FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Aussicht auf einen Durchbruch bei der Beilegung des Glyphosat-Rechtsstreits in den USA hat bei den Aktionären von Bayer
Jetzt kommt es auf den zuständigen Richter Vince Chhabria an. Der muss der neuen Einigung noch zustimmen, nachdem er den ersten Vorschlag im vergangenen Jahr noch abgelehnt hatte. Die Anleger verteilten aber schon einmal ein paar Vorschusslorbeeren: Mit einem Plus von 4,6 Prozent auf 53,89 Euro eroberten die Bayer-Papiere am Donnerstag die Spitze des deutschen Leitindex Dax
Sollte Chhabria sein Okay geben, könnte die Aktie laut dem Experten Gunther Zechmann von Analysehaus Bernstein Research noch weiter steigen. Denn dann dürfte Bayer bei den Rechtsstreitigkeiten günstiger davon kommen als am Markt im Durchschnitt erwartet. Er sieht - im Vergleich zum Kurs vor der aktuellen Ankündigung - ein Potenzial von mehr als 10 Prozent.
Die formelle Einigung mit den Klägeranwälten beinhaltet unter anderem eine Zusage von bis zu 2,0 Milliarden Dollar (1,7 Mrd Euro) für künftige Glyphosat-Fälle. Das Geld dafür hatte Bayer schon 2020 auf die Seite gelegt.
Für den Richter entscheidend dürfte aber ein ganz anderer Teil der Einigung sein. So hatte er sich letztes Jahr besonders an einem Vorschlag des Konzerns gestört: ein unabhängiges Wissenschaftsgremium zum Umgang mit künftigen Glyphosat-Klagen einzurichten. Er zweifelte die Rechtmäßigkeit einer solchen Lösung an und stufte sie als Nachteil für mögliche künftige Kläger ein.
Bayer hatte immer wieder betont, wie wichtig dieses Puzzlestück des Vergleichs für das Zustandekommen des Deals insgesamt sei. Nun ist der Konzern zuversichtlich, die Einwände Chhabrias ausgeräumt zu haben. "Die Parteien sind mit der überarbeiteten Einigung gewissenhaft auf die Fragen eingegangen, die das Gericht zuvor aufgeworfen hatte", teilte Bayer mit.
So soll weiterhin ein wissenschaftliches Beratungsgremium eingerichtet werden, dessen Erkenntnisse wären aber nicht rechtlich bindend, wenngleich sie in künftige Gerichtsverfahren mit Klägern dieser Gruppe als Beweismittel einfließen könnten.
Für den Analysten Michael Leuchten von der Schweizer Großbank UBS geht Bayer damit auf die Bedenken des Richters ein. "In 30 Tagen wissen wir mehr", schrieb Leuchten in einer Studie mit Blick auf die Zeit, die Chhabria nun in etwa hat, sich eine Meinung zu bilden.
Ein Zustimmung könnte dann zu einem echten Befreiungsschlag für den Konzern und dessen arg gebeutelten Aktien werden. Im Juni 2020 waren diese im Zuge von Spekulationen über einen groß angelegten Glyphosat-Vergleich bis auf 74 Euro geklettert, die Ernüchterung folgte aber schnell nach der offiziellen Bekanntgabe - auch wegen der Bedenken Chhabrias.
Im Herbst folgte dann der nächste Schock: Ein schwächer Ausblick für das Agrargeschäft. Auch wegen Abschreibungen in der Agrarsparte fiel im dritten Quartal unter dem Strich ein Verlust von mehr als 2,7 Milliarden Euro an. Dabei erwies vor allem der 2018 für 60 Milliarden US-Dollar gekaufte US-Saatgutriese Monsanto als Bremsklotz, von dem die Leverkusener auch das Glyphosat-Debakel geerbt haben.
Bereits kurz vor der Bekanntgabe der Quartalszahlen war der Kurs Ende Oktober bis auf rund 40 Euro abgesackt. Seither hat er sich um gut 35 Prozent erholt. Allerdings: Seit dem ersten Glyphosat-Urteil gegen Bayer im August 2018 beläuft sich das Minus immer noch auf rund 42 Prozent./mis/la/fba
Quelle: dpa-Afx