FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Corona-Pandemie ist der Deutschen Bank mitten in der Sanierung in die Parade gefahren. Die Hoffnung, dass Deutschlands größtes Geldhaus 2020 endlich aus der jahrelangen Krise kommen könnte, ist dahin. Analysten rechnen mal wieder mit einem Milliardenminus - es wäre das sechste Jahr mit einem Verlust in Folge. Doch die Bankspitze sieht sich angesichts trotzdem in ihrem Kurs bestätigt, und Anleger an der Börse scheinen das ähnlich zu sehen. Was bei der Deutschen Bank los ist, was Analysten sagen und wie sich die Aktie entwickelt:

DAS IST LOS BEI DER DEUTSCHEN BANK:

Knapp ein Jahr ist es her, dass Vorstandschef Christian Sewing bei der Deutschen Bank zum großen Kahlschlag ausholte. Binnen kürzester Zeit schredderte er den kompletten Aktienhandel des Hauses, stutzte das verlustreiche Investmentbanking und verlegte den Fokus auf die Geschäftsteile, in denen die Bank schon zuvor Geld verdiente: Unternehmens- und Privatkunden sowie das Geschäft mit internationalem Zahlungsverkehr, Handelsfinanzierung und Wertpapierdienstleistungen.

Nach jahrelangen Verlusten, milliardenschweren Strafen wegen Rechtsverstößen und den allenfalls zaghaften Reformen mehrerer Vorstandschefs war Sewing im April 2018 an die Bankspitze gerückt. Als er gut ein Jahr später seinen Plan für die Bank vorstellte, war klar: Die Kürzungen treffen besonders die hochbezahlten Investmentbanker des Hauses, die zwar in oft riskanten Geschäften riesige Summen bewegten - den Dax-Konzern aber unter dem Strich weit mehr Geld kosteten als sie einbrachten.

Bis zum Jahr 2022 will die Deutsche Bank rund 18 000 Jobs abbauen, rund 74 000 Vollzeitstellen sollen dann weltweit übrig bleiben. In den Kürzungen enthalten sind auch mehrere tausend Jobs, die durch die Integration der Postbank wegfallen.

Größere Kürzungen im Filialnetz hat die Deutsche Bank im Gegensatz zur kleineren Commerzbank bisher nicht auf dem Zettel. Die Deutsche Bank kommt unter ihrer eigenen Marke bundesweit auf rund 500 Filialen, die Postbank auf etwa 800. Wegen der Corona-Krise hat der Konzern jedoch viele Standorte geschlossen - und noch sind nicht alle wieder geöffnet. Andere Banken haben bereits entschieden, einzelne Geschäftsstellen in dem Zuge endgültig dichtzumachen.

Doch derzeit hat die Deutsche Bank wie andere Geldhäuser noch ganz andere Sorgen, als ihre Betriebskosten zu senken. Neben der Niedrigzinsen, die seit Jahren an Erträgen und Ergebnissen nagen, drohen wegen des Wirtschaftseinbruchs infolge der Coronavirus-Pandemie reihenweise Kredite auszufallen. Im ersten Quartal legte die Deutsche Bank deshalb 500 Millionen Euro zurück. Im zweiten Quartal dürften bei der Risikovorsorge 800 Millionen hinzukommen, hatte Finanzchef James von Moltke im Juni gesagt.

Aus seiner Sicht sollte damit aber das Schlimmste überstanden sein. Das zweite Quartal sei wahrscheinlich der Tiefpunkt, sagte er - und zeigte sich von der jüngsten Entwicklung im laufenden Geschäft positiv überrascht. Nicht nur die Investmentbank, auch andere Bereiche hätten sich seit März deutlich stärker von der Krise erholt als vom Vorstand erwartet. Daher sieht er für das Management auch keinen Grund, seinen Kurs zu ändern. "Wenn wir durch diese Krise durch sind, werden wir zeigen, dass wir nicht von unserem strategischen Weg abgekommen sind."

Allerdings geht der Manager davon aus, dass die Banken in Europa um grundlegende Veränderungen nicht herum kommen. "Das Bankgeschäft, wie wir es kennen, geht durch eine massive Evolution." Dabei versucht sich die Deutsche Bank auch für eine Welle von Fusionen und Übernahmen zu rüsten. "Wir wollen die Deutsche Bank in die richtige Position bringen", sagte von Moltke. "Wir haben Hausaufgaben zu machen und wir arbeiten hart daran."

Der Chef der deutschen Finanzaufsicht Bafin, Felix Hufeld, sagt den Banken des Landes trotz hoher Belastungen immerhin keine Systemkrise voraus. "Es wird signifikante Kreditausfälle geben. Sie werden limitiert bleiben, aber nicht klein", erklärte er Anfang Juni in einer Online-Veranstaltung der Nachrichtenagentur Bloomberg. Die größten Herausforderungen dürfte es aus seiner Sicht im zweiten und dritten Quartal geben. Allerdings hält er eine zweite Welle von Kreditausfällen bei Unternehmen im Jahr 2021 für wahrscheinlich.

Das für das Risikomanagement der Deutschen Bank verantwortliche Vorstandsmitglied Stuart Lewis erteilte Befürchtungen eine Absage, dass der Dax-Konzern wegen der Belastungen eine Kapitalerhöhung benötigen könnte. "Wir haben genügend Kapital, um schwere Wirtschaftskrisen durchzustehen", sagte er zuletzt der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Die derzeit absehbaren Belastungen werde die Deutsche Bank wegstecken können, ohne die Eigenkapitalbasis übermäßig zu schwächen.

