LEVERKUSEN (dpa-AFX) - Bayer ist nach einigen schwierigen Jahren zuletzt wieder in Schwung gekommen. Das Agrargeschäft profitiert von einer regen Nachfrage und die Pharmasparte wurde mit neuen Medikamenten gestärkt. Zudem ist der Glyphosat-Rechtsstreit in den USA für Investoren nicht länger das alles dominierende Thema. Was bei Bayer rund um die Zahlenvorlage zum zweiten Quartal an diesem Donnerstag (4. August) los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht.
DAS IST LOS BEI BAYER:
Die Leverkusener profitieren schon länger von hohen Preisen für den Unkrautvernichter Glyphosat und einer regen Nachfrage etwa nach Maissaat. Insgesamt dürften die weiterhin hohen Preise für Feldfrüchte den Landwirten auch weiterhin reichlich Anreize bieten, viel anzubauen. Dem stehen aber hohe Düngerpreise gegenüber, die auf der Wirtschaftlichkeit der Landwirte lasten. Das wiederum könnte dann auch die Saatgut- und Herbizidnachfrage drücken. Es gibt also auch gewisse Unsicherheiten im Agrargeschäft.
Noch aber dürfte es brummen bei Bayer, weshalb Analysten eine Erhöhung der Jahresprognosen durch den Dax-Konzern bei der Vorlage der Zahlen für das zweite Quartal am 4. August für möglich halten. So hatte die Unternehmensführung um Konzernchef Werner Baumann bereits im Zuge der Veröffentlichung der Zahlen für das erste Quartal im Mai eine Erhöhung des Ausblicks im weiteren Jahresverlauf indirekt als durchaus möglich bezeichnet.
Noch rechnet Bayer für das laufende Jahr mit einem Umsatz von etwa 47 Milliarden Euro. Anders als 2021, als hauptsächlich der schwache brasilianische Real belastet hatte, dürften dabei Wechselkurseffekte nun Rückenwind liefern. Auf Basis konstanter Wechselkurse kalkulieren die Leverkusener denn auch mit einem Wachstum des Konzernumsatzes um rund 5 Prozent auf etwa 46 Milliarden Euro. Das bereinigte operative Ergebnis soll sich auf etwa 12 Milliarden Euro verbessern. 2021 waren es 11,2 Milliarden.
Der freie Mittelzufluss soll demnach 2022 währungsbereinigt sowie nach Abzug von Vergleichszahlungen im US-Glyphosatstreit etwa 2 bis 2,5 Milliarden Euro erreichen - nach 1,4 Milliarden im vergangenen Jahr.
Derweil wird das Pharmageschäft von Bayer noch von den beiden Kassenschlagern Xarelto, einem Gerinnungshemmer, sowie dem Augenmedikament Eylea bestimmt. Beide liefern Milliardenumsätze, die in den kommenden Jahren aber wegen nach und nach wegfallender Patente schrumpfen werden. Aktuell stehen die Xarelto-Erlöse in China unter Druck. Hier bekommt der Konzern die volumenbasierte Einkaufspolitik der Regierung zu spüren, die viele Konzerne bei Medikamenten nach dem Ablauf des Patentschutzes zu großen Preisnachlässen zwingt, wenn sie weiter am Markt bestehen wollen.
Umso wichtiger ist der Erfolg neuer Medikamente. Für das Prostatakrebsmittel Nubeqa etwa rechnet Bayer infolge positiver Studiendaten in der Spitze mit Umsätzen von mehr als drei Milliarden Euro pro Jahr. Aktuell schlagen die Kosten für die Markteinführung von Nubeqa sowie für das Nierenmedikament Kerendia aber wohl erst einmal auf die Gewinnmarge. Das ist aber nicht ungewöhnlich.
Zudem spielt der Medikamentenkandidat Asundexian als potenzieller Xarelto-Nachfolger eine wichtige Rolle. Asundexian ist ein sogenannter Faktor XI-Hemmer, eine noch junge Wirkstoffklasse, von der sich Experten geringere Blutungsrisiken als bei aktuellen Blutgerinnungshemmern wie Apixaban (Handelsname Eliquis) von Bristol-Myers Squibb (BMS)
Langfristig verspricht sich Bayer dann durch neuartige Gen- und Zelltherapien Rückenwind. In diesem Bereich kauften die Leverkusener in den vergangenen Jahren kräftig zu und gingen auch Kooperationen ein.
Im Fokus werden bei der Zahlenvorlage am Donnerstag dann auch Äußerungen von Bayer-Chef Baumann zur Entwicklung im US-Rechtsstreit um angebliche Krebsrisiken glyphosathaltiger Herbizide stehen. Hier hatte das oberste US-Gericht zuletzt einen weiteren Berufungsantrag von Bayer abgelehnt. Die Frage ist, ob Bayer weiter an seiner Berufungsstrategie festhält oder davon abrückt und wieder vermehrt Vergleiche mit Klägern schließt. Ein Indikator dafür könnte die Höhe der verbliebenen Rückstellungen für bestehende und künftige Fälle sein. Hier waren es Ende 2021 noch 7,5 Milliarden US-Dollar gewesen.
