PARIS/LONDON (dpa-AFX) - An Europas Börsen scheint nach den jüngsten Kursgewinnen am Donnerstag erst einmal die Luft raus zu sein. Kurz vor dem viel beachteten jährlichen Notenbankertreffen, das wegen der Corona-Pandemie diesmal online stattfindet und nicht wie gewohnt in Jackson Hole, wollten sich die Anleger offenbar nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Ihr Fokus richte sich vor allem auf die Rede von US-Notenbankchef Jerome Powell kurz nach 15 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit, schrieb Analyst Milan Cutkovic vom Broker AxiCorp.
Gegen Mittag notierte der EuroStoxx 50 0,74 Prozent im Minus bei 3332,05 Punkten. Seit Wochenbeginn war es für den Leitindex der Eurozone um bis zu mehr als zwei Prozent bergauf gegangen. Der französische Cac 40 sank am Donnerstag um 0,69 Prozent auf 5013,57 Punkte und der britische FTSE 100 verlor 0,43 Prozent auf 6019,61 Zähler.
Die Erwartungen an Powells Rede seien hoch, gab Experte Cutkovic zu bedenken. Die Investoren hofften, dass sich Amerikas Währungshüter künftig mit Blick auf ihr Inflationsziel von zwei Prozent flexibler zeigen könnten. Die größte Enttäuschung wäre es, wenn Powells Rede keine Details zur weiteren Notenbankstrategie enthalten und damit mehr Fragen aufwerfen als Antworten geben würde, so Cutkovic.
Die Unsicherheit am Markt drückte vor allem auf den Bankensektor: Deren Subindex im marktbreiten Stoxx Europe 600 büßte gut anderthalb Prozent ein. Nicht viel besser erging es dem Index der Versicherer mit einem Minus von 1,3 Prozent. Dagegen führte das Branchenbarometer der Reise- und Freizeitunternehmen mit rund einem halben Prozent Plus die recht kurze Gewinnerliste an.
Zudem sorgten einige Unternehmensnachrichten für Kursausschläge. Die Aktien von Rolls Royce sackten um sieben Prozent ab, nachdem der Triebwerksbauer für das erste Halbjahr einen Milliardenverlust berichtet hatte. Auch der geplante Verkauf von Beteiligungen zur Stärkung der Bilanz konnte die Investoren nicht besänftigen. Die Briten leiden wie die gesamte Luftfahrtbranche besonders stark unter der Corona-Pandemie.
Die Titel von Siemens Gamesa büßten über viereinhalb Prozent ein. Laut Aussagen auf einer Kapitalmarktveranstaltung traut sich der schwächelnde Windanlagenbauer zwar in den kommenden Jahren ein deutliches Wachstum zu. Einige Analysten sahen den kurzfristigen Ausblick des Nordex -Konkurrenten aber als Kursbelastung.
Bei WPP konnten sich die Aktionäre nach Halbjahreszahlen indes über einen Kursanstieg von vier Prozent freuen. Der Werbekonzern habe besser als erwartet abgeschnitten, lobte Analystin Lisa Yang von der US-Investmentbank Goldman Sachs.
Der französische Mischkonzern Bouygues wusste ebenfalls zu überzeugen: Trotz eines deutlichen Halbjahresverlusts verteuerten sich die Aktien um über dreieinhalb Prozent - sie waren damit nicht nur Spitzenreiter im Cac 40, sondern erreichten auch den höchsten Stand seit Anfang März. Bouygues hatte es schon im zweiten Quartal operativ wieder in die Gewinnzone geschafft./gl/mis
Quelle: dpa-Afx