Eine Dividende für 2019 hatte das Geldhaus nach dem Milliardenverlust im vergangenen Jahr ohnehin nicht geplant. Und Europas Bankenaufseher erlauben Geldhäusern wegen der Corona-Krise vorübergehend dünnere Kapitalpuffer, damit die Institute Unternehmen ausreichend mit Krediten versorgen können.

Solches Geld könnte jetzt auch die Bank-Tochter des pleitegegangenen Zahlungsabwicklers Wirecard gebrauchen - und die Deutsche Bank hat bereits ihre Fühler ausgestreckt. "Wir können uns grundsätzlich vorstellen, im Rahmen der Fortführung der Geschäftsaktivitäten diese Unterstützung zu gewähren, sofern es erforderlich werden sollte", sagte ein Sprecher am Donnerstag, wollte aber nichts zu den Hintergründen sagen. Bloomberg berichtet unter Berufung auf Insider, dass auch eine Übernahme möglich ist. Die Wirecard Bank ist bisher nicht von der Insolvenz ihres Mutterkonzerns betroffen, der im Sog eines milliardenschweren Bilanzskandals vergangene Woche aufgeben musste.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die Deutsche-Bank-Aktie hat sich in diesem Jahr trotz der Corona-Krise vergleichsweise gut geschlagen. Vom Jahreshoch bei 10,37 Euro Mitte Februar stürzte ihr Kurs bis Mitte März zwar um mehr als die Hälfte auf 4,449 Euro ab. Seitdem erholte sich er sich aber wieder auf zuletzt 8,55 Euro. Da sich das Papier bis Mitte Februar exzellent entwickelt hatte, legte der Kurs seit Ende im bisherigen Jahresverlauf sogar um fast ein Viertel zu und damit mehr als jeder andere Dax-Wert.

Langfristig gehört das Deutsche-Bank-Papier aber weiterhin zu den größten Verlierern seit der Finanzkrise Ende vergangenen Jahrzehnts - sowohl unter den Banktiteln als auch unter allen Standardwerten. Seit dem unter anderem um die Effekte von Kapitalerhöhungen bereinigten Rekordhoch von etwas mehr als 90 Euro im Frühjahr 2007 ging es um rund 90 Prozent nach unten.

Mehr hat in diesem Zeitraum kaum ein Papier einer anderen Großbank verloren. Trotz einiger Kapitalerhöhungen, um das Kapitalpolster zu verbessern, ist die Bank an der Börse derzeit nur noch knapp 18 Milliarden Euro wert. Damit liegt sie nur noch im unteren Mittelfeld der Dax-Konzerne. 2007 hatte die Bank mit einem Börsenwert von mehr als 60 Milliarden Euro noch zu den wertvollsten Dax-Konzernen gehört.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Auch wenn der Radikalumbau der Deutschen Bank bei Analysten auf positives Echo stieß und die Aktie bisher gut durch die Corona-Krise kam, betrachten Branchenexperten den Konzern aus Anlegersicht mit Skepsis. Von den 14 im dpa-AFX Analyser erfassten Experten, die sich seit Mitte April zur Deutschen Bank geäußert haben, rät kein einziger zum Kauf der Aktie. Sechs Analysten raten zum Halten, die Mehrheit von acht Experten empfiehlt, sich von der Deutschen Bank zu trennen.

Mit Blick auf die Kursziele erscheint dieser Rat nur folgerichtig. Im Schnitt schreiben die Experten dem Papier ein Kursziel von knapp sechs Euro zu, und der Kurs liegt inzwischen weit über diesem Wert. Zudem hat keiner hat ein Kursziel von mehr als acht Euro auf dem Zettel.

So wertet DZ-Bank-Analyst Markus Mischker die bisher erreichten Erfolge beim Umbau der Deutschen Bank zwar Ende Juni positiv. Allerdings bleibe das Institut eine im Bank im Restrukturierungsmodus, und Rückschläge seien bei einem ungünstigeren Verlauf der Corona-Krise nicht auszuschließen. Zudem hat die Aktie hat aus seiner Sicht zuletzt bereits deutlich zugelegt - und auch sein bereits erhöhtes Kursziel von acht Euro überschritten.

Noch skeptischer äußerte sich Eoin Mullany von der Privatbank Berenberg, der dem Papier nur ein Kursziel von 4,50 Euro zuschreibt und zum Verkauf rät. Einige Anleger sorgten sich inzwischen, der jüngsten Rally bei Bankaktien nicht mehr hinterherzukommen, schrieb er Ende Juni. Das Papier der Deutschen Bank sollten sie aber meiden. Das Institut habe in puncto Kapital von regulatorischen Aspekten profitiert. Die Handelserträge hätten sich jedoch zuletzt weiterhin schlechter entwickelt als jene der Konkurrenz.

Von der Deutschen Bank bis 24. Juni befragte Analysten erwarten, dass die Deutsche Bank auch wegen hoher Kreditausfälle durch die Corona-Krise 2020 das sechste Jahr in Folge rote Zahlen schreibt. Im Schnitt gehen sie davon aus, dass das Geldhaus fast 2,5 Milliarden Euro für faule Kredite zurücklegt. Der auf die Aktionäre und andere Eigenkapitalgeber entfallende Verlust dürfte nach ihren Schätzungen daher fast 1,8 Milliarden Euro erreichen./stw/zb/fba

Quelle: dpa-Afx