PARIS/LONDON (dpa-AFX) - Nach der kurzen Vortagsstabilisierung haben neue Corona-Sorgen Europa Börsen am Freitag endgültig auf Talfahrt geschickt. Sie folgten damit den deutlichen Verlusten an den asiatischen Handelsplätzen. Gesucht waren angesichts einer neuen, möglicherweise sehr gefährlichen Variante des Coronavirus im südlichen Afrika als "sichere Häfen" geltende Anlagen wie Anleihen, der japanische Yen und der US-Dollar.
Fachleute befürchten, dass die Variante B.1.1.529 wegen ungewöhnlich vieler Mutationen nicht nur hoch ansteckend ist, sondern auch den Schutzschild der Impfstoffe leichter durchdringen könnte. Die Nachrichtenagentur PA zitierte einen Experten der britischen Behörde für Sicherheit im Gesundheitswesen mit der Einschätzung, bei B.1.1.529 handele es sich um "die schlimmste Variante", die bisher gesehen wurde. Bislang gebe es nur bestätigte Fälle in Südafrika, Botsuana und Hongkong. Nach den von Großbritannien und Israel verhängten Einreisebeschränkungen für Personen aus dem südlichen Afrika kündigten andere Länder ähnliche Maßnahmen an.
Der EuroStoxx 50 büßte gegen Freitagmittag 3,12 Prozent auf 4159,43 Punkte ein. Damit zeigte er sich zwar etwas wenig erholt von seinem frühen Tagestief. Auf Wochensicht droht dem Leitindex der Eurozone aber immer noch ein Verlust von rund viereinhalb Prozent, und ausgehend von seinem Zwischenhoch von 4415 Punkten am 18. November steht bereits ein Rückschlag um fast sechs Prozent zu Buche.
Der französische Cac 40 büßte am Freitag 3,46 Prozent auf 6831,25 Punkte ein und der britische FTSE 100 verlor 2,94 Prozent auf 7095,26 Zähler.
Im europäischen Vergleich gab es vor dem Wochenende nur Verlierer. Am schlimmsten traf es naturgemäß die Aktien der Reise- und Freizeitindustrie: Ihr Subindex im marktbreiten Stoxx Europe 600 setzte mit einem Minus von 5,3 Prozent seine Talfahrt fort und erreichte den niedrigsten Stand seit Ende Januar. Die Aktien von Fluggesellschaften verzeichneten prozentual fast zweistellige Kurseinbußen. Nicht besser erging es Papieren aus der Flugzeugindustrie wie Airbus und Safran .
Auch die Indizes der Öl- und der ähnlich konjunktursensiblen Bergbauunternehmen zählten mit Abschlägen von fast fünf beziehungsweise über vier Prozent zu den größten Verlierern im Branchentableau. Während der ersten Corona-Welle im Frühjahr 2020 waren die Erdölpreise drastisch abgestürzt. Ausschlaggebend waren die sehr umfangreichen Gegenmaßnahmen wie die Schließung vieler Bereiche des Wirtschaftslebens. Neue Varianten des Coronavirus wecken Erinnerungen an diese Zeit und schüren Ängste vor wirtschaftlichem Schaden, der auch auf der Energie- und Erdölnachfrage lasten würde.
Mit am besten hielten sich vor dem Wochenende die Indizes der als krisenfest geltenden Medizinunternehmen und Energieversorger . Sie verloren dennoch zwischen ein und zwei Prozent. Die Aktien des Insulinherstellers Novo Nordisk verloren mit gut 2,3 Prozent deutlicher als die Medizinbranche. Die Dänen gehen davon aus, dass sinkende Preise und ein niedrigerer Insulinabsatzes in China 2022 den Umsatz belasten werden.
Dagegen kletterten die Titel des Biotech-Unternehmens Valneva dank eines zehnprozentigen Kurssprungs auf ein Rekordhoch. Die Franzosen arbeiten an einem konventionellen Corona-Impfstoff, der auf einem inaktiven Virus basiert und so auch als Alternative für Impfskeptiker gilt./gl/mis
Quelle: dpa-Afx