BAD HOMBURG (dpa-AFX) - Die Corona-Pandemie hält den Klinik- und Medizinkonzern Fresenius SE seit rund einem Jahr auf Trab. Mittendrin muss sich Konzernchef Stephan Sturm Spekulationen um eine Aufspaltung erwehren. Zur Lage des Unternehmens, was Analysten sagen und was die Aktie macht.

LAGE DES UNTERNEHMENS:

Wenn Sturm in der nächsten Woche die Zahlen für das abgelaufene Quartal präsentiert, stehen einmal mehr die Auswirkungen der Pandemie im Fokus. Die Klinikgesellschaft Helios mit ihren 89 Häusern hatte in dem Jahresviertel - wie wohl fast überall in Deutschland - vor allem im Januar hohe Patientenzahlen mit Covid-19 verzeichnet.

Im vergangenen Jahr hatte Fresenius vor allem dank staatlicher Hilfemaßnahmen die coronabedingten Belastungen im Klinikgeschäft zum Teil abfangen können. Dagegen machte zuletzt völlig unerwartet die Dialysetochter Fresenius Medical Care (FMC) Probleme. Nachdem sie zuvor noch relativ glimpflich durch die Pandemie gekommen war und Umsatz- und Gewinnzuwächse in 2020 erzielt hatte, stellte sie im Februar für 2021 einen Ergebnisrückgang um bis zu 25 Prozent in Aussicht - ein Schock für die Börse.

Da FMC, obwohl nur zu 30 Prozent zu Fresenius gehörig, in der Bilanz von Fresenius voll konsolidiert wird, überschatten die trüben Perspektiven der Tochter auch die der Mutter. Beide Konzerne kündigten deshalb bereits ein Bündel an Maßnahmen an, mit denen die Kosten in den kommenden Jahren gesenkt werden sollen, um wieder höhere Gewinne zu erzielen.

So will Fresenius etwa sein umfangreiches Geschäftsportfolio auf den Prüfstand stellen. Damit wurden zuletzt auch die Spekulationen um eine Aufspaltung des Konzerns befeuert. Denn schon seit einiger Zeit mehren sich kritische Stimmen, die ein Ende der "Konglomeratsstruktur" des Dax -Unternehmens fordern. Bislang hat sich Fresenius-Lenker Sturm dagegen vehement verwehrt. Zur Präsentation der Jahreszahlen für 2020 zeigte er sich entschlossen, alles dafür zu tun, um die vier Konzernteile weiter unter einem Dach zu halten.

Eine Kabi-Personalie ist es, die den Spekulationen um das zukünftige Aussehen des Konzerns aber erst kürzlich neue Nahrung gab. Denn mit dem früheren Siemens - und Eon -Manager Michael Sen steht nun seit Mitte April ein Mann mit ausgewiesener Erfahrung im Abspalten von Unternehmensteilen an der Spitze des Generikaherstellers. Mit dem bisherigen Kabi-Lenker Mats Henriksson hatte es offenbar Meinungsverschiedenheiten über die künftige Ausrichtung der Fresenius-Tochter gegeben.

In der Diskussion um die Zukunft des Konzerns hat Sturm bislang eines ganz besonders unterstrichen: Es gehe ihm darum, mehr Verständnis für einige "versteckte Champions" im Konzern zu schaffen und damit auch die Wertschätzung an der Börse zu steigern, sagte der Manager vor zwei Monaten.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Die Mehrheit der Experten sieht derzeit für die Fresenius-Aktie noch Luft nach oben, wohingegen dem FMC-Papier kein Spielraum mehr beigemessen wird. Von den zehn im dpa-AFX Analyser erfassten Spezialisten, die sich seit Ende Februar zu Fresenius geäußert haben, haben sieben ein Kaufvotum, zwei votieren mit "Halten", Jefferies als einziges Analysehaus spricht sich für einen Verkauf aus. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei knapp 45 Euro und damit klar über dem aktuellen Aktienkurs. Bei FMC rufen die Experten im Mittel ein Ziel von knapp 66 Euro auf, in etwa auf diesem Niveau notiert die Aktie derzeit. Dennoch empfehlen vier Beobachter das Papier noch zum Kauf, drei bleiben mit einen neutralen Votum an der Seitenlinie und erneut plädiert ein Experte für den Verkauf.

