NEW YORK (dpa-AFX) - Die US-Börsen sind am Montag angesichts zunehmender Zins- und Rezessionssorgen weiter abgesackt. Im Handelsverlauf konnten die wichtigsten Indizes ihre Abschläge am vierten Verlusttag in Folge allerdings etwas eindämmen. Marktteilnehmer fürchten, dass die unerwartet hohe Inflation die US-Notenbank (Fed) zu noch deutlicheren Zinsschritten bewegen könnte. Die Marktstrategen der US-Bank JPMorgan halten den Kursrutsch der vergangenen Tage indes für übertrieben und setzen auf eine Erholung in der zweiten Jahreshälfte.
Unter Druck standen zu Wochenbeginn einmal mehr vor allem die Aktien von Technologieunternehmen: Deren Auswahlindex Nasdaq 100 erreichte zeitweise den tiefsten Stand seit November 2020 und büßte zuletzt noch 3,66 Prozent auf 11 399,67 Punkte ein. "In New York geht die Angst um, dass nun auch großkapitalisierte Technologieaktien wie Tesla und Apple, die aus technischer Sicht bislang noch keine Trendwendeformation ausgebildet haben, ebenso drehen", kommentierte Marktanalyst Jochen Stanzl vom Broker CMC Markets die Entwicklung.
Nur wenig besser hielt sich der marktbreite S&P 500 , der nach dem tiefsten Stand seit März 2021 um 3,11 Prozent auf 3779,64 Zähler nachgab. Gegenüber dem Rekordhoch im Januar bedeutet das zudem einen Rückgang um deutlich mehr als 20 Prozent, womit das Börsenbarometer nach gängiger Definition einen Bärenmarkt signalisiert. Der Leitindex Dow Jones Industrial verlor 2,27 Prozent auf 30 679,50 Punkte. Zeitweise notierte er auf dem tiefsten Stand seit Februar 2021 - die Erholung in der zweiten Maihälfte ist damit verpufft.
"Die Marktteilnehmer bleiben weiterhin sehr nervös, weil sich neben der Inflationsdynamik zusätzlich ein Konsumrückgang abzeichnet. Das würde die Wirtschaft doppelt treffen und zu Konjunkturrückgängen führen", sagte Andreas Lipkow von der Comdirect. Zudem stoße das erneut aufkeimende Covid-Thema in China auf blanke Nerven bei den Investoren. Es gebe derzeit einfach zu viele Risikoherde und wenig Aussichten auf Erleichterungen.
Für die JPMorgan-Strategen um Marko Kolanovic hingegen preisen die jüngsten Verluste sowie der "Ausverkauf" bei den Krypto-Währungen ein Rezessionsrisiko schon mehr als angemessen ein. Sie setzen auf einen immer noch starken Konsum, eine Befreiung der Wirtschaft von den Restriktionen der Corona-Pandemie und wirtschaftliche Stimulierungsmaßnahmen in China. Anlegern raten sie, vor allem auf Titel mit nun vergleichsweise niedrigen Bewertungen wie die besonders innovativer Unternehmen, Firmen mit einem starken Engagement in China, kleinere Unternehmen und Biotech zu setzen.
Unter den ohnehin geprügelten Technologietiteln stach Amazon mit einem Kursverlust von fünf Prozent negativ heraus. Einem Medienbericht zufolge hat der weltgrößte Online-Händler im Konflikt mit den Wettbewerbsbehörden der EU angeboten, die Nutzung von Verkäuferdaten zu begrenzen und die Sichtbarkeit von Produkten der Konkurrenz auf der Plattform zu verbessern.
Tesla-Papiere verloren über sechseinhalb Prozent, obwohl mit dem Elektroautobauer ein weiteres großes US-Unternehmen einen Aktiensplit angekündigt hat, um seine Anteilsscheine günstiger für Kleinanleger zu machen. Das Unternehmen von Tech-Milliardär Elon Musk hatte am Freitag nach US-Börsenschluss bekannt gegeben, dass der Verwaltungsrat einem Split im Verhältnis von drei zu eins zustimmen werde, wenn die Aktionäre dies bei der anstehenden Hauptversammlung befürworteten. Tesla hatte bereits im März mitgeteilt, einen Split zu planen. Es war aber unklar, in welchem Verhältnis. Auch eine Hochstufung durch die kanadische Bank RBC, welche die Aktie nun mit "Outperform" empfiehlt, half dem Kurs zu Wochenbeginn nicht.
Noch schlimmer als Amazon und Tesla erwischte es die Aktien von Unternehmen mit Bezug zu den ebenfalls abgestraften Kryptowährungen. Die Anteilscheine der börsennotierten Kryptowährungs-Handelsplattform Coinbase stürzten um knapp 13 Prozent ab. Bei Silvergate Capital - einer Holdinggesellschaft der Silvergate Bank, die stark im Bereich Kryptowährungen engagiert ist - mussten die Anteilseigner einen Kursverlust von nahezu 16 Prozent verkraften. Die Aktien des Softwareherstellers Microstrategy , der Rücklagen in die Krypro-Leitwährung Bitcoin investiert hat, stürzten um fast 23 Prozent ab.
Die Aktien von Prologis sanken um knapp sieben Prozent, nachdem das Immobilienunternehmen mitgeteilt hatte, sich mit dem Konkurrenten Duke Realty auf dessen Kauf geeinigt zu haben - der Umfang der Transaktion via Aktientausch liegt inklusive der Übernahme von Schulden bei rund 26 Milliarden US-Dollar. Die Duke-Papiere gewannen fast zwei Prozent./gl/he
Quelle: dpa-Afx