HAMBURG/MÜNCHEN (dpa-AFX) - Mit der schnell wachsenden Elektromobilität steigt in der globalen Schifffahrt die Gefahr von Bränden auf hoher See. "Der allgemeine Trend zu mehr Nachhaltigkeit führt dazu, dass verstärkt Elektrofahrzeuge und batteriebetriebene Güter transportiert werden", schreibt der Industrieversicherer der Allianz (AGCS) in seiner jüngsten Schifffahrtsstudie. "Eine weitere Gefahrenquelle ist der Transport potenziell hochentzündlicher Lithium-Ionen-Akkus, insbesondere auf Containerschiffen und Autotransportern."
Hauptursachen für Brände, die von den Akkus ausgehen, seien Produktionsdefekte, beschädigte Batteriezellen oder Geräte sowie eine Überladung oder Kurzschlüsse. Sie seien tückisch, weil sie schwer zu löschen seien und sich spontan wiederentzünden könnten. "Die meisten Schiffe verfügen weder über ausreichenden Schutz noch über ausreichende Frühwarn- oder Löschfähigkeiten, um solche Brände auf hoher See zu bekämpfen", sagt der Schifffahrtsexperte der AGCS, Justus Heinrich. Er empfiehlt den Reedereien, ihre Crews entsprechend zu trainieren, passendes Feuerlösch-Equipment vorzuhalten und Frühwarnsysteme zu verbessern.
Die Brandproblematik verschärft sich laut AGCS durch den Transport gefährlicher Güter auf immer größeren Schiffen. Zusätzlich steige die Gefahr, weil Fracht oft falsch deklariert werde. "Fracht als Gefahrgut zu kennzeichnen, ist teurer", heißt es. "Deshalb versuchen manche Unternehmen diese Kennzeichnung zu umgehen, indem sie Feuerwerk als Spielzeug oder Batterien als Computerteile ausgeben." AGCS geht auf Basis von Branchenberichten davon aus, dass rund ein Viertel der ernsten Vorfälle an Bord von Containerschiffen auf falsch deklarierte Gefahrengüter zurückgingen.
Im vergangenen Jahr waren nach Feststellung des Versicherers Brände die Hauptursache für Totalverluste. "Auf ihr Konto gingen acht Schiffsverluste und über 200 Unfälle - seit zehn Jahren der höchste Wert", so die AGCS-Experten. In den vergangenen fünf Jahren hätten Brände zum Verlust von 64 Schiffen geführt. "Feuer ist auch die Ursache für die teuersten Schadenfälle", berichtet AGCS nach Analyse von 250 000 Schadenfällen in der Schiffskasko- und Transportversicherung.
Insgesamt ist indes nach Angaben des Versicherers die Zahl der Verluste auf ein historisches Tief gefallen. "Im Jahr 2022 wurden weltweit 38 Totalverluste von Schiffen gemeldet, im Jahr zuvor waren es noch 59", hieß es. "Dies entspricht einem Rückgang der jährlichen Verluste um 65 Prozent in zehn Jahren." 2013 wurden demnach noch 109 Totalverluste gemeldet, vor 30 Jahren sogar über 200 pro Jahr.
"So erfreulich die Ergebnisse sind, es ziehen bereits die nächsten Stürme auf", warnt Heinrich. "Über ein Jahr nach dem russischen Überfall auf die Ukraine macht die wachsende Schattenflotte aus Öltankern Reedern, Crews und Versicherern Sorgen." Die Größe der Flotte sei unklar, Schätzungen gingen von bis zu 600 Schiffen aus. "Es ist anzunehmen, dass die Flotte aus älteren Schiffen besteht, die unter solchen Flaggen fahren, die niedrigere Standards anlegen", so Heinrich./kf/DP/stk
Quelle: dpa-Afx