Seit der Nachlese zu den Jahreszahlen hat sich unter anderem Veronika Dubajova von der US-Investmentbank Goldman Sachs wieder zu Wort gemeldet. Positiv bewertete die Branchenkennerin Anfang März Äußerungen des FMC-Konkurrenten Da Vita mit Blick auf die erhöhte Sterblichkeit von Dialyse-Patienten. Der Höhepunkt sei demnach im Januar gewesen, schrieb sie. Wenige Wochen später kam Dubajova im Rahmen einer Veranstaltung mit dem FMC-Management zusammen, anschließend sprach sie von einem ermutigenden Austausch.

Berenberg-Analyst Tom Jones rechnete zuletzt hingegen damit, dass die Lage bei FMC sich wegen der Pandemie zunächst noch verschlechtern dürfte - bevor sie dann aber wieder besser werde. Die Aktie preist dies aus seiner Sicht aber bereits angemessen ein.

Einige Analysten widmeten sich unterdessen bevorzugt dem Personalwechsel an der Kabi-Spitze. Der Abgang des ehemaligen Unternehmens-Chefs Mats Henriksson erfolge nach einer Phase der Unsicherheit und Problemen bei der Produktion in den USA, konstatierte Analyst Jefferies-James Vane-Tempest, der bereits seit dem Sommer als bisher einziger den Verkauf der Aktie empfiehlt.

Mit Blick auf die laufenden Diskussionen um mögliche Portfolioverkäufe hält der Experte vor allem die Zukunft von Nachahmerprodukten von Biopharmazeutika für ungewiss. Fresenius Kabi hatte dieses Geschäftsfeld 2017 vom Darmstädter Pharmakonzern Merck übernommen. Nach Einschätzung von Bernstein-Analystin Lisa Bedell Clive dürften bei Kabi indes keine dramatischen Richtungswechsel zu erwarten sein. Sie rühmte am neuen Kabi-Chef vor allem dessen "große Erfahrung im Gesundheitssektor".

Ähnlich äußerte sich auch Commerzbank -Analyst Oliver Metzger: Der ehemalige Siemens-Manager verfüge über eine ausgewiesene Expertise und Erfolgsbilanz, lobte er.

DAS MACHT DIE AKTIE

War es das zuversichtliche Auftreten des Fresenius-Chefs oder schieben die Spekulationen um die Aufspaltung? Beide im Dax notierten Papiere haben zuletzt wieder Auftrieb erhalten. Nachdem vom Ausblick enttäuschte Investoren die Fresenius-Aktie Anfang Februar bis auf ein Zwischentief bei knapp 33 Euro schickten, hat sich der Kurs inzwischen um rund ein Fünftel erholt.

Mit einem Kurs bei aktuell knapp 40 Euro trennen das Papier von seinen Glanzzeiten aber mehrere Jahre: Mitte 2017, als der sich damals anbahnende Akorn-Zukauf für Investoren noch eine süße Verlockung darstellte, hatten diese für eine Fresenius-Aktie in der Spitze noch 80 Euro - also gut das Doppelte - berappen müssen. Doch Sturm blies im Frühjahr 2018 die Übernahme aufgrund von Ungereimtheiten bei den Amerikanern ab, im Herbst/Winter desselben Jahres enttäuschte der Konzern dann wegen Problemen bei FMC und Helios mit gleich zwei Gewinnwarnungen binnen weniger Wochen, womit der Abstieg der Aktie endgültig begann.

Zum Corona-Crash an den Börsen im Frühjahr kostete die Fresenius-Aktie im Tief nur noch gut 24 Euro - bis Jahresende holte der Kurs den Einbruch nicht mehr auf. So gehörte Fresenius 2020 mit einem Kursverlust von rund einem Viertel zu den schlechtesten Dax-Mitgliedern.

Auch die FMC-Aktie hat in den vergangenen Jahren deutlich an Wert eingebüßt, seit dem Hoch bei knapp 94 Euro im Februar 2018 hat der Kurs um rund ein Drittel nachgegeben. Inzwischen ist Fresenius an der Börse nur noch etwa 22 Milliarden Euro wert. FMC bringt es auf eine Marktkapitalisierung von rund 19 Milliarden Euro, damit rangieren beide im Dax auf den hinteren Rängen./tav/men/he

Quelle: dpa-Afx