PARIS/LONDON (dpa-AFX) - Europas Börsen haben am Donnerstag vor dem mit Spannung erwarteten Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank (EZB) weiter aufgeholt. Der EuroStoxx 50 kletterte bis zum späten Vormittag um 0,94 Prozent auf 4064,39 Punkte und legte damit den Kurseinbruch vom Wochenbeginn endgültig ad acta. Auf Wochensicht kommt der Eurozonen-Leitindex nunmehr auf ein kleines Plus, auch der Mitte Juni erreichte Rekord rückt damit wieder näher.
"Die Sorgen bezüglich der Ausbreitung der Delta-Variante haben die Anleger in den vergangenen beiden Tagen wieder etwas abgelegt. Die Freude über gute Quartalszahlen überwiegt die Sorge vor dem Virus", schrieb Analyst Jochen Stanzl von CMC Markets mit Blick auf die angelaufene Berichtssaison in Europa.
Auch der französische Leitindex Cac 40 in Paris, der bereits am Vortag die Kursscharte ausgewetzt hatte, legte zuletzt um 0,69 Prozent auf 6509,39 Punkte zu. In London agierten die Anleger indes nach dem starken Kursanstieg zur Wochenmitte indes zunächst wieder verhaltener, der britische Leitindex FTSE 100 trat mit plus 0,05 Prozent bei 7014,25 Zählern nahezu auf der Stelle.
Börsianer gehen derzeit davon aus, dass die Europäische Notenbank weiterhin eine extrem lockere Geldpolitik fahren wird. Zuletzt hatte die EZB mitgeteilt, das Inflationsziel von "nahe, aber unter zwei Prozent" auf "zwei Prozent" zu erhöhen. Dass EZB-Chefin Lagarde das Treffen im Vorfeld als "wichtig" bezeichnete, habe die Sitzung jedoch auf eine ganz andere Ebene gehievt, merkte CMC-Marktanalyst Stanzl an. Er hält starke Kursschwankungen für möglich, "wenn es zu Überraschungen kommt, die der Markt nicht erwartet."
Der zuletzt wieder gestiegene Risikoappetit der Anleger beförderte unterdessen wie schon am Vortag vor allem die Kurse im Touristik- und Freizeitsektor weiter nach oben, der entsprechende Branchenindex legte um rund 2,6 Prozent zu. Aber auch Finanz- und Bankenwerte waren gefragt.
Eine wegen steigender Rohstoffkosten gekappte Margenprognose von Unilever belastete dagegen die komplette Konsumgüterbranche, die mit rund 0,6 Prozent Abschlag am deutlichsten nachgab. Unilever-Papiere verbilligten sich in London um fast fünf Prozent. Über den schwachen Margenausblick konnte auch nicht hinwegtrösten, dass die Quartalszahlen des Konsumgüterkonzerns etwas besser ausgefallen waren als im Schnitt von Analysten erwartet. In diesem Sog gaben auf dem letzten Platz im EuroStoxx 50 Danone um rund ein Prozent nach.
Eine Kaufempfehlung der kanadischen Bank RBC schob unterdessen die Aktien des Glücksspielanbieters Flutter mit einem Plus von fast vier Prozent auf den vordersten Platz im Europa-Leitindex. Die Sorgen des Marktes wegen der anhängigen Rechtsstreitigkeiten seien übertrieben, schrieb Analystin Christine Zhou. Sie empfahl, die Kursschwäche der Aktie zum Einstieg zu nutzen.
In der Schweiz dominierte die Berichtssaison mit den Quartalszahlen zahlreicher Unternehmen das Geschehen. Hohe Kursverluste bei einigen Schwergewichten drückten den Schweizer Leitindex SMI letztlich leicht ins Minus mit 0,08 Prozent auf 12 012,00 Punkte.
So gaben Givaudan -Papiere nach der Vorlage von Quartalszahlen am Ende der Kurstafel um rund 2,2 Prozent nach. Die meisten Branchenexperten zeigten sich zwar angetan von dem Zahlenwerk des Aromen- und Duftstoffeherstellers, verwiesen jedoch auf die bereits stark gelaufene Aktie. Seit dem Zwischentief Anfang März hat das Papier rund ein Drittel an Wert hinzugewonnen. Auch beim Pharmakonzern Roche nahmen die Anleger nach einem als stark eingestuften Quartalsbericht zunächst Gewinne mit, die Papiere büßten knapp 2,1 Prozent ein.
Aktien des Industriekonzerns ABB legten dagegen als SMI-Favorit um 1,8 Prozent zu, Anleger freuten sich über unerwartet gute Quartalszahlen und den optimistischeren Ausblick des Konzerns für das Jahr./tav/stk
Quelle: dpa-Afx