FRANKFURT (dpa-AFX) - Nach den Fluggästen verdrängen derzeit auch die Aktionäre der Lufthansa
Bereinigt um Kapitalmaßnahmen, die im Zuge der staatlichen Rettung vollzogen wurden, ist die mit dem Corona-Crash aufgerissene Kurslücke mittlerweile geschlossen. Am 21. Februar 2020 hatte der Kursrutsch wegen erster Einschränkungen Fahrt aufgenommen und einige Monate später das Rekordtief erreicht. Noch im Oktober 2022 war der Kurs mit 5,50 Euro unterm Strich nur wenig erholt. Seither hat sich der Aktienkurs aber fast verdoppelt.
Die Lufthansa hatte die Anleger am Freitag mit der Tatsache begeistert, dass nach zwei herben Verlustjahren in der Corona-Krise im Tagesgeschäft wieder einen Milliardengewinn geschrieben wurde. Vorstandschef Carsten Spohr sieht noch Luft nach oben, denn 2023 rechnet er auch dank weiterhin hoher Ticketpreise mit einer "deutlichen" Steigerung des bereinigten operativen Gewinns. Analysten hoben nun ihre Kursziele an.
Einige Experten wie etwa jene von Bernstein oder Morgan Stanley bleiben zwar kritisch mit Kurszielen, die unter dem aktuellen Niveau liegen. Andere jedoch sehen auch nach der rasanten Erholung noch Potenzial. Die Bank of America hält 12 Euro für fair und Oddo BHF 12,50 Euro. Besonders optimistisch geben sich aber die Experten von JPMorgan mit 14,50 Euro und von HSBC mit 13,60 Euro. Von letzterer Bank gab es daher eine frische Kaufempfehlung.
Die durchschnittlichen Markterwartungen dürften angesichts des Ausblicks auf 2023 deutlich steigen, argumentierte Analyst Harry Gowers von JPMorgan, der sich selbst fast ein Drittel über dem Analystenkonsens sieht. Nach dem starken Lauf der vergangenen zwölf Monate sprächen drei Gründe dafür, die Aktie weiterhin zu kaufen: die anhaltende Ticketnachfrage, die starke Bilanz und die bestätigten Ziele für die operative Marge. Kurstreiber könnten auch vom Verkauf von Randgeschäften und der Wiederöffnung in Asien kommen.
Die Bilanz ist der Dreh- und Angelpunkt für den Oddo-Experten Yan Derocles. "Die Lufthansa hat ihre Verschuldung schneller abgebaut. Das eröffnet Chancen, auf die andere Konkurrenten verzichten müssen", betonte der Experte. Den Schwung aufrechterhalten könnten neben der Erholung der Durchschnittserlöse und dem Kostenfokus auch anstehende Veräußerungen. Namentlich erwähnte er die Travel-Management-Tochter AirPlus, das internationale Catering-Geschäft unter der Marke LSG und den Verkauf eines Minderheitsanteils an der Wartungstochter Lufthansa Technik.
Alex Irving von Bernstein Research attestierte der Lufthansa zwar ein "erneutes Quartal mit starken Durchschnittserlösen", er bleibt aber unter den Kritikern und votiert weiter mit "Underperform". Irving rechnet mit einer nur dürftigen Erholung des Geschäftsreiseverkehrs und äußerte Bedenken zu der Möglichkeit, die Aktionäre bei der Kapitalverwendung stärker zu berücksichtigen. Hinzu komme die recht hohe Bewertung der Anteilsscheine nach ihrem guten Lauf.
Die Lufthansa hatte sich nach ihrer Rettung durch den deutschen Staat in der Corona-Krise am Kapitalmarkt mit neuer Liquidität versorgt. Im Oktober 2021 holte der Konzern mittels einer Kapitalerhöhung fast 2,2 Milliarden Euro frisches Geld herein. Heute sind daher etwa doppelt so viele Lufthansa-Aktien am Markt wie vorher, sodass der Gesamtwert des Unternehmens das Vor-Corona-Niveau schon länger erreicht hat. Die Staatshilfen aus Deutschland und Nachbarländern hat die Lufthansa inzwischen vollständig zurückgezahlt./tih/ag/stw/mis
Quelle: dpa-Afx