NEW YORK/SAN FRANCISCO (dpa-AFX) - Was mit Luftmatratzen auf dem Fußboden der Wohnung der Gründer begann, hat sich binnen gut eines Jahrzehnts zu einem Hotelschreck mit Milliardenumsatz gemausert. Airbnb
DAS IST LOS BEI AIRBNB:
Auch für Airbnb fing alles ganz klein an. Spät im Jahr 2007 kamen Brian Chesky und Joe Gebbia in San Francisco angesichts teurer Mieten und voller Hotels auf die Idee, ihre Wohnung an Messeteilnehmer unterzuvermieten, die kein bezahlbares Zimmer mehr fanden. Die Idee war geboren. 2008 wurde "Airbed & Breakfast" - also Übernachtung auf einer Luftmatratze mit Frühstück am Morgen - dann offiziell gegründet. Dabei war auch der dritte Co-Gründer Nathan Blecharczyk, der sich um die Technik kümmerte.
2009 wurde die Kurzform von "Airbed & Breakfast" - Airbnb - zum offiziellen Unternehmensnamen. Erstmals bot die Gesellschaft auch ganze Appartements und Urlaubsbuchungen an. Zwei Jahre später starteten die drei Gründer international durch - zunächst mit einem Büro in Deutschland.
Was mit Matratzen im kleinen Appartement begann, ist binnen weniger Jahre zu einem Übernachtungsgiganten gereift. Die Zahlen per Ende September 2020: Mehr als 4 Millionen Gastgeber bieten 5,6 Millionen aktiv Übernachtungsmöglichkeiten in 100 000 Städten an, verteilt auf mehr als 220 Länder.
Im Dezember 2020 folgte der Börsengang in New York. Wegen der Corona-Pandemie war einige Zeit unklar, ob es dazu kommen würde. In der Krise musste Airbnb flächendeckende Stornierungen erlauben und richtete einen Fonds zur Unterstützung betroffener Vermieter ein. Das Unternehmen baute rund jede vierte der zuvor etwa 7500 Stellen ab und besorgte sich zwei Milliarden Dollar frisches Geld. Nach dem Einbruch durch die Pandemie sah die Firma zuletzt wieder eine Erholung ihres Geschäfts dank Nutzern, die auf kürzere Entfernungen als früher verreisen, oft mit dem Auto.
Pünktlich zum Börsengang hatte Airbnb auch einen seltenen Quartalsgewinn verkündet. Im dritten Jahresviertel 2020 verdiente das Unternehmen 219 Millionen Dollar, für die ersten neun Monaten stand damit allerdings immer noch ein Verlust von knapp 697 Millionen Dollar zu Buche. Zudem sank der Umsatz im Sog der Corona-Krise im dritten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum um fast 19 Prozent auf 1,3 Milliarden Dollar. Allerdings lief es damit schon deutlich besser als noch im zweiten Quartal, als der Umsatz sogar 72 Prozent niedriger gelegen hatte als ein Jahr zuvor.
DAS SAGEN ANALYSTEN:
Viele Analysten beurteilen Airbnb positiv, sie schätzen den innovativen Ansatz und das Wachstumspotenzial, das sie dem Geschäftsmodell zuschreiben. Trotz allen Lobs überwiegen neutrale Aktienbewertungen. Denn ein guter Teil der Analysten hält die Papiere für zumindest ausreichend hoch bewertet. Von den 32 von der Nachrichtenagentur Bloomberg erfassten Experten raten 11 zum Kauf, 19 zum Halten und 2 zum Verkaufen. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei gut 147 Dollar.
Airbnb baut seinen Service für die Buchung von Unterkünften abseits klassischer Hotels in eine Plattform um, die Urlaubern, Immobilienbesitzern - und ganz wichtig - auch mobilen Arbeitskräften eine bisher nicht dagewesene Flexibilität bei der Nutzung von Wohnraum verleiht, wie Analyst Heath Terry von der Investmentbank Goldman Sachs erläutert. Wenn Menschen umzögen, um anderswo zu arbeiten, könnten sie ihre alte Wohnung über Airbnb vermieten. Dadurch machten sie ihre alte Bleibe zur Geldquelle, etwa um sich Wohnraum anderswo leisten zu können.
