BERLIN/BRÜSSEL/MAINZ (dpa-AFX) - Zu Beginn der großen Corona-Impfaktion ruckelt es an der einen oder anderen Stelle: In Teilen Bayerns konnten die Impfungen erst mit Verspätung beginnen, weil es Unklarheiten bei der Kühlung gab. Dafür war ein Pflegeheim in Sachsen-Anhalt schon am Samstag entgegen der EU-weiten Verabredung mit dem Impfen vorgeprescht. Und in Stralsund wurden Mitarbeiter einer Einrichtung mit der fünffachen Dosis geimpft, weil der Impfstoff nicht wie vorgeschrieben verdünnt worden war.

Während sich die Abläufe noch einspielen müssen, stellen sich Millionen Menschen weiterhin viele Fragen zum Thema Impfung.

Können auch Geimpfte das Virus weitergeben?

Es ist denkbar, dass ein Geimpfter bei Kontakt mit dem Erreger zwar selbst nicht erkrankt, das Virus aber an andere weitergeben kann, sagt das Robert-Koch-Institut. Bis zum Vorliegen neuer Daten müssten deshalb auch nach einer Impfung die allgemein empfohlenen Schutzmaßnahmen - Beachtung von Abstands- und Hygieneregeln - weiterhin eingehalten werden. Die Mainzer Firma Biontech rechnet damit, dass bis Februar Daten zur Ansteckungswahrscheinlichkeit vorliegen.

Welche Nebenwirkungen können auftreten?

Müdigkeit, Kopfweh, Schmerzen an der Einstichstelle zählen zu den am häufigsten aufgetretenen Nebenwirkungen nach einer Impfung. Außerdem kann es zu Schüttelfrost, Durchfall, Muskel- oder Gliederschmerzen sowie Fieber kommen. Solche Reaktionen sind in vielen Fällen ein Hinweis darauf, dass das Immunsystem auf den Impfstoff reagiert - und das möchte man ja mit einer Impfung erreichen. Vorsicht ist bei Menschen geboten, die unter starken Allergieproblemen leiden. Sie können schlimmstenfalls mit schweren allergischen Reaktionen auf eine Impfung reagieren. "Allergische Reaktionen auf Impfstoffe sind nicht ungewöhnlich, kommen glücklicherweise aber sehr selten vor", hatte der Präsident des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen kürzlich gesagt.

Wie werden Nebenwirkungen erfasst und bewertet?

Zuständig ist in Deutschland das Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Dafür setzt das Institut auf Meldungen von Herstellern, die verpflichtet sind über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen zu berichten, nach Meldungen von Ärzte und auch von Patienten. Das geht etwa über die Plattform "nebenwirkungen.bund.de" oder eine App. Über die App werden Geimpfte etwa in bestimmten Zeitabständen nach jeder Impfung nach gesundheitlichen Beschwerden befragt- oder auch, ob nach der Injektion noch eine Corona-Infektion auftrat.

Braucht man unbedingt zwei Impfungen?

Etwa drei Wochen nach der ersten Impfung ist eine zweite, eine Auffrischungsimpfung fällig. "Das kennt man auch von anderen Impfstoffen, etwa den ersten Impfungen am Lebensanfang", erläutert Andreas Podbielski, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene an der Uni Rostock. "Manche Menschen bauen bereits nach der ersten Impfung einen ausreichenden Immunschutz auf, andere aber nicht. Man stellt mit der Auffrischungsimpfung sicher, dass die Impfwilligen tatsächlich vernünftig geschützt sind." Andernfalls sei es möglich, dass es trotz Impfung zu Erkrankungen kommt. Ein möglichst optimaler Schutz sei auch psychologisch wichtig, damit nicht der Eindruck entstehe, die Impfung tauge nichts.

Wird es Sonderregeln für Geimpfte geben?

Die Frage kann noch keiner klar beantworten. Geführt wird die Debatte seit Wochen unter der Überschrift "Impfpflicht durch die Hintertür". Offiziell ist zwar keine Impfpflicht geplant, aber es wird immer wieder die Befürchtung geäußert, Nichtgeimpfte könnten Nachteile erfahren, etwa wenn Geschäfte oder Veranstalter im Rahmen ihres Hausrechts für sie die Türen zumachen oder wenn Fluggesellschaften, wie die von der australischen Qantas angekündigt, auf bestimmten Strecken nur noch geimpfte Passagiere mitnehmen.

Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) hatte vor Weihnachten auf eine entsprechende Nachfrage im ZDF-"Morgenmagazin" gesagt: "Natürlich sind wir ein Land, was Privatwirtschaft hat. Verhindern werden wir das nicht können." Das Bundesjustizministerium teilte am Montag auf Nachfrage mit, eine verlässliche Antwort auf die Hausrecht-Frage könne im Moment noch nicht gegeben werden. Verwiesen wird auch darauf, dass noch nicht klar sei, ob eine Impfung nur den Geimpften oder auch andere vor einer Ansteckung schützt.

Wieviele Impfungen sind mit einem Fläschchen möglich?

Der Impfstoff kommt als Konzentrat und wird jeweils vor der Impfung mit Kochsalzlösung verdünnt. Eigentlich muss das Konzentrat für fünf Mischungen reichen. Da aber sicherheitshalber ein wenig mehr in jede Flasche eingefüllt wird, sind manchmal sogar sechs Injektionen drin. Das Bundesgesundheitsministerium hat die Länder jetzt auf diese Möglichkeit hingewiesen - keine unwichtige Nachricht zum Impfauftakt, wo der Stoff knapp ist. Bedingung ist allerdings, dass in jeder Spritze wie vorgeschrieben 0,3 Milliliter Impfstoff enthalten sind. Das muss der impfende Arzt im Einzelfall sicherstellen, wie es heißt. Reste aus Impfflaschen dürfen auf keinen Fall zusammengemischt werden.

Warum ist der Impfstoff überhaupt knapp und warum wurde nicht mehr bestellt?

Die EU-Kommission hat im Auftrag aller 27 EU-Staaten mit rund 450 Millionen Menschen knapp zwei Milliarden Dosen von sechs Impfstoffherstellern geordert - insgesamt also mehr als genug. Knapp ist der Impfstoff zu Beginn deshalb, weil bisher nur das Mittel von Biontech/Pfizer eine EU-Zulassung hat. Die EU soll bis zu 300 Millionen Dosen davon bekommen, aber nur nach und nach. Bis September 2021 sollen 200 Millionen Dosen geliefert sein.

Jeweils bis zu rund 400 Millionen Dosen wurden von Astrazeneca , Curevac und Johnson&Johnson bestellt. Nur hinken diese in der Entwicklung etwas hinter Biontech/Pfizer her. Die Kommission verteidigt ihre Beschaffungsstrategie: Ziel sei ein vielfältiges Sortiment unterschiedlicher Hersteller gewesen, um sicher zu sein, dass die Europäer bei den ersten Lieferungen mit dabei sind. Es sei bekannt, dass einige EU-Staaten womöglich mehr von einem bestimmten Impfstoff wollten, sagte ein Kommissionsprecher am Montag. Man prüfe, wie das ermöglicht werden könnte.

Beim Umfang der Bestellungen könnte der Preis eine Rolle gespielt haben. Eine belgische Staatssekretärin machte kürzlich publik, dass eine Dosis des Biontech/Pfizer-Vakzins 12 Euro koste, das Mittel von Astrazeneca nur 1,78 Euro.

Für welche Impfstoffe werden die nächsten Zulassungen in der EU erwartet und wann? Werden dadurch Engpässe beseitigt?

Als nächstes will die EU-Arzneimittelbehörde EMA am 6. Januar eine Empfehlung zum Impfstoff des Herstellers Moderna abgeben. Davon hat die EU bis zu 160 Millionen Dosen bestellt. Die Zulassung dürfte aber die Knappheit noch nicht beseitigen. Der Impfstoff von Astrazeneca könnte in der EU - wie in Großbritannien - als nächstes an der Reihe sein, auch wenn ein Termin noch nicht bekannt ist. Dessen Zulassung wäre aus Sicht von Experten ein großer Schritt nach vorn. Denn das Vakzin ist preiswert und muss auch nicht so stark gekühlt werden, wie die neuartigen Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna./jr/ags/vsr/DP/nas

Quelle: dpa-Afx