HANNOVER (dpa-AFX) - Beim Autozulieferer und Reifenhersteller Continental
DIE LAGE BEI CONTINENTAL:
Auch bei Conti scheint zwar das Schlimmste in der Covid-19-Pandemie überwunden. Nach dem Einbruch zwischen April und Ende Juni sowie dem aufgelaufenen Verlust von fast einer Dreiviertelmilliarde Euro sah es im dritten Quartal laut Eckdaten schon wieder deutlich besser aus - zumindest im Tagesgeschäft. Nach einem Umsatzrückgang von rund 40 Prozent im Vorquartal waren es nun nur noch rund 7 Prozent weniger Erlös als vor einem Jahr. Und der größte Teil des Rückgangs war sogar auf den starken Euro sowie Veränderungen durch Zu- und Verkäufe zurückzuführen.
Einschnitte bei den Kosten sorgten auch bei der Profitabilität für einen Aufschwung. Um Sonderkosten bereinigt betrug die Marge des operativen Ergebnisses 8,1 Prozent und lag damit 2,5 Prozentpunkte höher als ein Jahr zuvor. Auch in der restlichen Industrie hatte sich bereits gezeigt, dass die Konzerne sich angesichts der Umstände gut erholt hatten, Daimler
Doch erneut schlugen bei Conti hohe Sonderbelastungen zu Buche. Zum einen für den von Noch-Chef Elmar Degenhart angestoßenen harten Sparkurs und Umbau hin zu zukunftsträchtigeren Geschäften. Kosten für früher ausscheidende Mitarbeiter sowie Abschreibungen auf Sachanlagen kosteten 687 Millionen Euro. Auch im vierten Quartal dürften Belastungen deswegen anfallen.
Und weil das Unternehmen in den kommenden fünf Jahren nicht mehr damit rechnet, dass sich die weltweite Autoproduktion wesentlich erhöhen wird, fallen weitere Wertminderungen auf die Sparte mit der Vernetzung von Fahrzeugen an. 649 Millionen Euro fallen dafür an. Ähnliche Abschreibungen hatte das Unternehmen auch im vergangenen Jahr schon vorgenommen. Alles in allem wird es trotz des besseren Verlaufs im Tagesgeschäft auch im dritten Quartal unter dem Strich rote Zahlen geben.
Als hätte das Unternehmen mit den knapp 230 000 Mitarbeitern damit nicht genug zu schultern, machte Vorstandschef Degenhart kürzlich einen Rückzieher und gab dafür gesundheitliche Gründe an. Zuvor hatte es auch Medienberichte gegeben, die seinen Stuhl wackeln sahen. Bis Ende November legt Degenhart sein Amt nun nieder, ein neuer Chef muss her. Gute Chancen werden dem Chef der Autozuliefersparte, Nikolai Setzer, eingeräumt.
Mit leichten Aufgaben darf er nicht rechnen, sollte er das Wohlwollen des Aufsichtsrates erhalten. Degenharts angesichts der Pandemie noch einmal verschärftes Spar- und Umbauprogramm sieht vor, dass die jährlichen Bruttokosten ab 2023 um eine Milliarde Euro niedriger liegen sollen. Dafür stehen in den nächsten Jahren weltweit bis zu 30 000 der gut 230 000 Stellen zur Disposition, allein in Deutschland rund 13 000. Mehrere Werke werden ganz geschlossen.
Mit den protestierenden Arbeitnehmern wird der neue Chef eine Lösung finden müssen - oder zu harten Maßnahmen greifen. Degenhart hatte betriebsbedingte Kündigungen als ultima ratio nicht ausgeschlossen. Eine Beschäftigungssicherung ist bei den Hannoveranern nicht vereinbart.
DAS SAGEN ANALYSTEN:
Die 16 im dpa-AFX-Analyer erfassten Experten, die sich seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie zur Aktie geäußert haben, sind zu großen Teilen unentschieden. Drei von ihnen raten zum Kaufen, zwei zum Verkaufen. Gleich elf Analysten empfehlen Abwarten. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 93,60 Euro - und damit zehn Euro unter dem aktuellen Kursniveau.
Auf den neuen Chef bei Conti kämen große Herausforderungen zu, schrieb NordLB-Anaylst Frank Schwope. Spätestens ab dem Jahr 2023 sollte es aber wieder spürbares Wachstum auf dem Automarkt geben. Die vorgelegten Eckdaten seien besser als erwartet ausgefallen, schrieb Analyst Thomas Besson von Kepler Cheuvreux. Angetrieben sei dies vor allem von der Sparte mit Reifen und Kunststofftechnik.
Conti wird mit dem detaillierten Zwischenbericht auch einen Ausblick auf die Jahreszahlen geben. Bisher steht nach der wegen Corona kassierten ursprünglichen Prognose noch lediglich die Erwartung im Raum, dass Umsatz und bereinigter operativer Gewinn (bereinigtes Ebit) unter Vorjahr liegen werden. Auch der Free Cashflow dürfte deutlich weniger betragen, hieß es zuletzt vom Unternehmen.
Es wird jedoch interessant, mit wie viel Umsatz und Ergebnis Conti nun einigermaßen konkret rechnet. Von Bloomberg bis Montag befragte Experten gehen von 37,5 Milliarden Euro aus nach 44,5 Milliarden vor einem Jahr. Das bereinigte operative Ergebnis erwarten sie diesmal bei 1,1 Milliarden Euro nach 3,2 Milliarden. Immerhin schätzen die Analysten, dass Conti mit gut 300 Millionen Euro unter dem Strich wieder schwarze Zahlen schreibt. Vergangenes Jahr hatten hohe Abschreibungen dem Konzern einen Verlust von 1,2 Milliarden Euro eingebrockt.
DAS MACHT DIE AKTIE:
Conti ist vom Vorkrisenniveau beim Aktienkurs noch ein Stück weit entfernt. Lag das Papier vor dem Crash, der die Aktienmärkte im Februar erwischte, noch bei gut 110 Euro, kostet es aktuell gut 102 Euro. Im Tief Mitte März waren es nur noch wenig mehr als 50 Euro. Wer länger dabei ist, hat deutlich mehr Kursverluste einzustecken: Im Januar 2018 markierte die Aktie ihr Rekordhoch bei 257,40 Euro.
Seit damals geht es für die Aktie kontinuierlich nach unten. Zuerst machte der US-chinesische Zollstreit der Branche und damit auch Conti zu schaffen, die seit Jahren hohen Ausgaben für Elektroantriebe, Vernetzung und Elektronik kamen noch hinzu. In den vergangenen zwei Jahren steht für Conti-Aktionäre ein Kursverlust von gut einem Viertel zu Buche.
Im laufenden Jahr liegt das Conti-Papier mit einem Minus von über elf Prozent im hinteren Dax-Mittelfeld. Auf Sicht von drei Jahren ist im deutschen Leitindex nur Bayer
46 Prozent der Conti-Aktien gehören seit dem missglückten Übernahmeversuch in der Finanzkrise 2008/09 der Industriellenfamilie Schaeffler
Quelle: dpa-Afx