichtlich in kurzer Zeit Entscheidungen über gleich zwei neue Flugzeugtypen an. Bei so einer Flugzeugentwicklung gehe es jeweils um einen zweistelligen Milliarden-Euro-Betrag, erklärte Michael Schöllhorn, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luftfahrtindustrie (BDLI), und im Hauptjob Chef von Airbus' Rüstungs- und Raumfahrtsparte.
Auch Boeing lotet Optionen für einen Nachfolger seines Mittelstreckenjets 737 Max aus. Doch vor 2035 werde es kein komplett neu entwickeltes Flugzeug geben, hat Konzernchef Dave Calhoun wiederholt erklärt. Er erhofft sich etwa 20 bis 30 Prozent weniger Treibstoffverbrauch. Ein Teil dieser Einsparung müsse von den Triebwerken kommen, ein anderer Teil von der Aerodynamik, sagte der Chef der Verkehrsflugzeugsparte, Stan Deal.
Die deutsche Luft- und Raumfahrtbranche sieht sich auch dank des Produktionsausbaus bei Airbus im Aufwind. So dürften neben Airbus selbst auch die Zulieferer zusätzliche Mitarbeiter einstellen, sagte BDLI-Präsident Schöllhorn.
Nachdem die Zahl der Beschäftigten der Branche in Deutschland schon im vergangenen Jahr um etwa 5000 auf 105 000 gestiegen sei, dürften im laufenden Jahr erneut so viele neue hinzukommen. Weil zudem Mitarbeiter in Rente gingen oder die Branche verließen, braucht es dem Verband zufolge möglicherweise an die 14 000 Neueinstellungen.
Unterdessen hat der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine nach Einschätzung der BDLI-Spitze auch bei Arbeitnehmern zu einem Umdenken geführt. Früher hätten sich viele Menschen eine Arbeit in der Luft- und Raumfahrt gut vorstellen können, aber nicht im Rüstungsbereich, sagte Schöllhorn. "Das hat sich deutlich gedreht."/stw/jsl/ngu
Quelle: dpa-Afx