DAS SAGEN ANALYSTEN:
Im Durchschnitt rechnen Analysten laut von Bayer zur Verfügung gestellter Daten für das zweite Quartal mit einem Umsatz von 12,3 Milliarden Euro, nach 10,9 Milliarden vor einem Jahr. Vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) sowie vor Sondereffekten dürften davon 3,3 Milliarden Euro hängen geblieben sein und damit 27 Prozent mehr als vor einem Jahr.
Mit Blick auf 2022 gehen die Experten im Durchschnitt von einem Umsatzplus von gut elf Prozent auf 49 Milliarden Euro aus. Der bereinigte operative Gewinn dürfte demnach um gut 17 Prozent auf 13,1 Milliarden Euro zulegen.
Analyst Richard Vosser von der Bank JPMorgan rechnet mit einem starken Quartal und erwartet, dass das Management den Ausblick für 2022 anheben wird. Für die durchschnittlichen Markterwartungen sieht er ein wenig Luft nach oben, wenngleich ein optimistischerer Ausblick gemeinhin wohl schon erwartet werde. Es gebe ausreichend Spielraum für Bayer, beim wechselkursbereinigten Umsatz 47 Milliarden Euro in Aussicht zu stellen sowie rund 50 Milliarden Euro inklusive des Rückenwinds von der Währungsseite.
Gut lief laut Vosser zuletzt wohl abermals das Agrargeschäft. Dem Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten sollten erneut gute Verkaufszahlen von Allergie- und Erkältungsmitteln geholfen haben. Die Pharmasparte dürfte indes bei Umsatz und operativem Ergebnis wegen des Preisdrucks auf Xarelto in China nur leicht gewachsen sein. Auf Basis konstanter Wechselkurse könnte der operative Gewinn des Pharmageschäfts laut Vosser wegen höherer Kosten im Zusammenhang mit der Markteinführung neuer Medikamente sogar leicht gefallen sein.
Charlie Bentley vom Investmenthaus Jefferies hält den aktuellen Jahresausblick von Bayer ebenfalls für zu niedrig. Auch er verweist auf das Agrargeschäft. Laut Bentley dürften sich die Blicke angesichts der drohenden Gasknappheit auch auf die Energiekosten richten, die bei Bayer 2021 aber nur 400 bis 500 Millionen Euro ausgemacht hätten. Sorgen mit Blick auf die Gasversorgung gebe es eher bei Zulieferern. Hier arbeite Bayer aber an Lösungen.
Interessant wird auch der Blick auf die Anzahl der Vergleiche mit Glyphosat-Klägern in den USA und den verbliebenen Rückstellungen für bestehende und künftige Fälle, erklärt der Jefferies-Analyst. Sollte die Höhe der Risikovorsorge deutlich gefallen sein, würde das voraussichtlich signalisieren, dass Bayer die Strategie wohl ad acta gelegt habe, ausgesuchte verlorene Fälle durch Berufungen bis zum obersten US-Gericht voranzutreiben.
DAS MACHT DIE AKTIE:
Die Bayer-Aktien profitieren seit ihrem Zwischentief um die 44 Euro Ende 2021 von den insgesamt besser laufenden Geschäften. Bis Mitte April ging es hoch auf 67,99 Euro. Unter dem Strich ging es seither wieder nach unten bis auf aktuell etwa 57,50 Euro.
Auch Bayer konnte sich damit den allgemeinen Sorgen vieler Anleger hinsichtlich eingetrübter Konjunkturperspektiven entziehen. Mit einem Kursplus von gut 22 Prozent ist Bayer weiterhin der beste Dax-Wert 2022, während der deutsche Leitindex bislang um fast 16 Prozent fiel.
Der schon seit 2015 bestehende Abwärtstrend, den die Niederlagen in den Glyphosat-Prozessen ab Mitte 2018 nochmals verschärft hatten, ist gleichwohl nach wie vor nicht gebrochen. Das wäre auf aktueller Basis erst bei Kursen von nachhaltig über dem Bereich um die 73 bis 74 Euro der Fall.
Seit dem ersten Glyphosat-Urteil gegen Bayer im August 2018 beläuft sich das Kursminus auf gut 38 Prozent, von dem im Frühjahr 2015 erreichten Rekordhoch von rund 146 Euro aus gerechnet ging es um gut 60 Prozent abwärts. Selbst wenn man die seither gezahlten Dividenden einrechnet, wird das Minus nicht viel kleiner. Der deutsche Leitindex ist in diesem Zeitraum um knapp 8 Prozent gestiegen.
In Sachen Börsenwert kratzt Bayer mit rund 56 Milliarden Euro knapp an den Top 10 des Dax. Im April 2015 auf Rekord-Kursniveau hatte der Konzern mit einer Marktkapitalisierung von rund 120 Milliarden Euro noch den Spitzenplatz im deutschen Leitindex inne. Damals konnte nur Volkswagen
Quelle: dpa-Afx