PARIS/LONDON (dpa-AFX) - Die Aussicht auf einen möglicherweise strafferen Zeitplan der US-Notenbank Fed hat die Anleger an den Europa-Börsen am Donnerstag in die Defensive getrieben. Der EuroStoxx 50 gab am Vormittag um 0,28 Prozent auf 4140,10 Punkte nach. Er entfernte sich damit noch etwas von seinem jüngst erreichten höchsten Niveau seit 2008.
Die Fed hatte am Vorabend zwar erwartungsgemäß noch an ihrer lockeren Geldpolitik festgehalten, die Begleitaussagen ließen aber erkennen, dass eine Straffung vielleicht schon 2023 realistisch ist und damit näher rückt. Daraufhin steigende Marktzinsen sind Experten zufolge nicht nach dem Gusto der Aktienanleger, weil dies alternative Anlagen attraktiver werden lässt und den Unternehmen die Geldbeschaffung verteuern kann.
Die Zurückhaltung der Anleger zeigte sich auch an den wichtigsten Länderbörsen. Der französische Cac 40 gab um 0,13 Prozent auf 6644,27 Punkte nach. Der Londoner FTSE 100 verlor mit 7149,80 Punkten sogar knapp ein halbes Prozent an Wert.
Größere Kursverluste wurden wohl auch deshalb vermieden, weil es mit den durchaus gewichtigen Aktien aus dem Banken- und Versicherungsbereich auch Profiteure der neuen Zinsperspektive gibt. Höhere Marktzinsen können deren Alltagsgeschäft attraktiver machen, und so rückte der Branchenindex der Banken um 2,4 Prozent vor und jener der Versicherer um 0,8 Prozent.
Entsprechend versammelten sich die Aktien der ING sowie von Banco Santander und BNP Paribas mit Kursgewinnen zwischen 1,9 und 3,2 Prozent in der EuroStoxx-Spitzengruppe. Jene der Allianz und Axa folgten mit Gewinnen von jeweils 1,4 Prozent. Auch in London und Zürich, also außerhalb der Eurozone, waren Bankenwerte wie UBS oder HSBC stark gefragt.
Guten Mutes blickten die Anleger auch im Reisesektor voraus, wo die nach dem Lockdown anlaufende Sommersaison für Optimismus sorgt. "Die Aufholjagd für den Sommerurlaub ist gerade in vollem Gange, und die Konsumlaune für Reisen scheint täglich zuzunehmen", sagte Tui -Deutschland-Chef Marek Andryszak am Vortag in Hannover. Die primär in London gehandelten Papiere des Reiseveranstalters legten 2,9 Prozent zu.
Ebenfalls deutlich war das Plus bei einigen Fluggesellschaften: Die Anteile der Billigflieger Easyjet , Ryanair und Wizz sowie der britisch-spanischen Fluggesellschafts-Holding IAG stiegen an ihren jeweiligen Länderbörsen zwischen 2,2 und 3,4 Prozent. Da stand es auch nicht im Wege, dass die Impfkampagne in Europa mit enttäuschenden Wirksamkeitswerten eines Hoffnungsträgers von Curevac einen herben Rückschlag erlitt.
Größere Verluste gab es auf der anderen Seite der Branchenskala bei Minenwerten und Versorgern , deren Teilindizes 1,5 Prozent oder mehr verloren. Im Rohstoffbereich ging damit der jüngste Kursrutsch, zu dem am Vortag Interventionen Chinas beigetragen hatten, weiter. Im Energiebereich wurde nach zuletzt gutem Lauf auf Gewinnmitnahmen verwiesen. Der Versorger-Teilindex war am Vortag auf einem Hoch seit Ende Mai angekommen./tih/mis
Quelle: dpa-Afx