Genau das ist für Terry ein wichtiger Punkt angesichts immer mobilerer Menschen, einem in seinen Augen wohl wesentlichen Charakteristikum der Nach-Corona-Welt. Die Möglichkeiten, die Airbnb hier biete, eröffneten einer der besten Wachstumsperspektiven bei einem Internet-Unternehmen in der ersten Entwicklungsphase. Vieles davon ist für den Goldman-Analysten allerdings schon eingepreist: Bei einem Kursziel von 143 Dollar votiert er mit "Neutral".
Auch Analyst Ross Sandler von der britischen Barclays-Bank hält die Aktien auf absehbare Zeit für ausreichend hoch bewertet und nahm seine Einschätzung bei einem Kursziel von 140 Dollar mit "Equal-weight" auf. Das begründete er mit den Kursgewinnen nach dem Börsengang und der Unklarheit darüber, wie schnell sich der Tourismus von der Corona-Krise erholen wird. Gleichwohl schätzt er die Geschäftsperspektiven positiv ein. "Für Investoren, die Wachstum im Online-Reisebereich suchen, ist Airbnb ein attraktives Geschäft mit starkem Rückenwind durch den Wandel des Verbraucherverhaltens hin zu alternativen Reiseunterkünften."
Dabei hält er es für entscheidend, ob Airbnb seine Nische verlassen und ein großes Stück vom gesamten Reisemarkt sichern könne. Die Antwort in den Augen des Barclays-Analysten lautet: ja.
Deutlich Luft nach oben beim Kurs sieht Analyst Brent Thill vom Investmenthaus Jefferies. Er errechnet ein Ziel von 170 Dollar und rät entsprechend zum Kauf der Aktien. Airbnb sei ein Kerninvestment in jedem Wachstums-Technologie-Portfolio und darüber hinaus mit Blick auf den Wiederanlauf des Tourismus nach Corona sehr attraktiv.
Das Unternehmen werde weiter Marktanteile gewinnen und 2022 wieder profitabel arbeiten, glaubt Thill. So habe sich Airbnb im Vorkrisen-Jahr 2019 nur einen kleinen Bruchteil des 1,5 Billionen Dollar schweren Markts erschlossen. Kunden, und noch mehr die Vermieter seien sehr loyal gegenüber Airbnb, schreibt er. Auch habe der Konzern trotz der Viruspandemie Millionen neuer Kunden gewonnen.
DAS MACHT DIE AKTIE:
Vor dem Börsengang rissen sich die Investoren um die Papiere. Dadurch konnte das Unternehmen den Preis für seine Aktien gleich mehrfach anheben. Letztlich wurden die Papiere zu 68 Dollar das Stück unters Volks gebracht. Damit kam der Konzern aus dem Stand auf einen Wert von 47 Milliarden Dollar.
Anleger die Papiere zum Ausgabepreis zugeteilt bekamen, können sich - zumindest mit Blick auf die ersten Wochen an der Börse - glücklich schätzen. Gleich am ersten Handelstag schoss der Kurs in der Spitze auf fast das Zweieinhalbfache nach oben. Zum Handelsschluss lag der Kurs mit rund 144 US-Dollar immer noch bei mehr als dem Doppelten des Ausgabepreises.
Mitgründer Brian Chesky fiel in einem Interview mit dem Sender Bloomberg TV nach eigenem Bekunden nur ein, dass bei der Finanzierungsrunde im Frühjahr die Aktie nur mit 30 Dollar bewertet worden sei. "Wir wissen, dass wir eine lange Reise vor uns haben. Je höher der Aktienpreis, desto höher die Erwartungen, desto härter werden wir arbeiten."
Seit dem anfänglichen Sprung schwankt der Kurs - wie vor allem bei Tech-Börsengängen üblich - erst einmal stark. Anleger und Spekulanten der ersten Stunde machen Kasse, andere springen auf, teils aus Überzeugung, teils aus Angst, etwas zu verpassen.
Der bisherige Tiefstkurs wurde wenige Tage nach dem Börsendebüt bei 121,50 Dollar erreicht, die Höchstmarke von knapp 175 Dollar dann kurz vor Weihnachten.
Zuletzt kosteten die Papiere knapp 150 Dollar. Damit bringt es Airbnb derzeit auf eine Marktkapitalisierung von rund 90 Milliarden Dollar. Das würde spielend für einen Platz im Mittelfeld des Nasdaq 100
Quelle: dpa-Afx