FRANKFURT (dpa-AFX) - Trotz des schwächelnden Kerngeschäfts hat die Deutsche Börse
DAS IST LOS BEI DER DEUTSCHEN BÖRSE
Kleinere Übernahmen und ein breiter aufgestelltes Geschäftsfeld: Mit dieser Formel gelang der Deutschen Börse ein Rekordjahr, obwohl die Zeichen 2021 nicht unbedingt zu ihren Gunsten standen. Denn das meiste Geld verdient der Marktplatzbetreiber nach wie vor im Handel mit Derivaten. Und die waren im vergangenen Jahr wegen der relativ stabilen Kurse weniger gefragt. Mehr Geld machte die Deutsche Börse dafür im Geschäft mit Fonds sowie an der Strombörse EEX.
In diesem Jahr hat sich der Wind am Aktienmarkt aber wieder gedreht. Allen voran der Krieg in der Ukraine und die anstehende Zinswende in den USA dürften nachhaltig für mehr Bewegung an den Finanzmärkten sorgen und das Bedürfnis für Anleger steigern, ihre Investments abzusichern - beides eine Triebfeder für die Deutsche Börse.
Der Vorstand will das ehrgeizige Tempo deshalb beibehalten. Die Nettoerlöse sollen im Gesamtjahr auf 3,8 Milliarden Euro steigen, während das operative Ergebnis auf 2,2 Milliarden Euro wachsen soll. Das entspräche jeweils einem Plus von rund acht Prozent. Vom Unternehmen befragte Experten haben im Schnitt minimal mehr auf dem Zettel.
Im Rahmen seiner mittelfristigen Prognose will der Konzern zwischen 2019 und 2023 jährlich um zehn Prozent zulegen - sowohl bei den Nettoerlösen als auch beim operativen Ergebnis. Je zur Hälfte soll das Wachstum aus Übernahmen stammen, bei denen laut Konzernchef Theodor Weimer allerdings keine größeren Käufe zu erwarten sind. Von dem Wachstum, das bis 2023 durch Zukäufe entstehen soll, habe der Konzern bereits zwei Drittel erzielt.
Im vergangenen Jahr profitierte die Deutsche Börse gleich in mehreren Segmenten von Übernahmen, die ein wesentlicher Bestandteil der Strategie von Weimer sind. Dem früheren Hypovereinsbank-Chef ist 2021 unter anderem der Kauf von Crypto Finance gelungen, einem Handelsplatz für Krypto-Anlagen. Außerdem ging der US-Stimmrechtsberater ISS in den Besitz der Frankfurter über.
DAS SAGEN DIE ANALYSTEN
Die Erholung des zyklischen Geschäfts dürfte der Deutsche Börse zum Jahresstart satte Erträge eingebracht haben, erwartet Andreas Pläsier von Warburg Research. Gemeint sind etwa die Kernsegmente Derivate- und Aktienhandel, die im vergangenen Jahr an Tempo verloren hatten. Zudem spiele der Deutschen Börse weiterhin ein hohes Handelsvolumen an der Energiebörse EEX in die Karten. Alles in allem sei der Konzern "auf dem besten Weg", seine Ziele für das Gesamtjahr zu übertreffen, schreibt Pläsier.
Auch die Mehrheit der vom Unternehmen befragten Analysten rechnet mit einem guten Start ins neue Jahr. Im ersten Quartal gehen sie davon aus, dass die Nettoerlöse erstmals über die Marke von einer Milliarden steigen - wenn auch nur knapp. Das wären knapp 22 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen soll demnach um 24 Prozent auf 646 Millionen Euro steigen.
Auch am Kapitalmarkt räumen Experten der Deutschen Börse noch Luft nach oben ein. Die Mehrheit der von der Finanznachrichtenagentur dpa-AFX erfassten Analysten raten zum Kauf des Papiers. Mit einem durchschnittlichen Kursziel von gut 178 Euro liegen sie um gut acht Prozent über dem aktuellen Kurs.
Zu den verhalteneren Stimmen gehört Haley Tam von Credit Suisse. Die Deutsche Börse sei 2022 zwar ein klarer Profiteur vermehrter Anlegeraktivität, schreibt die Analystin. Das gelte aber für sämtliche europäische Börsenbetreiber. Um die 2023er-Ziele zu erreichen, sei aber wohl eine weitere Übernahme notwendig.
DAS MACHT DIE AKTIE
Im laufenden Jahr gehören Aktien der Deutschen Börse zu den wenigen Gewinnern in der ersten Börsenliga. Seit Jahresbeginn kletterten die Papiere um etwas mehr als elf Prozent nach oben und sind hinter Bayer
Nachdem Weimer die Führung der Deutschen Börse Anfang 2018 übernommen hatte, zog der Aktienkurs zunächst an und gewann in den ersten zwei Jahren rund 40 Prozent. Auch in die darauf folgende Pandemie startete der Konzern verheißungsvoll. Nach dem kurzen Schock im März 2020 ging es für die Papiere der Frankfurter konstant bergauf. Im Juli 2020 schnellten sie auf den Höchststand von 170,15 Euro. Ein Gewinner der Pandemie - zunächst.
Denn lange halten konnte die Deutsche Börse ihre Gewinne nicht. Im Herbst 2020 rutschte der Kurs bis auf 126 Euro ab, deutlich unter das Niveau vor der Pandemie. In der Folge bewegte sich der Kurs trotz starker Ausschläge vor allem seitwärts und pendelte zwischen gut 130 und rund 150 Euro hin und her.
Erst zu Beginn dieses Jahres zog das Papier wieder an und setzte den Höhenflug auch nach dem Ukraine-Schock weiter fort. Die Bestmarke von etwas mehr als 170 Euro aus dem Sommer 2020 wurde dabei nur um wenige Cent verfehlt.
Auf seine gesamte Amtszeit betrachtet sieht Weimers Bilanz am Kapitalmarkt gut aus - der Börsenwert etwas mehr als 70 Prozent über dem Niveau seines Amtsantritts. Zudem überflügelte er in der Wertung auch die Deutsche Bank
An Börsenwert bringt die Deutsche Börse nach der Kursrally immerhin 31 Milliarden Euro auf die Wage. Der Rivale aus London spielt allerdings weiter in einer anderen Liga. Die London Stock Exchange
Eine Gelegenheit für neue Impulse am Aktienmarkt bietet sich derweil an diesem Montag. Da will die Deutsche Börse am Abend ihr Zahlenwerk für das erste Quartal vorlegen./jcf/zb/he
Quelle: dpa-Afx